Über den Horizont hinaus

Von der einmal einige tausend Menschen zählenden Gruppe der Shaker gibt es nur noch eine Handvoll, dennoch haben sie gewaltige Spuren hinterlassen. Oder sollte man schreiben: äußerst haltbare, echoreiche, längst diskursimmanente? So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Shaker als intentionale Gemeinschaft von mythischen Überschreibungen längst hinter Vorurteilsvorhängen verschleiert und angestaubt erscheinen, als eine religiöse Gemeinschaft, deren Furcht vor dem baldigen Weltenende mit dem Erscheinen Gottes auf Erden ihre Häuser, ihre Möbel, Kleider und wohl auch Gedankenwelten blankgeputzt, makellos machten, bereit für den übergroßen Besucher in gar nicht so fernen Tagen.

Die nun vom Vitra Museum – selbst im Besitz zahlreicher Shaker-Möbel – herausgegebene und wie gewohnt sauber gestaltete Publikation zur großen Ausstellung überzeugt ohne Wenn und Aber. Mit ihrem umfassenden Blick auf die Möbelikonen, die, wie auch viele weitere Dinge, für diese Publikation neu fotografiert wurden. Sie überzeugt aber vor allem in nahezu den meisten Beiträgen als gelungene Entschleierungsarbeit. Die Shaker-Mythen – oder sollte ich schreiben Shaker-Vorurteile – lösen sich auf, indem in den Essays und Gesprächen die Shaker-Arbeit, ihr religiöser Hintergrund, das Werden der Gemeinschaft etc. in einen zeitgenössischen Kontext gestellt werden: Aktuelle Künstlerinnen und Designer beziehen sich, bewusst oder unbewusst, in ihrer Praxis auf Kernideen der Shaker. Womit wenigstens verhindert werden könnte, dass die Sorge der Sister Mildred Barker, nur als Stuhl in Erinnerung zu bleiben, unberechtigt ist. Die klare Gliederung sowie ein umfangreiches Sachregister machen die hervorragenden Essays zusammen mit dem umfassenden Bildmaterial zur Referenz für Forschende wie auch alle diejenigen, die immer auch über den Horizont hinaus schauen möchten. Be. K.

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