Urbane Oase im Oktagon

TRI.O Boardinghaus, Unterföhring

In Unterföhring nördlich von München entstand in zwei achteckigen 90er-Jahre-Bürotürmen ein neues Kapitel des städtischen Wohnens auf Zeit. Mit dem
TRI.O Boardinghaus wird die starre Typologie der ehemals nüchternen Bürobauten in ein wohnliches Ensemble transformiert – eine „Oase“ im urbanen Umfeld eines großen Gewerbegebiets, in der man sich gerne aufhält.

TRI.O Unterföhring: Wohnen, Arbeiten und Freizeit an einem Ort zu vereint
Foto: Rainer Täpper

TRI.O Unterföhring: Wohnen, Arbeiten und Freizeit an einem Ort zu vereint
Foto: Rainer Täpper

Die Gemeinde Unterföhring liegt am nordöstlichen Stadtrand Münchens. Mit ihrem großen Gewerbegebiet ist sie einer der wichtigsten Medienstandorte Deutschlands. Unter anderem haben hier der Bayerische Rundfunk, ZDF, ProSiebenSat.1 Media, Sky Deutschland und Paramount ihren Sitz. Rund 20 000 Menschen arbeiten dort in rund 2 200 Unternehmen. Entsprechend groß ist das Übernachtungsaufkommen.

Wohnen, Arbeiten und Freizeit an einem Ort zu vereinen – genau hier setzte die Eigentümerin Grundkontor mit ihrer Objektgesellschaft PG Münchner Str. GmbH an: Die drei achteckigen Bürotürme mit je sechs Geschossen und großen Innenhöfen wurden 1992 unter dem Namen „Oktavian“ errichtet. Jetzt wurden zwei von ihnen zu einem großen Boardinghaus mit 561 Apartments – davon 100 als reine Hotelzimmer – umgebaut. Unter dem Namen „Dein Apart“ vermietet die Eigentümerin seit Frühjahr 2024 die Apartments sowohl an Langzeitmieterinnen und -mieter als auch an Hotelgäste. Der dritte Turm bleibt für die Büro-Nutzung erhalten, wird aber unterirdisch angebunden. Hier sind die Umbauarbeiten noch nicht abgeschlossen.

Als Architekten waren für die Genehmigungsplanung das Münchner Büro Steidle Architekten und für die Ausführungsplanung Hoyos Architekten mit an Bord. Der Auftrag für die Innenarchitektur samt Produkt- und Programmentwicklung der beiden Türme für das Boardinghaus ging an Olufemi Moser Architekten, ebenfalls aus München.

Die ursprünglich schmalen Flure im EG wurde durch eine mäandernde Raumfolge ersetzt, die sich teils zum lichten Innenhof, teils zur Straße hin öffnet
Foto: Rainer Täpper

Die ursprünglich schmalen Flure im EG wurde durch eine mäandernde Raumfolge ersetzt, die sich teils zum lichten Innenhof, teils zur Straße hin öffnet
Foto: Rainer Täpper

Nutzungsänderung der Türme

Als Olufemi Moser ins Projekt einstiegen, war die Genehmigungsplanung bereits abgeschlossen – inklusive eines vom Bauherrn abgelehnten Look- and Feel-Konzepts. „Wir haben das gesamte Interior noch einmal komplett überplant“, erklärt Jörg Moser, neben Christian Olufemi Gründungspartner des Büros. „Die Zimmeraufteilungen waren bereits fix, an den ­Typen und Untertypen konnten wir nichts mehr ändern.“ Stattdessen wurde in der Ausführungsplanung jede Raumeinheit weiterentwickelt – insgesamt 22 Zimmertypen, teilweise mit Verbindungstüren, Balkon oder zweitem Raum. „Wir hätten uns gewünscht, es wären weniger gewesen“, sagt Jörg Moser.

Natürliche Materialien prägen den Raum: Holz, Stein, raue Putz­oberflächen, unbehandelter Kalksandstein und Ziegelo­berflächen ­unterstreichen mit ihrer Haptik die natürliche ­Erscheinung
Foto: Rainer Täpper

Natürliche Materialien prägen den Raum: Holz, Stein, raue Putz­oberflächen, unbehandelter Kalksandstein und Ziegelo­berflächen ­unterstreichen mit ihrer Haptik die natürliche ­Erscheinung
Foto: Rainer Täpper

Farbkonzept und Materialwahl

Das zentrale Thema des Hauses ist ein bewusst gesetzter Kontrast zur Umgebung. „Das Boardinghaus sollte eine kleine Oase im Großstadtdschungel sein“, sagt Jörg Moser. „Denn das Umfeld des angrenzenden Gewerbegebiets ist für Verkehr gemacht, nicht für Menschen.“ Aus dieser Idee entwickelte sich ein farbenfrohes, aber geerdetes Interior, das Natur und Stadt vereinen soll.

Durch die beidseitige Belichtung über die Außen- und die Innenhof-Fassade besteht in den hellen Räumen immer ein Bezug zu den angelegten Außenanlagen. Erdige Töne aus den Farbfamilien Rot, Grün und Gelb setzen im Innenraum Akzente.

Das Thema „Dschungel“ bezieht sich nicht nur auf die Farbigkeit, sondern auch auf einen gewissen informellen Charakter. So haben die Innenarchitekten mit groben Maurer-Steinen arbeitet, auf denen die Sitzflächen der Bänke in den öffent­lichen Bereichen liegen.

Auch in den Zimmern und Apartments herrschen
erdige Farbtöne vor
Foto: Rainer Täpper

Auch in den Zimmern und Apartments herrschen
erdige Farbtöne vor
Foto: Rainer Täpper

Elemente wie bunte Fliesen an den Liften, Shutter aus Holz und filigrane dreieckige und zweifarbige Lamellen als Verkleidung geben dem Interieur etwas Verspieltes. Die von Olufemi Moser entworfenen Leitdetails für die Einbauten sind auf die Möbel – Sessel, Stühle und Beistelltische – von der dänischen Firma Hay und die Textilien von Kvadrat abgestimmt. Einige Möbel und Leuchten wurden eigens von Olufemi Moser entworfen.

Natürliche Materialien prägen den Raum: Holz, Stein, raue Putzoberflächen, unbehandelter Kalksandstein und Ziegel-oberflächen unterstreichen mit ihrer Haptik die natürliche Erscheinung. Die Böden bestehen aus geschliffenem Zement-estrich, die Haustechnik läuft offen unter einer schwarzen Decke, Abkofferungen sind nur dort gemacht, wo nötig. Sichtbetondecken und rau verputzte Wände schaffen einen bewussten Bruch zu den filigran gestalteten Einbauten.

Das Treppenhaus mit seinem geschliffenen Estrich und mit Maschendraht-Elementen unter den Handläufen setzt ebenfalls einen Kontrast zum gestalteten Umfeld. „Die Idee war, eine gewisse Rauheit in den Bauelementen zu lassen“, so Jörg Moser.

Der Sportbereich liegt zusammen mit der Laundry im Untergeschoss
Foto: Teschner/DBZ

Der Sportbereich liegt zusammen mit der Laundry im Untergeschoss
Foto: Teschner/DBZ

Orientierung durch Farbe

Die oktogonale Struktur der Türme war Herausforderung und Gestaltungsmotor zugleich. Besonders die Flure stellten das Planungsteam vor die Frage: Wie schafft man Orientierung in einer scheinbar endlosen Schleife? „Wir haben vier Farben genommen, die an den Knickpunkten wechseln“, erklärt Jörg Moser. Jeder Abschnitt bekommt so seinen eigenen Charakter, die Farbwechsel strukturieren das Raumkontinuum – unterstützt durch Teppiche und Wandfarben, die jeweils in einer Farbfamilie bleiben.

In den Zimmern strukturiert eine rot lackierte Holzbox den Eingang, die eine kleine Küchenzeile und das Bad beinhaltet. Insgesamt gibt es 22 Zimmertypen in Größen von 17 bis 40 m2. Trotz des engen Budgets – „unter 4000 € pro Zimmer“ (Moser) – spiegeln die Räume den Designanspruch von Olufemi Moser wider.

Das Farbkonzept hilft auch in der Tiefgarage bei der Orientierung
Foto: Teschner/DBZ

Das Farbkonzept hilft auch in der Tiefgarage bei der Orientierung
Foto: Teschner/DBZ

Multifunktionale Lobby

Im EG und UG des mittleren Hotel-Turms sind alle öffentlichen Bereiche wie Deli, Lounges, Außenterrassen, Check-in, Waschlounges, Spielzimmer für Groß und Klein sowie ein Fitnessraum untergebracht.

Während in den Obergeschossen die Aufteilung kaum veränderbar war, wurde das Erdgeschoss komplett neu gedacht. Die ursprünglich schmalen Flure wurden durch eine mäandernde Raumfolge ersetzt, die sich teils zum lichten Innenhof, teils zur Straße hin öffnet. Tageslicht fällt beidseitig ein, Sichtachsen betonen Außenbezüge. Hier können sich die Bewohnerinnen und Bewohner zum Essen, Arbeiten und Entspannen treffen.

Grundriss EG öffentlicher Bereich,
M 1 : 400
1 Küche
2 Ausgabetheke
3 Kaffeestation
4 Service
5 Rückgabestation
6 Bar
7 Shop
8 Lagerraum
9 Rezeption
10 Self-Ceck-in
11 Back Office
12 Meeting Bereich
13 Lounge

Grundriss EG öffentlicher Bereich,
M 1 : 400
1 Küche
2 Ausgabetheke
3 Kaffeestation
4 Service
5 Rückgabestation
6 Bar
7 Shop
8 Lagerraum
9 Rezeption
10 Self-Ceck-in
11 Back Office
12 Meeting Bereich
13 Lounge

Grundriss Apartment, M 1 : 100

Grundriss Apartment, M 1 : 100

Lageplan, M 1 : 2 000

Lageplan, M 1 : 2 000

„Es gibt keine klassische Lobby“, sagt Jörg Moser. Stattdessen herrschen Self-Check-in-Terminals, Long-Stay-Ausstattung und multifunktionale Räume vor. Zielgruppe von Boardinghaus und Hotel sind überwiegend Geschäftsreisende und Handwerker – einige Apartments sind speziell für deren Bedürfnisse konzipiert.

Auch die Tiefgarage mit knapp 380 Stellplätzen wurde umgestaltet. Hier stammt die Signaletik ebenfalls von Olufemi Moser Architekten in Zusammenarbeit mit Xylo Wolf. Jeder der drei Türme hat eine eigene Farbwelt, die sich bis ins ­unterste Geschoss zieht und die Orientierung erleichtert. So können die Gäste auf einen Blick erkennen, ob sie sich im richtigen Tiefgaragen-Abschnitt befinden. Der Durchgang zur Konferenzzone im benachbarten Büroturm erlaubt Synergien zwischen temporärem Wohnen und Arbeiten.

Lebendiger Ort für Begegnungen

Mit dem TRI.O Boardinghaus ist es gelungen, die Transformation vom Büro zum Wohnort nicht nur baulich, sondern auch atmosphärisch zu vollziehen. Das Projekt zeigt, wie durch gute Innenarchitektur und ein durchdachtes Storytelling aus einem strukturell eher schwierigen Bestand ein lebendiger Ort für Begegnungen wird. Oder wie Jörg Moser abschließend sagt: „Es war ein Ringen, dahin zu kommen – aber es hat sich gelohnt.“

Heide Teschner/DBZ

Projektdaten

Objekt: TRI.O Boardinghaus, www.trio-munich.de

Standort: Unterföhring

Typologie: Hospitality, Hotel

Bauherr: PG Münchner Straße GmbH, Unterföhring

Nutzer: Betriebs- und Service GmbH

Innenarchitektur: Olufemi Moser Architekten GmbH, München, Jörg Moser, Christian Olufemi, www.olufemimoser.de, Team: Sabrina Hofher, Stefanie Rack, Mariana Pinhao, Micha Biere

Architektur Genehmigungsplanung: steidle architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH, München,

www.steidle-architekten.de

Bauleitung (LPH 8): Hoyos Architekten GmbH, München,

www.ph02.de

Umbau: 2023-03/2024, Ursprungsjahr: 1992

Nachhaltigkeit: LEED Gold

Bauweise/Tragwerkskonstruktion: Stahlbeton

Grundfläche Gebäude: 1 795 m2

Grundstücksfläche: 5 400 m2

Grundfläche Tiefgarage: 4 300 m2

Fachplanung

Landschaftsarchitektur: BUK Garten- und Landschaftsbau GmbH, Oberhaching, www.buk-garden-couture.de, grabner huber lipp landschaftsarchitekten und stadtplaner partnerschaft mbb, www.ghl.land

Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär: Janowski Ingenieure, Berlin, www.janowski-ingenieure.de, SL Ingenieure fpr Gebäudetechnik, München, www.i-sl.de

Elektrotechnik: Ingenieurbüro Poindecker, Garching, www.ibsp.eu

Generalunternehmer Innenausbau: Rodeta, Lithuania/Litauen,

www.rodeta.lt

Tragwerksplanung: WB-I Wolf + Bogatic PartG mbB, München, www.wb-ing.de

Bauphysik: PMI GmbH, Unterhaching, www.pmi-ing.de

Beleuchtung: PS Lab Lighting, Stuttgart, www.pslab.lighting

Energie

Energiekonzept: Effizienzhaus 40 EE

Energiequellen: Geothermie, Fernwärme, Photovoltaikanlage

E-Mobilität: 16 E-Ladestationen

Nachhaltigkeit: rund 30 % CO₂-Einsparung durch Bestandserhalt,

Verbesserung des Mikroklimas durch begrünte Innenhöfe

Hersteller (Auswahl)

Bodenbelag: Tarkett, www.boden.objekt.tarkett.de, Cunera,

www.cunera.nl, Monopark, www.bauwerk-parkett.com

Fliesen: Agrob Bruchtal, www.agrob-buchtal.de, Cinca,

www.cinca.pt, Mosa, www.mosa.com, Refin, www.refin-fliesen.de, Villeroy&Boch, www.villeroy-boch.de

Leuchten: Hay, www.hay.com, PSLab, www.pslab.lighting, Rodeta, www.rodeta.lt

Sonnenschutz: Warema, www.warema.com

Türen: Bund, P.R. Bauelemente

Möblierung: Hay, www.hay.com, Norman Copenhagen,

www.normann-copenhagen.com, Sancal, www.sancal.com, Rodeta, www.rodeta.it

Trennwandsysteme: Kemmlit, www.kemmlit.de

Textilien: Kvadrat, www.kvadrat.dk, Ludvig Svensson,

www.ludvigsvensson.com, Maharam, www.maharam.com

Schließsysteme: Assa Abbloy, www.assaabloy.com

Armaturen: Hansgrohe, www.hansgrohe.com

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