Seesport- und Erlebnispädagogisches Zentrum Kloster
Nach Umbau und Erweiterung ist aus dem Seesport- und Erlebnispädagogischen Zentrum Kloster (SEZ) an der thüringischen Bleilochtalsperre ein äußerst regionaler Holzbau geworden, der durch seine Einfachheit besticht. Schon von Ferne fallen die groben Lärchenholzstämme auf, auf denen der Pfahlbau ruht. Die Konstruktion verzichtet auf Leimhölzer und jede Art von Platten- und Verbundwerkstoffen. Die Bauweise wurde dem im Thüringer Forst verfügbaren Holz angepasst.
Die gefaltete Dachlandschaft des Seesport- und Erlebnispädagogischen Zentrums Kloster (SEZ) folgt ihrem eigenen Rhythmus
Foto: Thomas Müller
Im Süden Thüringens kurz vor der bayerischen Grenze liegt die Jugendbildungsstätte der Thüringer Sportjugend idyllisch an der aufgestauten Saale. Eine abschüssige, gewundene Dorfstraße im Saalburger Ortsteil Kloster führt direkt zum See, an dessen Ufer einst der zweigeschossige Bestandsbau in den 1950er-Jahren als Bootshaus der Gesellschaft für Sport und Technik gebaut wurde. Links und rechts vom umgenutzten und sanierten Bootshaus gehen leicht versetzt die neuen Holzanbauten des Berliner Architekturbüros Ludloff Ludloff Architekten ab. Sie hatten 2020 den internationalen Wettbewerb mit einem Entwurf der radikalen Einfachheit für sich entschieden. Das Modellvorhaben entstand im Rahmen der IBA Thüringen mit dem Ziel, den Radius der eingesetzten Baumaterialien zu minimieren und die lokale Wertschöpfung in der strukturschwachen Region zu maximieren.
„Es war uns wichtig, keine zweigeschossige Kiste danebenzusetzen. Das große Bauvolumen sollte sich möglichst sensibel in die Landschaft einfügen. So entstand die Idee einer Dächerlandschaft rechts und links vom Altbestand“, sagt die Architektin Laura Fogarasi-Ludloff auf der überdachten Terrasse vor dem Haupteingang des SEZ. Über je einen offenen, balkonartigen Laubengang sind die Gruppenzimmer und Seminarräume an das ehemalige Bootshaus angeschlossen, was den Vorteil hat, dass alle Zimmer Seeblick haben.
Das ganze Gebäude auf dem schmal gefassten Seegrundstück ist aufgeständert: zur Landseite nur geringfügig, zur leicht abschüssigen Seeseite deutlich mehr. Der barrierefreie Zugang erfolgt über die südliche Zufahrtsstraße über eine Rampe.
Versetzter Flügelanbau: Im Süden Thüringens liegt
die Jugendbildungsstätte der Thüringer Sportjugend idyllisch an der aufgestauten Saale
Foto: Thomas Müller
Wahl des Holzes
Zu Beginn der Planung wurden verschiedene Konstruktionsmöglichkeiten evaluiert. Aufgrund der reichen Laubholzvorkommen in Thüringen wurde zunächst eine Ausführung in Buchenholz erwogen. Gleichzeitig gehört das Bundesland jedoch auch zu den Regionen mit dem höchsten Schadholzanteil infolge des Borkenkäferbefalls – über 70 % des Nadelholzeinschlags entfallen auf geschädigte Fichtenbestände.
Gemeinsam entwickelten Bauherr und Architekten ein prototypisches Gebäude, das unter bewusster Beschränkung der Mittel ausschließlich aus lokal geschlagenem und gesägtem, leimfreiem Schadholz realisiert wurde. Alle Konstruktionselemente wurden so konzipiert, dass sie von ortsansässigen Zimmereien verarbeitet werden konnten. Zum Einsatz kamen ausschließlich Konstruktionsvollholz und Rauspundschalungen aus geschädigter Fichte. Auf Leimholz und Plattenwerkstoffe wurde verzichtet.
Das Dach geht bewusst auch mal über zwei oder drei Achsen, dabei entstehen individuelle Gästezimmer mit unterschiedlichen Volumen
Foto: Thomas Müller
Lediglich die 84 entrindeten Holzstämme der teils weit überdimensionierten Stützen des Pfahlbaus wurden aus Lärche gefertigt, da sie als tragendes Bauteil der Witterung ausgesetzt sind und hier deshalb eine Ausführung in Fichte nicht in Frage kam. Die Dimension der markanten Stützen ist nicht etwa dem Brandschutz oder der Tragwerksplanung geschuldet, sondern ergibt sich aus der zufälligen Verfügbarkeit der Stämme.
Form follows Tree
Denn der Landessportbund Thüringen e. V. als Bauherr realisierte den Umbau und die Erweiterung seines Erlebnispädagogischen Zentrums als Modellvorhaben für regionales und umweltgerechtes Bauen mit Fördermitteln des Freistaats Thüringen. „Die hier angebotene Naturpädagogik sollte sich auch im Gebäude widerspiegeln“, erinnert sich Laura Fogarasi-Ludloff. Wichtige Kooperationspartner waren dabei der Landesforstbetrieb „ThüringenForst“ sowie das holzverarbeitende Unternehmen Rettenmeier aus dem nahen Hirschberg. Dank dieser Zusammenarbeit erfolgte der Holzeinschlag in den Wäldern des Rennsteigs und des Forsts Sondershausen im Norden Thüringens, die Weiterverarbeitung übernahmen ein lokales Sägewerk und eine nahegelegene Zimmerei.
Über einen balkonartigen Laubengang sind die Gruppenzimmer und Seminarräume an das ehemalige Bootshaus angeschlossen
Foto: Thomas Müller
Dass die 84 gerade gewachsenen Lärchenholzstämme für den Bau überhaupt zur Verfügung standen, ist indirekt dem Borkenkäfer geschuldet. Nachdem der Käfer in den Fichtenbeständen bei Sondershausen gewütet hatte, mussten die betroffenen Flächen gerodet werden. In dem nun ungeschützten Bestand waren die Lärchen einem Sturm zum Opfer gefallen. „Dass wir gerade zu der Zeit diese Stämme zur Verfügung gestellt bekamen, hat sich glücklich gefügt“, sagt Fogarasi-Ludloff. Die 5 bis 6 m langen Stämme wurden entrindet und mit einem Entlastungsschnitt versehen, um ein unkontrolliertes Aufreißen der Stämme bei der Trocknung zu verhindern.
Von der überdachten Terrasse vor dem Haupteingang des SEZ sieht man über den See
Foto: Thomas Müller
Die unterschiedlichen Umfänge der verbauten Stämme stellten dabei eine Herausforderung für Planende und Ausführende auf der Baustelle dar und setzten eine gewisse Flexibilität voraus. Geplant wurden die Stützen mit einer Breite von 28 cm, tatsächlich standen am Ende jedoch 38 bis 50 cm breite Stämme zur Verfügung, erinnert sich die Architektin. Im Rahmen der Werkplanprüfung entschied man sich, die kleineren Stämme auf der Seeseite und die massiveren Stämme zur Landseite einzusetzen, da sich die dickeren Stämme dort konstruktiv besser anschließen ließen.
Einfache Fachwerkkonstruktion
Bei den erfolgten Anbauten handelt es sich um eine bewusst einfache Fachwerkkonstruktion. Das Standardelement ist ein Fachwerkträger, der zwischen den beiden Baumstützen eingehängt ist. Die vorgefertigten Holzrahmen bestehen aus einer Doppelzangenkonstruktion mit Koppelstäben, wobei die Zangen unter der Holzbodenebene und oben am Ende des relativ niedrigen Fachwerkträgers ansetzen. An den Knotenpunkten der Verbindungen verstecken sich Verbindungsbleche, um die Scherkräfte aufzunehmen. Zur Anbindung der Zangen an die Baumstämme wurden die Koppelstäbe an die Stützen geschraubt. An den Koppelstab wurden dann die Zangen angebracht.
Die gefaltete Dachlandschaft sorgt für ein lebendiges Aussehen
Foto: Thomas Müller
Durch die enge Taktung der Stützen, die dem Zimmerraster folgt, ergibt sich ein nicht ganz gleichmäßiges Raster, da Einzel- und Mehrbettzimmer unterschiedlich große Achsbreiten haben – auch dies eine bewusste Entscheidung: „So atmet das Haus ein bisschen.“
Abwechslung auf dem Dach
„Die Stützen folgen dem wechselnden Zimmerraster, jedoch bildet die gefaltete Dachlandschaft ihren eigenen Rhythmus“, erläutert Laura Fogarasi-Ludloff. Das Dach geht bewusst auch mal über zwei oder drei Achsen, so entstehen individuelle Gästezimmer mit unterschiedlichen Volumen. Kein Zimmer gleicht dem anderen. Dabei ist die Dachspitze vorgezogen, was dem konstruktiven Holzschutz geschuldet ist, aber gleichzeitig auch für ein lebendigeres Aussehen sorgt. Ausgeführt wurde ein Sparrendach als Kaltdach, bei dem das Holz längs zur Aussteifung und quer dazu für die Auskragung verbaut wurde.
Eine thermische Trennwand aus Polycarbonat grenzt die beheizten von den unbeheizten Räumen ab
Foto: Ludloff Ludloff
In den robust gestalteten Gästezimmern ist stets eine Wand aus Schallschutzgründen verkleidet, der Rest besteht aus unbehandeltem Fichtenholz in Nichtsichtqualität. Der Sanitärbereich ist aufgegliedert: Die Dusche ist getrennt vom Waschbecken und dies wiederum separat vom WC untergebracht. Die Möbel der 4- bis 6-Bettzimmer aus Fichtenbrettern sind einfach belassen und wurden von Ludloff Ludloff Architekten entworfen.
Sanierung des Bestandbaus
Das mittig liegende Bootshaus aus den 1950er-Jahren wurde durch die zwei versetzt angebauten hölzernen Flügel ergänzt. Bei der Umnutzung und Sanierung des Bootshauses „haben wir versucht, die Eingriffe in den Bestand zu minimieren“, so die Architektin. Empfang und Speiseraum sowie die Bereiche für sportliche Aktivitäten befinden sich im umgenutzten Bestandsbau, dessen Highlight eine 12 m hohe Kletterwand in einem offenen zweigeschossigen Raum ist. Eine thermische Trennwand aus schlichtem Polycarbonat grenzt den beheizten Speise- und Gymnastikraum, Küche und die Personalräume von den unbeheizten Bewegungs- und Haustechnikräumen ab. Je nach Jahreszeit kann die thermische Trennwand geschlossen oder geöffnet werden, über die Schichtung in verschiedenen Klimazonen konnte so das zu beheizende Volumen minimiert werden. Nur in Teilen erfolgte – wo nötig – eine Innenwanddämmung mit Holzwolle. Im sogenannten Seegeschoss unterhalb des Ostflügels sind zusätzliche Sanitärräume für Campinggäste der nahen Zeltwiese und eine Bootswerkstatt untergebracht.
Die Möbel der Gästezimmer sind gewollt einfach belassen und wurden von Ludloff Ludloff Architekten entworfen
Foto: Thomas Müller
Das Gebäude wird mit erneuerbarer Energie über eine Luftwärmepumpe und eine große Photovoltaikanlage versorgt. Der bestehende Heizkessel bleibt aus wirtschaftlichen Gründen erhalten und unterstützt bei Spitzenlasten im Winter bei der Warmwasserbereitung.
Innen und außen fließen ineinander
Der Außenraum ist zurückhaltend gestaltet. Das Gelände läuft unter den aufgeständerten Flügeln durch und verzichtet auf künstliche Grenzen. Ortstypische Materialien wie Kiessand, Schiefer oder Holz prägen auch hier die Gestaltung, ergänzt nur dort, wo es funktional nötig ist. Die Idee dahinter: Das Gebäude wird Teil des Naturraums. Von der überdachten Terrasse reicht der Blick bis zur Bleilochtalsperre. Der Vorplatz mit Rezeption, Fahrradstellplätzen, Radwerkstatt und Aufenthaltsbereich bildet das Zentrum der Anlage.
Ein Beachvolleyballfeld und die Lagerfeuerstelle liegen eingebettet im Grünen. Über das offene Seegeschoss gelangt man zur großen Wiese mit Bootssteg – nutzbar auch als Zeltplatz. Direkt vor der zentralen Eingangsterrasse liegt seeseits das Boot „Helga“ an Land, auch hier können Gäste übernachten.
Isometrie Fachwerk
1 Dachtragwerk
2 Dachsparren mit wechselnder Tragrichtung
3 Holzbalkendecke
4 Koppelstab
5 Doppelzange
6 Rundholzstützen aus Stammware
7 Fachwerkträger
Detail M 1 : 33
1 Holzfaserdämmung
2 Bitumenbahn, weiß beschiefert
3 Zuluft
4 hinterlüftetes Kaltdach
5 abgehängte Festverglasung, Nadelholz P-R-Fassade
6 Rauspundschalung
7 Lärchenholz-Stütze, Rundholz Stammware
8 Nadelholzfenster
9 Überströmelement
10 Stülpschalung Rauspund
11 Luftschicht
12 Holzbalkendecke aus KVH
Scheibenwirkung über Rauspundschalung
13 Zangenkonstruktion als Teil des Fachwerkträgers
14 Fußbodenheizung Niedertemperatur
15 Zange als Teil des Fachwerkträgers
Fazit: Nutzerbezogene Architektur
Das IBA-Modellprojekt Seesport- und Erlebnispädagogisches Zentrum Kloster zeigt: Hier wurde der Weg vom Wald zum Baustoff kurzgehalten. Ein Umstand, der sicher auch dem Waldreichtum dieses Bundeslandes geschuldet ist. Ort, Material und Konstruktion bedingen und befruchten sich hier gegenseitig, was eine gewisse Offenheit und Flexibilität aller Beteiligten voraussetzte. Herausgekommen ist dabei ein Holzbau, der nicht nur im besten Sinne regional ist, sondern auch durch seine schlichte, nutzerbezogene Architektur überzeugt.
Heide Teschner/DBZ
Ludloff Ludloff Architekten, Berlin
Laura Fogarasi-Ludloff, Jens Ludloff
www.ludloffludloff.de
Foto: Werner Huthmacher
Projektdaten:
Objekt: Seesport- und Erlebnispädagogisches Zentrum,
www.sez-kloster.de
Standort: Kloster
Typologie: Umnutzung/ Sanierung Bestandsbau, Erweiterung
Bauherr/Nutzer: Landessportbund Thüringen e. V.,
www.thueringen-sport.de
Architektur: Ludloff Ludloff Architekten, Berlin,
www.ludloffludloff.de
Team: Laura Fogarasi-Ludloff, Jens Ludloff, Costanza Governale (Projektleitung), Nathalie Esposito, Daniela Galárraga, Elise Moreau, Martin Zierer
Bauleitung: Matthias Colditz, Mike Reukauf
Bauzeit: 11.2022 – 06.2024
Grundstücksgröße: 7 087 m²
Nutzfläche gesamt: 2 356 m²
Technikfläche: 144,41 m²
Brutto-Grundfläche: 2 500 m²
Brutto-Rauminhalt: 6 540 m³
Fachplanung:
Tragwerksplanung: Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, Berlin, Andreas Külich, Thorsten Bischkopf, www.andreaskuelich.com
TGA-Planung: Fuchs Ingenieurgesellschaft mbH, Bergisch Gladbach, Matthias Fuchs, Stefan Kaesbach, Anette Spanier, www.fuchs-ig.de
(LP 6−8) Krämer und Partner, Zwickau
Küchenplanung: Ingenieurbüro Bärbel Prokoph, Ahrensfelde
Akustik/Bauphysik: Müller-BBM Building Solutions GmbH, Berlin, www.mbbm-bso.com
Landschaftsarchitektur: Schönherr Landschaftsarchitekten, Berlin, www.schoenherr.la, (LP 5-8) Impuls Landschaftsarchitekten, Jena, www.impuls-la.de
Brandschutz: Sachverständigenbüro für Brandschutz Arnhold, Weimar Andreas Klappauf, www.arnhold-weimar.de
Energie:
Das Gebäude wird mit erneuerbarer Energie über eine Luftwärmepumpe und eine große Photovoltaikanlage versorgt. Der bestehende Heizkessel bleibt aus wirtschaftlichen Gründen erhalten und unterstützt im Winter sowie bei der Warmwasserbereitung.
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand: 0,26 W/(m²K)
Fassadenpaneel: 1,90 W/(m²K)
Bodenplatte: 0,43 W/(m²K)
Dach: 0,24 W/(m²K)
Fenster (Uw): 1,30 W/(m²K)
Hersteller (Auswahl):
Beleuchtung: Bega, www.bega.com, RZB, www.rzb.de,
Linea-Light, www.linealight.com
Bodenbeläge: Forbo, www.forbo.com
Dach: BMI Group, www.bmigroup.com
Heizung: Buderus, www.buderus.de, Kermi, www.kermi.com
Innenwände/Trockenbau: Knauf, www.knauf.com
Lüftung: Helios, www.heliosventilatoren.de, Trox, www.trox.de, Maico, www.maico-ventilatoren.com
Möbel: Kubio GmbH, www.kubio.de
RLT-Anlage: Wolf, www.wolf.eu
Sanitär: Vigour, www.vigour.de, Geberit, www.geberit.de,
Grohe, www.grohe.de, Alape, www.alape.com, Viega, www.viega.de
Software/CAD/Zutrittssysteme: Siemens, www.siemens.com
Türen/Tore: Bauglaserei Gehrmann, www.bauglaserei-gehrmann.de, Variotec, www.variotec.de
Wärmedämmung: Steicoflex, www.steico.com