Neue Sportanlage, Daillens/CH
Der kleine Ort Daillens, knapp 20 km von Lausanne entfernt, hat sich am Ortsrand einen neuen Treffpunkt samt Sportplatz gewünscht. Diesem Wunsch ist das Schweizer Büro LOCALARCHITECTURE aus Lausanne nachgekommen und hat ein zurückhaltendes Gebäude entworfen, das gedanklich und in seinen Einzelteilen dekonstruiert und rekonstruiert werden kann. Letzteres bezieht sich auf die Einfachheit des Baus, aber auch auf die Ausstattung, die nicht nur für die gesamte Gemeinschaft Raum schafft, sondern – ähnlich wie die Konstruktion selbst – sich auf das Notwendige beschränkt.
Das längliche, eingeschossige Gebäude befindet sich am Ortsausgang von Daillens im Schweizer Kanton Waadt und richtet seine charakteristische Dachrundung auf das Fußballfeld des örtlichen Vereins FC Venoge. Der dort bereits vorhandene Umkleidekomplex aus den 1970er-Jahren war so heruntergekommen, dass die Gemeinde einen geschlossenen Wettbewerb für einen Neubau auslobte. „Die grünen Vertreterinnen von Daillens wollten dabei bewusst auf natürliche Materialien zurückgreifen. Der Ort ist zwar abgelegen, aber nicht abgekoppelt – das war der perfekte Kontext, um auf lokale Ressourcen und Kompetenzen zurückzugreifen“, sagt Laurent Saurer, Gründer des Architekturbüros LOCALARCHITECTURE, und erzählt weiter, dass die neue Sportanlage an die Ursprünge von LOCALARCHITECTURE erinnert und so dem Büronamen gerecht wird: Das erste Projekt des 2003 gegründeten Büros war die Realisierung eines Kuhstalls und somit die Auseinandersetzung mit einem landwirtschaftlichen Kontext, wie es auch hier in Daillens der Fall ist. Aber auch bei ihren größeren Projekten soll der Anspruch der gleiche bleiben: Das Hervorheben des Lokalen sowie das Bezugnehmen auf einen spezifischen, gegebenen Kontext ist beim Lausanner Büro als Reaktion auf die Globalisierung der Architektur und ihren unreflektierten Ressourcenverbrauch zu verstehen.
Vor diesem Hintergrund machten sie sich auf die Suche nach den Materialien und der handwerklichen Expertise für den Bau der neuen Sportanlage.
37 Holzrahmen bilden die Tragstruktur des Gebäudes und gliedern es von der Mittelachse aus in vier symmetrische Raumeinheiten
Foto: Matthieu Gafsou
Mit Hand und Fuß
Das Gemeinschaftliche spielt dabei nicht nur auf dem Fußballfeld eine zentrale Rolle. Die Verwendung lokaler Materialien – vom Holz bis zum Füllmaterial der Dämmung – war explizit erwünscht. Um diese dann einzubauen, wurde auf die lokale Kompetenz und Infrastruktur von Daillens zurückgegriffen. „Wir konnten alles, was wir brauchten, 100 m von der Baustelle entfernt finden: die Wälder für das Holz und die Bauernhöfe für die Strohdämmung“, erklärt der Architekt. Letztere wurden von lokalen Bauernhöfen bereitgestellt und verarbeitet. Die Bäuerinnen und Bauern mussten nur „mit ein paar Gläsern Wein überzeugt werden“, so Saurer, und haben dann nicht nur das Stroh, sondern auch die Maschinerie zur Ballenproduktion bereitgestellt. Die Ballen selbst – 1 200 Stück sind im Gebäude verbaut – wurden im „alten“ Maß produziert, da diese sonst die moderne zylindrische Form gehabt hätten. Nicht nur die Kosten, auch die Transportwege konnten dadurch geringgehalten werden.
Für die Form der Ballen wurde auf alte Maschinen zurückgegriffen
Foto: LOCALARCHITECTURE
Aus dem Maß der Strohballen ergab sich der Abstand der Rahmen
Foto: LOCALARCHITECTURE
Die 37 Rahmen, die das Gebäude gliedern und das Traggerüst ausmachen, sind aus Brettschichtkieferholz realisiert. Der Rahmenabstand wird von den Maßen der Strohballen vorgegeben, die die Wärmedämmung für die vier symmetrisch angeordneten Räume bilden. Die Strohballen wurden händisch in die vorgefertigte Regalstruktur aus Holz eingefügt und mit Füßen festgetreten.
Das Dach wurde mit dünnem Wellblech gedeckt und ist das charakteristische Merkmal des Gebäudes
Foto: Matthieu Gafsou
Raffinierte Gesten
Das Gebäude richtet sich parallel zur Längsseite des Spielfelds aus und nimmt dessen mittlere Achse auf. Symmetrisch davon ordnen sich unter einem einfachen Satteldach aus Wellblech die Umkleide-, Vereins- und Gemeinschaftsräume an. Die anschwellende Kurve des filigranen Daches in Sportfeldrichtung so wie die leichtere Kurve, die zum hinteren Sonnenblumenfeld zeigt, wirken wie eine umarmende Geste. Der Dachüberstand ermöglicht den Aufenthalt auf dem als Tribüne fungierenden Betongesims – bei schlechtem Wetter wie bei strahlender Sonne: „Das Dach sollte das Prinzip des Gemeinschaftlichen wiedergeben“, so Saurer. Die Übergänge zwischen den einzelnen, voneinander unabhängigen Funktionseinheiten – Erschließung und Aufenthaltsfläche zugleich – liegen im Freien und erlauben Blickbezüge von einem Feld auf das andere.
Fassadenschnitt M 1 : 33
1 Dachaufbau (von a. nach i.): Photovoltaikpaneel, Wellblech 40 mm, Pfetten-Sparren 140 mm, Sparren 360 mm, Abdichtung, thermische Trennung aus Holzfaser 60 mm, Gramitherm-Isolierung zwischen den Rahmen 240 mm, OSB-Platte 18 mm
2 Wandaufbau (von i. nach a.): OSB-Platte 18 mm, Strohballendämmung zwischen Gerüst 260 mm, OSB-Platte 16 mm, Regenschutz, Konterlattung 60 mm, Lattung, vorgefertigte Holzpaneele Lärche 29 mm
3 Bodenaufbau (von o. nach u.): Fliesen 15 mm, schwimmender Estrich 80 mm, Dämmung 40 mm, OSB-Platte 22 mm, Gramitherm-Isolierung zwischen Rahmen 280 mm, Gipskartonplatte feuchtigkeitsresistent 13 mm
Der Kontrast zwischen dem hellen Kiefernholz und die grün gestrichenen Paneele aus Lärche trennt die Fassadenbauteile visuell voneinander und macht die Konstruktion in ihren Einzelteilen ablesbar
Foto: Matthieu Gafsou
Das Innere wurde in seiner Gestaltung schlicht belassen und zitiert Materialien aus der Landwirtschaft: die Wellblechverkleidung der Vereinsküche im Gemeinschaftsraum oder die Abstreifer an den Schwellen stehen im gelungenen Kontrast zur feinen – aber einfachen – Detaillierung der Architektur. Die Innenwände sind bis hin zur Decke mit Holzwerkstoffen verkleidet, in den Umkleiden wurden die rundumlaufenden OSB-Platten grün gestrichen, um eine Zonierung im Raum zu erzeugen. Auch an der Fassade findet sich die grüne Farbe wieder. Die gestrichenen Paneele aus Lärche liegen geschindelt auf Konsolen der Rahmenkonstruktion und werden durch ein Abstandshalter aus hellem Holz akzentuiert.
Die gemeinschaftliche Vereinsküche mit Versammlungsraum
Foto: Matthieu Gafsou
Die Umkleideräume sind schlicht ausgestattet
Foto: Matthieu Gafsou
Einfach zu lesen
Vier Streifenfundamente, die gemeinsam mit der Rampe und dem Betongesims die einzigen nicht aus Holz realisierten baulichen Elemente sind, heben das Gebäude leicht vom Boden ab. Dieses Gesims – eine Erweiterung der Bewegungsfläche, die auch als Tribüne dient – liegt auf grün gestrichenen Holzbalken und bietet einen „optimalen Blick auf das Feld“, so Saurer. Die Konstruktion der Holzrahmen besteht aus einfachen Zimmermannsverbindungen und wird horizontal von der Fassade bzw. von Holzstreben, die sich auf Höhe der Durchgangsbereiche befinden, ausgesteift.
„Alle Bauteile sind aus der Konstruktion und ihrer Anordnung ablesbar und auseinandernehmbar. Nach dem Prinzip der Stapelung bleiben die strukturellen Funktionen der einzelnen Teile sichtbar“, erläutert Laurent Saurer und weist darauf hin, dass das Gebäude nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis in seine Einzelteile zerlegt werden könnte. Durch die Nutzung natürlicher Materialien und lokaler Ressourcen sowie die weitgehend klebefreien Verbindungen der Bauteile wurde der Fußabdruck der Sportanlage auf ein Minimum reduziert. Übrig bleibt am Ende nur das Fundament, das dann wiederum für weitere Bauaufgaben genutzt werden könnte.
Kreislaufgerecht
Doch auch aus gegenläufiger Richtung ist das Projekt im Kreislauf verankert. Vom rückgebautem Bestandsgebäude wurde so viel wie möglich wiederverwendet, auch das alte Schuhwaschhaus konnte wieder aufgestellt werden und ein weiteres Waschhäuschen erhalten bleiben. Das Gebäude selbst ist durch die integrierte PV-Anlage auf dem Dach energieautark.
Die gesamte Anlage zeugt davon, dass die Planerinnen mit dem gearbeitet haben, was sie vor Ort auffinden konnten und dabei nicht auf architektonische Qualität verzichteten. Aus einer Kombination von kontextbezogener Arbeit und gestalterischem Willen wurde aus dem Material heraus gedacht und geplant, sodass sich aus der Optimierung der Konstruktion die Optimierung der Form ergab. Dabei blieb immer die Intention, ein Gebäude zu gestalten, mit dem sich diejenigen, die an seiner Realisierung beteiligt waren, identifizieren können. Das Ergebnis ist ein Gebäude, das Tradition, Innovation und gemeinsames Schaffen verbindet.
1 200 Strohballen aus lokaler Landwirtschaft machen die Wärmedämmung des Gebäudes aus
Foto: Matthieu Gafsou
Projektdaten
Objekt: Neue Sportanlage für den Verein FC Venoge
Standort: Daillens/CH
Typologie: Freizeit
Bauherr/Bauherrin: Gemeinde Daillens/CH
Architektur: LOCALARCHITECTURE, Lausanne/CH,
www.localarchitecture.ch
Team: Laurent Saurer, Antoine Robert-Grandpierre,
Andrew Hugonnet
Bauzeit: 2021-2024
Nutzfläche gesamt: 690 m²
Brutto-Rauminhalt: ca. 3 312 m³
Fachplanung
Holztechnik: Bureau Cambium, Yverdon-les-Bains,
www.cambium-ing.ch
Tragwerksplanung: 2M, Yverdon, www.2m-ingenieurs.ch
Landschaftsarchitektur: Pascal Heyraud sàrl, Neuchâtel,
www.heyraud.ch
HLS-Planung: Energa SA, Yverdon-les-Bains/Lausanne,
www.energa.ch
ELT-Planung: Perrin Spaeth SA, Crissier, www.perrin-spaeth.ch
Energiekonzept
U-Werte Gebäudehülle:
Außenwand: ca. 0,15 W/(m²K)
Bodenplatte: ca. 0,16 W/(m²K)
Dach: ca. 0,17 W/(m²K)
Fenster (Uw): 1,0 W/(m²K)
Verglasung (Ug): 0,7 W/(m²K)
Hersteller
Holzkonstruktion: Amédée Berrut SA, Collombey,
www.berrutbois.ch
Vorproduktion: E préfabriqué Sàrl, Pompaples,
www.eprefabrique.ch
Tischlereiarbeiten: (Außen) Gindraux SA, Le Mont-sur-Lausanne, www.gindraux.ch, (Innen), Gallarotti Sàrl, Carouge VD,
www.gallarotti.ch