Kühler planen

Wüsten aus Beton und Asphalt: Die sommerlichen Hitzewellen sind in unseren urbanen Betonschluchten besonders unerträglich. Ein Mix aus Krisenbewusstsein, aktivem Klimaschutz und Anpassung der Planungskultur ist jetzt notwendig, um den Hitzestress zu reduzieren und lebenswerte Innenstädte zu entwickeln, welche die richtige Balance zwischen Entsiegelung und Nachverdichtung schaffen.

Tage mit großer Hitze nehmen in Deutschland deutlich zu. Bei extremen Temperaturen heizen sich vor allem unsere Innenstädte auf. Versiegelte Flächen, fehlende Verschattung und wenig Grün tragen wesentlich dazu bei. Auch in der Nacht kühlt es kaum ab. In Tropennächten, also wenn die Lufttemperatur nicht mehr unter 20 Grad absinkt, bringt dann auch Lüften keine Abkühlung mehr. Es kommt zum sogenannten
Wärmeinseleffekt. Ziel einer zukunftsorientierten Stadtplanung und Architektur muss es daher künftig sein, diese Effekte soweit wie möglich abzumildern und neue zu vermeiden.

Städte als Hotspots des Klimawandels

Durch die aktuelle Bebauung der meisten Städte wird in den Ballungsräumen viel mehr Wärme gespeichert als in ländlichen Gegenden. In Hochsommernächten kommt es in den Städten im Vergleich zum Umland zu Temperaturunterschieden von 15 Grad oder mehr. Für ältere Menschen und auch Kleinkinder ist das ein beträchtliches Gesundheitsrisiko. Der Körper steht unter Dauerstress. Deshalb bedarf es nachhaltiger, CO₂-neutraler Lösungen zur Bewältigung des Hitzestresses in Städten:          

1. Für ausreichend Schatten sorgen

Im Regelfall ist Beschattung das beste, einfachste und kostengünstigste Mittel mit der unmittelbar größten Wirkung. Hierzu gehört, Freiflächen beispielsweise mit Sonnensegeln zu versehen und auch Wege zu beschatten. Es gilt, den Baumbestand in unseren Städten zu sichern und neue Bäume anzupflanzen, die sowohl Schatten als auch Verdunstungskühle spenden. Mittel- und langfristig zählt hierzu auch die Konstruktion der Gebäude. Sind sie nach oben hin schräg gebaut, erhitzen sich die Gebäude bei einer eng gestellten schattenspendenden Bauweise weniger stark und benötigen weniger Energie, um gekühlt zu werden.

2. Grünfassaden und Flächenentsiegelung

Sind Fassaden und Dächer in unseren Städten begrünt, steigert das nicht nur die Luftqualität. Bäume und Begrünung sorgen auch für Schatten, Kühle und Befeuchtung. Gleichzeitig mildern die Grünflächen aber auch Wetterextreme und dienen zum Beispiel als eine Art Schwamm und Auffangbecken bei Starkregen. Dabei können auch vertikale Grünfassaden helfen wie beim Drees & Sommer Bürogebäude „OWP12“ in Stuttgart. Zur Begrünung einer Stadt zählen aber auch Grünstreifen, temporäre Regenteiche, begrünte Dächer oder Bäume als Schattenspender.

Wichtig ist hier auch die Flächenentsiegelung. So müssen Plätze und Wege nicht immer asphaltiert sein. Schotter wie im Biergarten oder Rasengitter für Parkplätze sind billiger und besser und heizen sich deutlich weniger auf. Ebenso werden immer noch zahlreiche Flächen, wie etwa Verkehrsinseln, versiegelt, anstelle sie zu begrünen, was auch für mehr Biodiversität sorgen würde. In Stuttgart zum Beispiel sind die neueren Stadtbahnabschnitte mit Grünstreifen statt mit Schottergleisbeeten ausgestattet.

Entsprechende Förderungen machen die Maßnahmen für Städte und Kommunen bereits bezahlbarer. Neben der KFW mit ihren Programmen, die besonders für Städte lukrativ sind, gibt es die ZUG, eine Bundesgesellschaft und spezialisierte Projektträgerin für alle Themen rund um den Schutz von Umwelt, Natur und Klima. Sie hat ein besonderes Programm aufgelegt für entsprechend vulnerable Gruppen wie Kinder, Senioren und besonders betroffene Personen im Umfeld von Kliniken. Gefördert werden auch Maßnahmen wie beschattete Bänke als Ruheplätze oder Trinkbrunnen, um den Wasserhaushalt des Körpers zu unterstützen. Gerade Trinkbrunnen sind auf kommunaler Ebene eine wichtige Maßnahme.

3. Einsatz heller Flächen zur Klimaanpassung

Vermehrt setzen heute Städteplaner auch auf helle Flächen mit hoher Albedo zur Klimaanpassung. Durch den Einsatz von hellen und reflektierenden Oberflächenmaterialien mit geringer Wärmespeicherfähigkeit kann die starke Wärmeabsorption an heißen Tagen verringert werden. Es gilt: Je heller die Gebäude und Oberflächen in einer Stadt sind, desto geringer ist die Aufheizung, weil kurzwellige Strahlung reflektiert wird und das Material sich nicht erwärmen kann. Die Maßnahme ist bei dichter Bebauungsstruktur besonders effektiv, da große Dachflächen vorhanden sind. Maßnahmen sind:

– Höchstmögliche Reduktion von Asphalt- und Metalloberflächen zugunsten von hellen Betonflächen, Platten- bzw. Pflasterbelägen (Beton, Naturstein) oder schottergebundenen Decken.

– Kombination von helleren Farben, rauen Oberflächen und porösen Materialien bei der Auswahl von Belägen, um die Oberflächentemperatur und die Menge an gespeicherter thermischer Energie zu reduzieren.

– Oberflächen können auch nachträglich aufgehellt werden, indem sie mit einer hellen Farbschicht versehen werden.

4. Nachtkühlung mit energiearmen Lösungen

Im Vergleich zu ländlichen Gebieten erfolgt in Städten eine erhöhte Wärmeerzeugung durch Verbrennungsprozesse. Dazu zählen Motorenabwärme, in Teilen die industrielle Produktion oder auch die Abwärme von elektrischen Geräten wie Klimaanlagen. In den Städten ist weniger eine dichte Bebauung das Problem, sondern die hohe Versiegelung mit wärmespeichernden Materialien wie Beton, Asphalt oder Glas. Im Sommer sind Klimaanlagen wie Splitgeräte für den Außenraum doppelt belastend, da sie genau dann laufen, wenn es heiß ist. Während sie zwar den Innenraum kühlen, heizen Sie durch die Abwärme gleichzeitig den Außenraum auf. Das führt dazu, dass wegen steigendem Hitzeinseleffekt noch mehr gekühlt werden muss, was zusätzlich noch für einen erhöhten Stromverbrauch sorgt.

Auf Gebäudeebene kommen heute daher ver-stärkt Low-Tech-Systeme zum Einsatz. So dient zum Beispiel Speichermasse im Gebäude als klimatischer Puffer: Bleiben die Türen und Fenster tagsüber geschlossen, erhitzt sich dieser nicht. Dagegen sorgt die Belüftung des Puffers mit kühler Nachtluft dafür, dass die Temperatur innerhalb des Gebäudes auch am Tage niedrig bleibt. Allerdings funktioniert das Prinzip nur in Nächten, in denen es einen deutlichen Temperaturunterschied zum Tag gibt – und die werden immer weniger.  

Angesichts des Klimawandels müssen daher wahrscheinlich schon bald auch die nach heutigen Standards nachhaltigen und energieeffizienten Gebäude saniert werden. Das gilt es in der Stadt-entwicklung noch mehr zu berücksichtigen. Dies könnte zum Beispiel anhand von Gebäudesimulationen geschehen, die weitgehend bereits neue Wetterdaten mit Extremszenarien nutzen. Insgesamt müssen wir auch die Abwärme von Gebäuden, wie sie durch Splitanlagen verursacht wird, schnellstmöglich einschränken.

Grünanlagen an der Fassade oder auf dem Dach sorgen hingegen für eine natürliche Kühlung, die keine neuen Wärmeeinträge mit sich bringen. Dabei wirken sie sich nicht nur positiv auf das Stadtklima aus, sondern reduzieren auch erheblich die Temperaturen an der Fassade, was auch den Bedarf an Energie für Klimageräte erheblich reduziert. Wo dennoch zusätzlicher Kühlbedarf besteht, sollten effizientere Systeme als Splitgeräte zum Einsatz kommen: So können Fußbodenheizungen zum Beispiel im Sommer relativ einfach als Kühlboden genutzt werden, wenn sie mit einer Wärmepumpe betrieben werden, welche die Wärme aus den Innenräumen nach außen abtransportiert. Mittlerweile gibt es viele Projekte, die Geothermie nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen einsetzen. In Kombination mit Sonnenschutz kann man so relativ lange kostengüns-tig kühlen, ohne die Energieschraube nach oben zu drehen. Auch die Decke kann im Rahmen der Bauteilaktivierung als Kühlfläche genutzt werden.

Wichtig ist hier auch das Thema Low-Energienetze: Mit ihnen kann sowohl geheizt als auch gekühlt werden. Sie entstehen idealerweise in kleinräumigen Quartieren und verknüpfen ältere, ineffiziente Gebäude mit modernen Plusenergiegebäuden, deren grüne Energie so lokal zur Verbesserung der Gesamtbilanz des Quartiers genutzt wird. Saisonalspeicher im Quartier ermöglichen es zudem, überschüssige thermische Energie für den Sommer zum Kühlen oder für den Winter zum Heizen vorrätig zu halten. Dabei wird zum Beispiel im Winter gespeichertes Wasser im Sommer zum Kühlen eingesetzt, erhitzt sich dabei und wird wiederum in großen Saisonalspeichern, die beispielsweise in einer Parkanlage vergraben sind, gespeichert. Im Winter entnimmt man das warme Wasser zum Heizen der Räume, damit wird es wieder abgekühlt. So kann das Kühlen im Sommer sogar positiv für die Gesamtenergiebilanz sein. Gleiches gilt für Geothermie, da im Winter dem Boden Wärme entzogen wird. Positiver Effekt ist dann, dass die Wärme dem Boden im Sommer in diesem Kreislauf wieder zugeführt wird.

5. Höher bauen gegen Überhitzung

Wenn Häuser aufgrund ihrer Höhe weniger Fläche versiegeln, kommt das neben dem Klima auch dem Hochwasserschutz zugute, da mehr Retentionsflächen für Regenwasser entstehen können. Hochhäuser verschatten sich zudem gegenseitig. Und Schatten ist bekanntlich der beste Schutz gegen Hitze. Ebenso wichtig ist jedoch auch ein geringer Fensteranteil. Der Anteil der Fensterfläche bei einer nachhaltigen Stadt und somit bei deren Immobilien sollte aus ökologischen Gesichtspunkten nicht mehr als 40 Prozent betragen. Glaspaläste sind teuer und sie brauchen sehr viel Energie. Das gilt für Sommer wie Winter, weil Glas auch schlecht dämmt.

Neben dem Schattenwurf und der geringeren Versiegelung erzeugen Hochhäuser noch einen weiteren positiven Effekt: Verwirbelungen und Aufwinde. Die tragen zu einer besseren Durchlüftung des Quartiers bei. Treten Turbulenzen auf, kann das unter Umständen auch zu Zugluftstellen und unangenehmen Situationen führen. Gezielt eingesetzt dienen sie jedoch der Abkühlung und sind mit natürlichen Landschaftselementen wie etwa einem Fluss vergleichbar, der durch Verdunstung für Abkühlung sorgt und als Freiluftschneise zur Durchlüftung der Umgebung beiträgt.

6. Datenschatz heben: Geodaten für Klima-Vorsorge nutzen

Geodaten können zur Erstellung von thermischen Karten genutzt werden, um die Hitze-Vulnerabilität von Städten zu messen. Kommunen können diese Daten für ihre klimaresiliente Stadtentwicklung nutzen. Beim Forschungsprojekt SMART-ilience hat ein Netzwerk aus Unternehmen, Kommunen und Instituten erforscht, wie anhand von geothermischen Daten Steuerungsmodelle für die Städte von Morgen erarbeitet werden können. Das Projektkonsortium entstand im Rahmen des Fraunhofer-Forschungsnetzwerks „Morgenstadt“. Die Städte Mannheim und Halle (Saale) dienten als Reallabore für die Umsetzung und Erprobung einer klimarobusten Stadtentwicklung. Eine Maßnahme aus diesem Projekt ist zum Beispiel die Erfassung von Hitze- und Wärme-inseln der Stadt Halle mit Thermalscannern. Aus den gewonnen Wärme- und Geodaten lassen sich Handlungsmaßnahmen für die Stadt ableiten. Nach vier Jahren intensiver Zusammenarbeit ging das SMARTilience-Projekt jetzt in die Umsetzungsphase.

Weitere wichtige Handlungsmaßnahmen:

– Durchlüftungsschneisen, die nicht verbaut werden dürfen oder ggf. einen Rückbau in Teilbereichen erfordern, wie es zum Beispiel bereits in Stuttgart passiert. Sie sollten allerdings auch bei der Entwicklung neuer Projekte berücksichtigt werden: Bei einer Quartiersentwicklung in Moskau IFC hat das Drees & Sommer-Team den Bau nach den vorherrschenden Winden orientiert. Die Hauptwindrichtung ist hier im Sommer nicht dieselbe wie im Winter. Dieses häufige Phänomen kann dazu genutzt werden, im Sommer frischen Wind in die Stadt zu lenken und sie im Winter davor abzuschirmen, indem Planerinnen und Planer die Gebäude und Stadtbausteine entsprechend positionieren.  

– Die Erschließung von Kaltluftproduktionsflächen und Zuluftkanälen. Dies können zum Beispiel benachbarte Wälder und Wiesen sein, deren Kaltluft sich ohne Wind dicht über dem Boden ausbreitet und die sich, entsprechend gesteuert, für die Nachtkühlung der Stadt nutzen lässt.

– Kühlung in der Stadt durch Entsiegelung: mehr Grün (Verdunstungskälte), Wasserflächen und helle Oberflächen (Beispiel heller Straßenbelag)

– Verschattung, erfolgt am besten durch Laubbäume: Sie spenden im Sommer Schatten, geben aber im Winter durch Laubfall Platz für Sonnenstrahlen. Außerdem nehmen sie CO₂ auf – allgemein ist der Baum ein Verbündeter in der Stadtplanung und sehr gutes Instrument zur  Auflockerung von dichter Bebauung

– direkte Maßnahmen für das Wohlbefinden der Bevölkerung: Bäume und sonstige Verschattungselemente, wie Haltestellendächer oder Bänke im Schatten, um sich bei hoher Anstrengung ausruhen zu können

– Kühlelemente wie Wasserbecken und -läufe oder neuere Ansätze wie ein CityTree von Green City Solutions. Dabei handelt es sich um Bio-Luftfilter aus Moos, die als Stellelemente im Stadtraum zum Einsatz kommen

– Trinkbrunnen und sonstige technische Elemente

– Traditionelle Elemente der Stadtplanung sollten wieder in die Architektur integrieret werden, zum Beispiel die klassischen Arkaden, die sowohl vor Hitze als auch bei Starkwetter Schutz bieten

Klimaschutz und Klimaanpassung

Klimaschutz und Klimaanpassung sind zwei Seiten derselben Medaille in der Klimakrise und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden: Häufig diskutieren wir ein entweder oder. Klassisches Beispiel hierfür ist die Diskussion, unsere Dächer entweder zu begrünen oder besser mit Photovoltaikanlagen auszustatten. Ersteres ist eine Maßnahme der Klimaanpassung, zweiteres des Klimaschutzes. Dabei beweisen zahlreiche Studien, dass man beides problemlos kombinieren kann und daraus sogar Synergien entstehen. Photovoltaik-Module auf Gründächern erzielen sogar einen höheren Ertrag, weil sie durch die Kühlung des Gründachs besser arbeiten. Ähnliches passiert im Städtebau. Solarsiedlungen werden streng süd-orientiert als Zeilen gebaut, im Einzelfall kann es dann aber passieren, dass genau diese Zeilen die wichtige Stadtdurchlüftung stören und im Sinne des Klimawandels und der Kühlung ein anderer Städtebau deutlich besser wäre. Wir werden deshalb auch künftig nicht umhinkommen, Detailfragen im Einzelfall entscheiden zu müssen. Wenn wir dabei nicht nur die Krise, sondern auch den Schutz und die notwendigen Anpassungen im Blick behalten, sollte uns das jedoch gelingen.

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