Die Urheberrechte des Architekten

In der Praxis stellt sich häufig die Frage, ob Planungsleistungen oder das Bauwerk selbst urheberrechtlich geschützt sind und welche Rechte sich daraus ergeben. Da nicht jedes Bauwerk Schutz genießt, muss stets im Einzelfall geprüft werden, ob Bauwerk oder Pläne schützenswert sind.

Ein mögliches Urheberrecht kann sich aus unterschiedlichen Aspekten der Planungsleistung ergeben, die es im Einzelnen abzuwägen gilt. Im Folgenden werden diese gesondert betrachtet: 

Urheberrechtlich geschützte Zeichnungen und Bauwerke

Nach § 2 UrhG können sowohl Bauwerke als auch die zugehörigen Pläne urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen („Werke der (Bau-)Kunst“). Für Planer gilt:

• Pläne gelten meist als Ausdruck eigenen Schaffens.

• Bauwerke genießen nur dann Schutz, wenn sie sich deutlich von alltäglichen Bauten abheben.

Eine urheberrechtlich geschützte Leistung muss durch formgebende Tätigkeit mit künstlerischen Mitteln entstehen und vorwiegend der ästhetischen Wahrnehmung dienen. Ob das Werk zusätzlich praktisch genutzt wird, ist unerheblich. Entscheidend ist die künstlerische Anerkennung durch Fachkreise.

Pläne erhalten relativ schnell Schutz, während Bauwerke nur dann als Werk der Baukunst gelten, wenn sie aus dem alltäglichen Bauschaffen herausragen. Ein besonderer ästhetischer Gehalt ist grundsätzlich nicht erforderlich; bisher wurde kein Urheberrecht allein wegen „hässlicher“ Gestaltung abgelehnt. Entscheidend ist die individuelle Prägung durch die künstlerische Leistung. Auch ältere Bauwerke genießen weiterhin Schutz.

Teile eines Bauwerks können ebenfalls geschützt sein, sofern sie als eigenständiges Werk abgrenzbar sind. Schutzfähig bleibt jedoch nur das einheitliche Werk; einen umfassenden Schutz für viele einzelne Teile gibt es nicht. Ob ein Bauwerk oder einzelne Teile die Kriterien erfüllen, ist eine Einzelfallentscheidung und ggf. durch eine kunstverständige Person zu prüfen.

In der Praxis dürften nur etwa 10 bis 20 Prozent aller Gebäude urheberrechtlich geschützt sein. Planentwürfe und Zeichnungen können hingegen unabhängig von der tatsächlichen Umsetzung als Werke gelten, wenn sie die wesentliche Raumform des geplanten Baukörpers vermitteln.

Urheber

Urheber ist nach § 7 UrhG die natürliche Person, die das Werk geschaffen hat. Bei mehreren Beteiligten gilt: Miturheber ist jeder, sofern er einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Angestellte Architekten bleiben Urheber; entscheidend ist lediglich, welche Nutzungsrechte an den Arbeitgeber übertragen wurden und ob dessen Weisungsbefugnis ihn ggf. zum Miturheber macht.

Ansprüche des Architekten auf Umsetzung der Planung entstehen erst, wenn der Bauherr die Planung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt. Eine Interessenabwägung ist erforderlich: Überwiegt das Interesse des Architekten an der Umsetzung das des Bauherrn an einer kos­tengünstigen oder abweichenden Lösung, können Ansprüche geltend gemacht werden.

Rechte des Urhebers

1. Urheberpersönlichkeitsrechte

Diese Rechte schützen die persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk und sind nicht übertragbar:

• Veröffentlichungsinteresse (§ 12 UrhG): Der Urheber bestimmt, wann und wie sein Werk veröffentlicht wird; für Pläne von Architekten relevant, für öffentliche Bauwerke meist nicht.

• Urheberbenennungsrecht (§ 13 UrhG): Der Architekt entscheidet, ob und wie sein Name am Werk erscheint, gilt auch für angestellte Architekten.

• Zugang zu Werkstücken (§ 25 UrhG): Urheber können Zugang zu ihren Werken verlangen, soweit keine berechtigten Interessen des Besitzers entgegenstehen.

• Recht auf Unversehrtheit (§§ 14, 23, 39, 53 UrhG, Entstellungsverbot): Änderungen, die das Werk oder geistige Interessen beeinträchtigen, sind grundsätzlich unzulässig. Bei zwingenden Änderungen durch Zweckbestimmung des Bauwerks ist eine Interessenabwägung erforderlich.

2. Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG)

Diese regeln die wirtschaftliche Nutzung des Werks:

• Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG): Bestimmt, wie oft und von wem das Werk vervielfältigt wird, inklusive Ablichtungen und Fotografien. Bauwerke an öffentlichen Plätzen (§ 59 UrhG) dürfen abgebildet werden; Pläne und Nachbauten unterliegen dem Schutz. Weiterentwicklungen sind zulässig, sofern sie eigene schöpferische Merkmale enthalten.

• Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG): Originale oder Vervielfältigungen dürfen öffentlich angeboten werden.

• Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG): Unveröffentlichte Werke können öffentlich gezeigt werden; bei Bauwerken spielt dies selten eine Rolle, wohl aber bei Plänen.

• Vorführungsrecht (§ 19 UrhG): technische öffentliche Zugänglichmachung von Werken der bildenden Kunst, Lichtbildwerken, Filmen oder wissenschaftlich-technischen Darstellungen.

Übertragbarkeit von Urheber- und Nutzungsrechten

• Urheberrechte  selbst: sind grundsätzlich nicht übertragbar (§ 29 UrhG), nur im Erbfall oder an Miterben.

• Nutzungsrechte: können jederzeit übertragen werden, üblicherweise im Rahmen von Arbeits- oder Planerverträgen.

• Urheberpersönlichkeitsrechte: Bleiben beim Urheber, selbst bei umfassender Übertragung von Nutzungsrechten.

Bei der Übertragung von Nutzungsrechten an Bauherren gilt die Zweckübertragungstheorie (§ 37 Abs. 5 UrhG): Nur die Rechte, die zur Erfüllung des Vertragszwecks erforderlich sind, gehen über. Ein Nachbaurecht an Plänen entsteht meist erst ab Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4). Wird später ohne ausdrückliche Übertragung die Ausführungsplanung genutzt, können Schadensersatzansprüche des Architekten bestehen.

Der Umfang der Übertragung ist stets Einzelfallentscheidung. Bei einem Vollarchitekturvertrag behält der Bauherr bei Kündigung meist ein einmaliges Nachbaurecht, selbst wenn nur Teile der Planung erbracht wurden. Wird das Grundstück inklusive Planung verkauft, überträgt sich das Nutzungsrecht auf den Erwerber; die übrigen Urheberrechte verbleiben beim Architekten.

Die Folgen von Urheberrechtsverletzungen

Bei Verletzungen können Urheber folgende Ansprüche geltend machen:

• Unterlassung (§ 97 UrhG)

• Beseitigung der Beeinträchtigung (§ 97 UrhG)

• Vernichtung oder Herausgabe von Vervielfältigungsstücken (§ 98 UrhG)

• Schadensersatz bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit

Eine Interessenabwägung ist stets erforderlich: zwischen Urheberpersönlichkeitsrechten, Inte­gritätsinteressen und Eigentümerinteressen. ­Maßgeblich sind u. a. künstlerische Qualität, Schöpfungsgrad, Gebrauchszweck, Umfang der Eingriffe, wirtschaftliche und öffentliche Interessen.

Der BGH betont:

• Urheberinteressen nach dem Tod haben nicht dasselbe Gewicht wie zu Lebzeiten.

• Eigentümer müssen Änderungen so umsetzen, dass sie dem Urheber zumutbar sind.

• Öffentliche Interessen fließen in die Abwägung ein, insbesondere wenn sie zugleich Eigen­tümerinteressen betreffen.

Gemäß § 97 Abs. 1 UrhG kann der Urheber entgangenen Gewinn oder Herausgabe dessen verlangen, was der Dritte erlangt hat. Alternativ kann eine Lizenzzahlung vereinbart werden. Schadensersatz wird nach der Lizenztheorie ermittelt, typischerweise unter Einbezug der Leistungsphasen 1–3, 5 und relevanter Teile der Phase 8 (künstlerische Oberbauleitung).

Honorarsätze der HOAI dienen als Orientierung für die Höhe üblicher Lizenzgebühren. Herausgabeansprüche gegen den Dritten sind selten, da in der Praxis meist kein Erlös erzielt wird.

Beweislast und Verjährung

• Beweislast: Wer sich auf Urheberrechtsschutz beruft, muss diesen nachweisen.

• Verjährung: Ansprüche verjähren drei Jahre nach Kenntnis der Verletzung und der Person des Verpflichteten; absolute Verjährungsfrist: 30 Jahre.

Sonderfall: Angestellter Architekt als Urheber

Angestellte Planer können Urheber oder Miturheber sein. Üblicherweise übertragen sie Nutzungsrechte, behalten aber Urheberpersönlichkeitsrechte (§§ 13, 14 UrhG).

Rechtsschutz nicht urheberrechtlich geschützter Werke

Fehlt die eigenpersönliche Schöpfung, ist der Urheberrechtsschutz eingeschränkt. Ansprüche können sich allenfalls aus UWG (§§ 1, 18, 19) oder Eigentumsschutz (§§ 823, 1004 BGB) ergeben; oft besteht jedoch kein Schutz. In solchen Fällen empfiehlt sich eine vertragliche Vervielfältigungsklausel.

Verträge sind dahingehend auszulegen, wie und in welchem Umfang der Bauherr die Pläne nutzen darf. Verletzungen vertraglich eingeräumter Nutzungsrechte stellen Vertragsverletzungen dar, die gerichtlich geltend gemacht werden können. Verkauft der Planer eine Planung mehrfach, kann der Auftraggeber vertraglich Herausgabeansprüche geltend machen, nicht über § 812 BGB.

Fazit: Jeder Architekt ist gut beraten, sich schon in der Gestaltung seiner vertraglichen Beziehungen zum jeweiligen Auftraggeber (oder Arbeitgeber) genauestens mit seinem (!) späteren Urheberrecht auseinanderzusetzen.

Anmerkung der Verfasser: Mit diesem Beitrag ­endet aus Altersgründen unsere langjährige Zusammenarbeit mit der DBZ. Wir hoffen, dass Sie unseren Beiträgen - hier und im Newsletter - manche wertvolle Anregung für Ihre tägliche Arbeit entnommen haben. Wir bedanken uns für Ihr Interesse.

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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