Urheberrechtlicher Integritätsschutz

Nur wenige Bereiche des Urheberrechts erfordern den Integritätsschutz nach § 14 Urheberechtsgesetz (UrhG) in so starkem Maße wie der Bereich der Bauwerke. Ob bei der Umgestaltung oder dem Abriss von Gebäudeteilen oder ganzen Bauwerken oder der veränderten Umsetzung von Architektenplänen – Gerichte stehen häufig vor der schwierigen Entscheidung, ob sie den Integritätsinteressen des Architekten oder seiner Erben nach § 14 UrhG oder den Eigentümerrechten nach § 903 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) Vorrang geben.

A. Schutzfähigkeit von Bau(kunst)-werken

Während das Urheberrechtsgesetz von 1876 lediglich Werke der bildenden Kunst in seinen Werkkatalog aufnahm und Baukunstwerke unberücksichtigt ließ, bezog das Gesetz von 1907 erstmals Bauwerke ein, sofern sie künstlerischen Zwecken dienten. Dies galt auch für Architektenentwürfe, wenn diese einen künstlerischen Anspruch verfolgten. Bereits damals unterschied der Gesetzgeber zwischen Bauwerken und Werken der Baukunst. Diese Differenzierung hat der deutsche Gesetzgeber sowohl im Urheberrechtsgesetz der DDR als auch im gesamtdeutschen Urheberrechtsgesetz beibehalten.

I. Die Herausforderung der Ästhetik

Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Bauwerke im Einzelnen urheberrechtlichen Schutz genießen, hat die Rechtsprechung bereits früh zu klären versucht. In der „Ledigenheim“-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 1957, auf die die deutsche Rechtsprechung noch immer Bezug nimmt, heißt es:  „Voraussetzung für den urheberrechtlichen Schutz ist bei Bauwerken und den sie vorbereitenden Planungen eine eigenpersönliche, geistige, schöpferische Leis­tung, die über die Lösung einer fachgebundenen technischen Aufgabe durch Anwendung der einschlägigen technischen Lösungsmittel hinausgeht. Das Werk muss mit Darlegungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht worden sein und deren ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreichen, dass nach der im Leben herrschenden Anschauung von Kunst gesprochen werden kann, wobei nicht auf einen höheren oder geringen Kunstwert abzustellen ist oder darauf, ob das Bauwerk neben dem ästhetischen Zweck noch einem praktischen Zweck dient.“ „Originale in dem Sinne sind, dass es sich bei ihnen um eine eigene geistige Schöpfung ihres Urhebers handelt“. Wann aber ist das Kriterium der Originalität erfüllt?

„Wenn ihr Urheber über die Auswahl oder Anordnung der in ihr enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft und ihr damit seine „persönliche Note“ verleiht“.

Ein Bauwerk kann somit urheberrechtlichen Schutz genießen, selbst wenn seine gestalterische Form keine künstlerische Leistung darstellt. Der Schutz greift also auch dann, wenn der ästhetische Wert „gegen Null“ tendiert. Der BGH orientiert sich mittlerweile zwar weniger am Grad des ästhetischen Gehalts, sondern vielmehr an der gestalterischen Höhe. Im Ergebnis bleibt es jedoch dasselbe, wenn er feststellt: „Es genügt daher, dass sie (Werke) eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer „künstlerischen“ Leistung zu sprechen“. Die „ästhetische Wirkung der Gestaltung (kann) einen Urheberrechtsschutz nur begründen, soweit sie nicht dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf eine künstlerische Leistung beruht“.

Gänzlich vermag auch diese Formulierung nicht zu überzeugen.

II. Maßstab der Prüfung

Urheberrechtsschutz ist nicht ausschließlich „künstlerisch anspruchsvollen“ Bauwerken vorbehalten. Daher ist die Ansicht abzulehnen, dass Bauten wie Schlösser, Museen, Theater, Bahnhöfe, Kirchen, Denkmäler oder Regierungsgebäude allein deshalb die Schöpfungshöhe erreichen, weil es sich um repräsentative und nicht bloß zweckgerichtete Bauten handelt. Eine solche Einteilung würde nicht nur zu einem problematischen „Kunstrichtertum“ führen, sondern auch das eigentliche Prüfungsziel verfehlen, nämlich festzustellen, ob ein Bauwerk sich von der Masse durchschnittlicher, üblicher und alltäglicher Bauten, die in Art und Zweck mit ihm vergleichbar sind, abhebt. In diesem Rahmen wird beispielsweise ein Einfamilienhaus nie mit einem Regierungsgebäude verglichen. Vielmehr wird untersucht, ob der Architekt lediglich die typischen, etablierten Gestaltungsmittel der jeweiligen Bauart genutzt hat. Wenn etwa die Raumaufteilung nur die übliche Gliederung aufweist oder das Gebäude sich vollständig in das Landschaftsbild oder die Nachbargebäude einfügt, ist der Urheberrechtsschutz zu verneinen.

III. Schutzauslösende Gestaltungskomponenten

Zu beachten ist jedoch, dass die Schutzfähigkeit eines Gebäudes keine vollständige, das gesamte Bauwerk umfassende Gestaltung voraussetzt. Es genügt, wenn einzelne gestalterische Elemente eine eigenschöpferische Prägung aufweisen. Daher sollte stets geprüft werden, ob Bauelemente wie Proportionen, die Verteilung der Baumassen, die Fassadengliederung und -gestaltung, die Einbindung in das Gelände oder andere markante Gestaltungselemente möglicherweise eigenständig Schutz genießen und diesen Schutz auf das gesamte Gebäude ausdehnen könnten. Die räumliche Anordnung einzelner gestalterischer Elemente, wie etwa Säulen, Stuckverzierungen oder andere Innendetails, soll hingegen keinen Einfluss auf die Schutzfähigkeit des Gesamtwerks haben, da sich der Urheberrechtsschutz hier laut Rechtsprechung nur auf die jeweiligen Gegenstände selbst erstreckt.

B. Schutz der Integrität

Wie bei jedem urheberrechtlich geschützten Werk genießt auch der Architekt für das von ihm geschaffene Bauwerk – sei es in seiner Gesamtheit oder in einzelnen Teilen – den Schutz der Urheberpersönlichkeitsrechte gemäß §§ 12 ff. UrhG. Hierzu zählt insbesondere der Schutz aus § 14 UrhG. Dieser besagt, dass der Urheber das Recht hat, die Entstellung oder sonstige Beeinträchtigung seines Werkes zu untersagen, wenn dadurch seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk beeinträchtigt werden könnten. Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, wird in einer dreistufigen Prüfung ermittelt.

I. Verletzung der Integrität

Der Prüfungsansatz besteht darin, festzustellen, ob eine Entstellung oder eine andere Form der Beeinträchtigung vorliegt.

1. Verletzung der Integrität von Bauwerken

Im Bereich der Architektur kommen insbesondere Umbauten oder Anbauten als Formen der Entstellung oder Beeinträchtigung in Betracht, da sie in das architektonische Gefüge des Gebäudes eingreifen. Auch der teilweise Abriss eines Gebäudes stellt einen Eingriff in dessen Integrität dar. Darüber hinaus fallen Änderungen in der Farbgebung, Oberflächenstruktur und Materialwahl unter den Anwendungsbereich von § 14 UrhG, wenn sie die ästhetische Wirkung des Gebäudes in erheblichem Maße verändern. Gleiches gilt für das Hinzufügen dekorativer Einzelelemente, selbst wenn diese mobil sind, wie beispielsweise das Aufstellen einer großen Skulptur in einer urheberrechtlich geschützten Innengestaltung. Zudem kann die Anbringung von Reklame am Gebäude als Beeinträchtigung des Werkes betrachtet werden.

2. Entstellung oder eine andere Form der Beeinträchtigung

Ob die Veränderung als Entstellung oder andere Beeinträchtigung zu werten ist, stellt kein rein theoretisches Problem dar. Es geht hier auch nicht nur darum, ob der Anwendungsbereich von § 14 UrhG grundsätzlich eröffnet ist. Vielmehr hat die Entscheidung für die eine oder andere Kategorie Auswirkungen auf den Schutzgehalt, den § 14 UrhG bietet. Dies ist besonders wichtig für die folgende Interessenabwägung. Je intensiver der Eingriff in den Schutzbereich des Urheberrechts ist, desto eher tendiert die Interessenabwägung zugunsten des Urhebers. Es macht schließlich einen Unterschied, ob ein Werk entstellt, verfälscht oder der ästhetische Grundgehalt zerstört wird oder ob es lediglich verändert wird, was nicht zwangsläufig negativ sein muss.

3. Indizien

Anhaltspunkte für eine Entstellung des Gebäudes sind insbesondere gegeben, wenn beispielsweise ein in Architekturzeitschriften hochgelobtes Element des Gebäudes entfernt wird, wenn die Farbgestaltung vollständig verändert wird oder wenn die Oberflächenstruktur ganz oder überwiegend durch eine andere ersetzt wird. In solchen Fällen, in denen wesentliche Gestaltungselemente, die die äußere Erscheinung des Gebäudes maßgeblich beeinflussen, verschwinden, muss von einer Entstellung ausgegangen werden.

4. Zerstörung

Erstaunlicherweise stellt der Abriss eines Gebäudes, im Gegensatz zu dessen teilweiser Zerstörung, keine Verletzung von § 14 UrhG dar. Diese Regelung wurde von den Gründervätern des Urheberrechts im Jahr 1965 absichtlich so festgelegt, wird jedoch von verschiedenen Seiten kritisiert.

II. Interessenverletzung

Im zweiten Schritt ist zu überprüfen, ob durch die Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Bauwerks die berechtigten ideellen Interessen des Urhebers an der Erhaltung und Unversehrtheit seines Werkes verletzt werden. Die berechtigten Interessen des Urhebers müssen durch die Beeinträchtigung in Gefahr sein. Jede objektiv nachweisbare Änderung des Werkes, sei sie direkt (Substanzeingriff) oder indirekt (im anderen Sachzusammenhang), dient als Indiz dafür, dass die berechtigten Interessen gefährdet sind.

III. Abwägung der Interessen 

Im dritten Prüfungsschritt erfolgt eine Interessenabwägung zwischen den Bestands- und Integritätsinteressen des Urhebers auf der einen Seite und dem Änderungsinteresse des Eigentümers auf der anderen Seite. Dabei ist zu klären, ob die Interessenverletzung des Urhebers eine rechtliche Grundlage für Maßnahmen gemäß § 14 UrhG rechtfertigt. Ziel und Ergebnis der Interessenabwägung sollte stets das Streben nach einer praktischen Einigung sein, die es ermöglicht, beide Interessen möglichst umfassend zur Geltung zu bringen.

1. Allgemeine Kriterien der Prüfung

 Die folgenden Punkte haben sich als entscheidende Prüfkriterien herauskristallisiert:

- die kreative Originalität des Werks,

- der künstlerische Wert, also die kunsthistorische Relevanz des Bauwerks, ob es sich um ein funktionales Werk oder um ein Beispiel der sogenannten reinen Kunst handelt, die Möglichkeit, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen oder ob der Eingriff zu einer dauerhaften Veränderung führt, der Grad der öffentlichen Wahrnehmung der Veränderung, inwieweit der Bestandsschutz für den Eigentümer tragbar ist, sowie das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Veränderung eines Bauwerks, das öffentlichen Zwecken dient, vorausgesetzt, diese Interessen stimmen mit den Belangen des Eigentümers überein.

2. Alter des Bauwerkes

Zusätzlich zu diesen allgemeinen Kriterien wird bei Bauwerken zunehmend die Frage des Alters relevant. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass die Interessen des Urhebers mit steigendem Alter des Bauwerks, insbesondere nach dessen Tod, an Bedeutung verlieren. In der Entscheidung zu Stuttgart 21 hat der BGH dies hervorgehoben: „Der Senat hat entschieden, dass die Urheber­interessen Jahre oder Jahrzehnte nach dem Tod des Urhebers nicht notwendig dasselbe Gewicht haben wie zu seinen Lebzeiten.“

Diese Ansicht wird größtenteils für unbegründet gehalten. Abgesehen davon, dass der BGH für seine Haltung keine nachvollziehbare Begründung liefert und diesen Satz in seiner Entscheidung ­lediglich programmatisch wiederholt, findet diese Auffassung insbesondere auch keine rechtliche Grundlage im Urheberrechtsgesetz.  Hätte der Gesetzgeber beabsichtigt, die Urheberinteressen durch den Zeitablauf zu schwächen, wäre es ­zwingend notwendig gewesen, dies im Gesetz klarzustellen. In § 64 UrhG heißt es jedoch: „Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.“ Der Wortlaut des Gesetzes deutet somit nicht auf eine Abschwächung der Urheberpersönlichkeitsrechte hin. Es wird zwar argumentiert, dass dies nicht ausschließt, dass eine solche Schwächung gewollt gewesen sein könnte, jedoch überzeugt dieses Argument nicht. Denn ein geringeres Gewicht der Urheberpersönlichkeitsrechte würde gleichzeitig eine Schwächung der vermögensrechtlichen Befugnisse des Urhebers bedeuten. Bei der Interessenabwägung würde dem Sacheigentümer von vornherein eine stärkere Stellung eingeräumt. Da die nicht vermögensrechtlichen und vermögensrechtlichen ­Befugnisse des Urhebers oder seiner Rechtsnachfolger aufgrund der monistischen Ausrichtung des Urheberrechts eng miteinander verbunden sind, stellt die Änderung oder Zerstörung des Bauwerks einen Eingriff in die durch Artikel 14 Grundgesetz geschützten Eigentümerinteressen dar. Zudem sollten die Urheberpersönlichkeits­interessen, nicht zuletzt aufgrund der allgemeinen Kommerzialisierung dieser Rechte, auch als wirtschaftlicher Wert betrachtet werden. Die Liberalisierung im Umgang mit Persönlichkeitsrechten hat dazu geführt, dass sie „verkehrsfähig“ sind. Inhaber von Persönlichkeitsrechten können bis zu einem gewissen Grad darüber verfügen. Im Falle des Integritätsinteresses besteht die Möglichkeit, Änderungsvereinbarungen zu treffen und sich die Option einer Änderung „abkaufen“ zu lassen.

C. Rechtsansprüche des Urhebers und seiner Erben

Die Verletzung des § 14 UrhG begründet Ansprüche gemäß §§ 97 ff. UrhG.

I. Untersagungsansprüche

Der Urheber kann verlangen, geplante Veränderungen zu unterlassen oder, wenn die Veränderungen bereits durchgeführt wurden, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen. Dies erfolgt durch einen Beseitigungsanspruch. Neben einem Rückbau umfasst dies auch den Abriss eines Anbaus, der die Integrität des Werkes verletzt. Hat der Verletzer jedoch weder vorsätzlich noch fahrlässig gehandelt und wären die Abrisskosten unverhältnismäßig hoch, ist der Urheber auf einen Entgeltanspruch beschränkt, der zusätzlich zum üblichen Schadensersatz tritt.

II. Schadensersatz

Zudem hat der Urheber die Möglichkeit, Schadensersatz für Vermögens- und Nichtvermögensschäden geltend zu machen. Auch beim Architekten kommen dabei die drei gängigen Berechnungsmethoden (entgangener Gewinn, Lizenzanalogie und Verletzergewinn) zur Anwendung. Darüber hinaus können Verletzungen des Urheberpersönlichkeitsrechts einen Anspruch des Architekten auf immateriellen Schadensersatz begründen. Nach Auffassung der Rechtsprechung setzt dies jedoch eine schwerwiegende und nachhaltige Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts voraus. Ein solcher Anspruch lässt sich daher nur bei besonders erheblichen Eingriffen in die Integrität des Werkes durchsetzen.

III. Immaterieller Schadensersatz

Ob Erben als Rechtsnachfolger des Urhebers einen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz haben, ist umstritten. Die Rechtsprechung schränkt den Anwendungsbereich des § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG ein, indem sie Erben von dieser Regelung ausschließt, sofern der Anspruch nicht bereits zu Lebzeiten des Urhebers entstanden ist. Dies wird u. a. damit begründet, dass auch bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – dessen Bestandteil das Urheberpersönlichkeitsrecht darstellt – den Erben kein Anspruch auf „Schmerzensgeld“ zusteht. Zudem würde die wesentliche Funktion einer solchen Entschädigung, nämlich die Genugtuung des Betroffenen, hier nicht greifen, da Erben nicht dieselbe persönliche Bindung zum Werk besitzen. Diese Sichtweise ist jedoch nicht überzeugend.

Abgesehen davon, dass es sich bei § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG nicht um einen Anspruch auf Schmerzensgeld nach § 253 BGB, sondern um eine Geldentschädigung nach richterlichem Ermessen handelt, widerspricht diese Interpretation dem klaren Wortlaut des Gesetzes, der Gesetzesbegründung sowie der monistischen Konzeption des Urheberrechts.

Bereits der Wortlaut des Gesetzes spricht deutlich dafür, dass Erben berechtigt sind, Ansprüche auf Geldentschädigung geltend zu machen.

In § URHG § 30 UrhG heißt es: „Der Rechtsnachfolger des Urhebers hat die dem Urheber nach diesem Gesetz zustehenden Rechte, soweit nichts anderes bestimmt ist“.

Ein solches Recht umfasst die Durchsetzung des Geldentschädigungsanspruchs gemäß § 97 Abs. 2 S. 4 UrhG. Dass dieser Anspruch nicht für Erben gelten soll, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch die Gesetzesbegründung zum UrhG von 1965 widerspricht dieser Gegenauffassung.

So heißt es einleitend zu § URHG § 28 UrhG: „In Übereinstimmung mit dem geltenden Recht (§ 8 I LUG, § 10 I KUG) sieht Abs. 1 vor, dass das Urheberrecht vererblich ist, d. h. mit dem Tode des Urhebers als Ganzes auf den Erben übergeht“. Die Formulierung „als Ganzes“ lässt keinen Raum für eine Auslegung, die eine Einschränkung der Erben bei der Durchsetzung der urheberrechtlichen Ansprüche rechtfertigen würde.

D. Zusammenfassung

Bauwerke, die die gestalterische Handschrift des Architekten erkennen lassen, genießen ohne Zweifel urheberrechtlichen Schutz, einschließlich des Integritätsschutzes gemäß § 14 UrhG. Dabei darf weder den Interessen des Urhebers noch denen des Eigentümers pauschal Vorrang eingeräumt werden. Vielmehr sollte eine Lösung angestrebt werden, die beiden Interessen bestmöglich gerecht wird.

Insbesondere ist von der Ansicht abzurücken, die Eigentümerinteressen seien bei Bauwerken stets vorrangig zu berücksichtigen, insbesondere wenn seit der Errichtung längere Zeit vergangen ist. Eine solche Ansicht widerspricht nicht nur dem klaren Wortlaut und der Gesetzesbegründung, sondern auch der Grundkonzeption des Urheberrechts.

Bei einer Verletzung des Integritätsrechts entstehen die Ansprüche aus §§ 97 ff. UrhG, auf die sich auch die Erben des Architekten berufen können, insbesondere auf den Anspruch auf Geldentschädigung. Weder der Wortlaut des Gesetzes noch der gesetzgeberische Wille geben Anlass, Erben diesen Anspruch zu verweigern.

Für Gebäude der DDR gilt eine Sonderregelung: Hier orientiert sich der Entstellungsschutz der Architekten an § 16 des DDR-UrhG, das mit dem Begriff der „Verstümmelung“ ein gesetzlich verankertes Zerstörungsverbot beinhaltete.

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