Der eine trage des anderen Last
Wie steht es mit der Haftung des Tragwerksplaners in Abgrenzung zur Tätigkeit eines Prüfingenieurs oder Prüfsachverständigen? Ein Überblick.
Unerwartete Probleme auf der Baustelle werfen schnell die Frage der Planerhaftung auf. Häufig müssen Planerinnen und Planer für Sanierungskosten, bauliche Mehrkosten oder Verzögerungsschäden aufkommen – dies gilt insbesondere für Tragwerksplaner.
In der Regel schließen Tragwerksplaner Werkverträge mit ihrem Auftraggeber und haften somit gemäß den §§ 634 ff. BGB für Mängel oder nach §§ 280, 286 BGB für Verzögerungsschäden, sofern der Ingenieurvertrag keine abweichenden Regelungen vorsieht.
Bei größeren Bauprojekten erfolgt die bautechnische Prüfung des Standsicherheitsnachweises nach dem Vier-Augen-Prinzip. Diese Prüfung wird von der Bauaufsichtsbehörde an einen Prüfingenieur für Standsicherheit delegiert, der als verlängerter Arm der Baugenehmigungsbehörde agiert. Einige Bundesländer setzen zusätzlich Prüfsachverständige ein, die ähnliche Aufgaben übernehmen, jedoch direkt vom Bauherrn beauftragt werden. Die haftungsrechtliche Einbindung von Prüfingenieuren und Prüfsachverständigen kann in verschiedenen Konstellationen relevant werden:
- Planungsfehler führen zu einem sanierungsbedürftigen Bauschaden.
- Verspätete Pläne mit Prüfvermerk verursachen Verzögerungsschäden.
- Uneinigkeit zwischen Tragwerksplaner und Prüfingenieur führt zu Zeitverlusten und Mehrkosten.
In diesen Fällen stellen sich wesentliche Fragen:
- Trägt der Tragwerksplaner die Haftung?
- Ist der Prüfingenieur oder Prüfsachverständige haftbar?
- Führt eine mögliche Haftung des Prüfingenieurs oder Prüfsachverständigen zur Entlastung des Tragwerksplaners?
Diese Aspekte werden im Folgenden näher beleuchtet:
1. Tragwerksplanerhaftung und Prüfingenieur
1.1 Schaden aufgrund eines Planungsfehlers
Nach der baulichen Umsetzung zeigt sich ein Mangel, der eine Sanierung erforderlich macht. Die Fehleranalyse ergibt, dass die Ursache in der Tragwerksplanung liegt. Obwohl die Statik zuvor vom Prüfingenieur geprüft wurde, blieb der Fehler unbemerkt.
1.1.1 Haftung des Tragwerksplaners
Der Bauherr kann den Tragwerksplaner gemäß §§ 634 Nr. 4, 636 BGB auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Eine vorherige Frist zur Nachbesserung ist nicht erforderlich, da sich der Mangel bereits im Bauwerk manifestiert hat. Die Sanierungskosten kann der Bauherr somit direkt geltend machen.
1.1.2 Haftung des Prüfingenieurs
Als Beliehener unterliegt der Prüfingenieur der Amtshaftung gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG. Er haftet nur, wenn er eine Amtspflicht verletzt, die speziell dem Geschädigten gegenüber besteht.
Da seine Hauptaufgabe die Prüfung der bautechnischen Unterlagen im Interesse der öffentlichen Sicherheit ist, schützt er nicht automatisch die wirtschaftlichen Interessen des Bauherrn. Führt ein Fehler ausschließlich zu finanziellen Schäden ohne Gefährdung Dritter, greift die Amtshaftung in der Regel nicht.
Sollte die Amtshaftung dennoch greifen (z. B. bei Insolvenz des Planers), verlagert Artikel 34 GG die Haftung auf den Staat. Der Prüfingenieur haftet persönlich nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
1.1.3 Einwand des Mitverschuldens
Der Tragwerksplaner kann sich nicht auf ein Mitverschulden des Prüfingenieurs berufen, da dieser nicht als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn gilt. Eine Ausnahme besteht bei Gebäudeeinstürzen, die über finanzielle Schäden hinausgehen – in solchen Fällen kann eine Amtshaftung des Prüfingenieurs in Betracht kommen.
1.1.4 Gesamtschuldnerausgleich
Grundsätzlich gilt § 426 BGB auch für den Ausgleich zwischen Gesamtschuldnern. Da der Prüfingenieur jedoch nur subsidiär haftet, fehlt es an der notwendigen Gleichrangigkeit der Schuldner. Daher kommt ein Gesamtschuldverhältnis in der Regel nicht zustande.
1.2 Schaden aufgrund von verspäteter Planlieferung
Ein Bauunternehmen meldet eine Behinderung, weil es die statischen Ausführungspläne verspätet erhält. Der Bauherr macht daraufhin Verzugsschäden geltend.
1.2.1 Haftung des Tragwerksplaners
Eine Haftung des Tragwerksplaners wegen Verzugs kann sich aus den §§ 280, 286 BGB ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine konkrete Terminvorgabe als Fälligkeitsdatum vereinbart wurde. Dies ist jedoch selten der Fall, da bei Vertragsschluss oft noch keine verbindlichen Ausführungstermine festgelegt sind.
Fehlt eine feste Terminvorgabe, muss der Tragwerksplaner dennoch zügig arbeiten und unvermeidbare Verzögerungen vermeiden. Die Planung muss kontinuierlich vorangetrieben und innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens abgeschlossen werden. Der Auftraggeber muss konkrete Versäumnisse nachweisen, die über eine übliche Bearbeitungsdauer hinausgehen.
Der Tragwerksplaner kann sich entlasten, wenn er nachweist, dass erforderliche Zuarbeiten oder Informationen trotz rechtzeitiger Anforderung verspätet bereitgestellt wurden. So sind beispielsweise Schal- und Bewehrungspläne oft von den freigegebenen Werkplänen des Architekten abhängig. Liegen diese nicht rechtzeitig vor, entfällt eine Haftung wegen Verzugs. Zudem ist es häufig schwierig, Verzug ausschließlich dem Tragwerksplaner anzulasten, da viele Abhängigkeiten in der Verantwortung des Bauherrn liegen.
Wurde eine verbindliche Frist vereinbart, ist auch die Rolle des Prüfingenieurs zu berücksichtigen. Nach § 64 Abs. 3 HOAI (Leistungsphase 4) gehört die Abstimmung mit dem Prüfingenieur zu den Pflichten des Tragwerksplaners. Es ist zu klären, ob sich die Terminvereinbarung auf die Vorlage der Pläne beim Prüfingenieur oder auf die Übergabe der geprüften Fassung an den Auftraggeber bezieht. In der Praxis gilt Letzteres als wahrscheinlicher, da der Bauherr ausführungsreife Pläne erwartet.
Der Tragwerksplaner darf für die Abstimmung mit dem Prüfingenieur eine angemessene Bearbeitungszeit einplanen. Verzögert der Prüfingenieur seine Prüfung jedoch über das zumutbare Maß hinaus, liegt keine schuldhafte Verzögerung des Tragwerksplaners vor (§ 286 Abs. 4 BGB).
1.2.2 Haftung des Prüfingenieurs
Auch eine Amtshaftung des Prüfingenieurs kann in Betracht kommen. Im Bauordnungsrecht besteht die allgemeine Amtspflicht zur zügigen Bearbeitung, die durch die Bauordnungen der Länder konkretisiert wird.
Bei Brückenbauwerken und anderen komplexen Projekten erfolgt oft eine frühzeitige Terminabstimmung mit dem Prüfingenieur. Dies kann als Indiz für terminliche Verpflichtungen gewertet werden. Die Pflicht zur zügigen Prüfung ist drittbezogen, da sie auch im Interesse des Bauherrn liegt.
Ob eine Verzögerung auf den Prüfingenieur zurückzuführen ist, hängt von den Umständen ab. Erhält er die notwendigen Planungsunterlagen verspätet oder unvollständig, entfällt seine Haftung. Trotz möglicher Haftungsgrundlagen muss stets eine Einzelfallprüfung erfolgen, da verschiedene Faktoren Einfluss auf die Prüfdauer haben.
1.2.3 Entlastung des Tragwerksplaners
Sind sowohl der Tragwerksplaner als auch der Prüfingenieur an einer Verzögerung beteiligt, betrifft ihre Haftung in der Regel unterschiedliche Zeiträume.
Während der Prüfingenieur für Verzögerungen in der Prüfphase haftbar sein kann, ist der Tragwerksplaner nur für den Zeitraum seiner eigenen Planungsleistung verantwortlich. Die Haftungsanteile sind somit regelmäßig klar voneinander abzugrenzen.
Im Gegensatz zu einem Planungsfehler, der vom Prüfingenieur übersehen wurde und beide gemeinsam haften lässt, sind Verzögerungsschäden in der Regel entweder dem Tragwerksplaner oder dem Prüfingenieur zuzuordnen. Fragen zu Mitverschulden (§ 254 BGB) oder Gesamtschuld (§ 426 BGB) spielen hier gewöhnlich keine Rolle.
1.3 Schaden wegen unzutreffender Beanstandungen des Prüfingenieurs
In diesem Szenario beanstandet der Prüfingenieur die vorgelegte Tragwerksplanung, während der Tragwerksplaner seine Planung für genehmigungsfähig hält und die Beanstandung als unbegründet ansieht. Hält der Tragwerksplaner an seiner Position fest und verweigert die Nachbesserung gemäß den Vorgaben des Prüfingenieurs, obwohl der Auftraggeber dies verlangt, kann dies zu Schäden führen. Dies gilt insbesondere, wenn der Auftraggeber den Vertrag mit dem Tragwerksplaner aus einem vermeintlich wichtigen Grund kündigt und zusätzliche Kosten für eine Ersatzplanung durch einen anderen Planer entstehen. Auch wenn der Tragwerksplaner – möglicherweise unter Protest – die geforderten Anpassungen vornimmt, könnte der Auftraggeber ihm später Verzugsschäden anlasten. Diese könnten sich beispielsweise in Form von Behinderungen für die ausführenden Unternehmen äußern, die ihrerseits Schadensersatzforderungen geltend machen.
1.3.1 Haftung des Tragwerksplaners
Die Haftung des Tragwerksplaners hängt davon ab, ob die Beanstandungen des Prüfingenieurs berechtigt sind. War die ursprünglich vorgelegte Planung geeignet, die Standsicherheit des Gebäudes zu gewährleisten und damit genehmigungsfähig, dann überschreitet der Prüfingenieur mit seinen Forderungen den rechtlichen Rahmen. In diesem Fall trifft den Tragwerksplaner keine Haftung. Hat der Auftraggeber den Fachplaner entgegen dessen Einschätzung angewiesen, die Forderungen des Prüfingenieurs umzusetzen, kann er ihn später nicht wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur wirtschaftlichen Planung in Anspruch nehmen, falls sich die Beanstandung des Prüfingenieurs als unbegründet erweist.
Erfüllt der vom Tragwerksplaner erstellte Standsicherheitsnachweis hingegen nicht die erforderlichen Anforderungen und fordert der Prüfingenieur zu Recht eine Nachbesserung, liegt ein Planungsmangel vor. In diesem Fall haftet der Tragwerksplaner gemäß §§ 634 ff. BGB. Ob die ursprüngliche Planung des Tragwerksplaners tatsächlich genehmigungsfähig war, wird häufig erst in späteren Gerichtsverfahren geklärt. War seine Planung genehmigungsfähig, hat der Tragwerksplaner ordnungsgemäß gearbeitet und Anspruch auf sein Honorar – unabhängig davon, ob die Genehmigung durch den Prüfingenieur tatsächlich erteilt wurde oder nicht.
1.3.2 Haftung des Prüfingenieurs
Auch hier kann eine Amtshaftung des Prüfingenieurs in Betracht kommen. Die Baugenehmigungsbehörde ist verpflichtet, keine übermäßigen Anforderungen an das Baugenehmigungsgesuch zu stellen. Diese Pflicht erstreckt sich auch auf Prüfingenieure. Wird eine Genehmigung unrechtmäßig verweigert, kann dies zu einer Amtshaftung führen. Im Zweifelsfall muss ein Gericht klären, ob der Prüfingenieur seine Zustimmung zu Recht oder fälschlicherweise verweigert hat.
Sollte der Bauherr nachvollziehbare Anhaltspunkte für eine unberechtigte Verweigerung sehen, kann er Ansprüche wegen Amtshaftung geltend machen. Das BayObLG hat jedoch entschieden, dass der Bauherr keine Schadensersatzansprüche wegen einer Amtspflichtverletzung mehr geltend machen kann, wenn er trotz der unberechtigten Einwendungen des Prüfingenieurs eine Umplanung vorgenommen hat.
1.1.3 Entlastung des Tragwerksplaners
Die Haftung des Tragwerksplaners und die des Prüfingenieurs schließen sich gegenseitig aus: Entweder haftet der Tragwerksplaner, wenn der Prüfingenieur zu Recht Beanstandungen erhoben hat, oder der Prüfingenieur haftet, wenn seine Forderung unbegründet war. Fragen zu Mitverschulden gemäß §§ 254, 278 BGB oder zum Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB spielen dabei keine Rolle.
2. Tragwerksplanerhaftung und Prüfsachverständiger
In einigen Bundesländern kommen seit 1994 verstärkt Prüfsachverständige zum Einsatz.
2.1 Unterschiede zum Prüfingenieur
Der Prüfingenieur handelt im Rahmen hoheitlicher Aufgaben als Beliehener und agiert behördlich. Bei Prüfsachverständigen liegt die Verantwortung für den Prüfnachweis beim Bauherrn. Der staatlich anerkannte Prüfsachverständige stellt dem Bauherrn eine Bescheinigung aus, die bei der Baurechtsbehörde vorgelegt werden muss. Zwischen dem Bauherrn und dem Prüfsachverständigen besteht ein Auftragsverhältnis, das zivilrechtlich geregelt ist. Die Haftung des Prüfsachverständigen ergibt sich aus den zivilrechtlichen Bestimmungen des Werkvertragsrechts im BGB.
2.2 Konkrete Abweichungen gegenüber der Haftung des Prüfingenieurs
2.2.1 Schaden infolge eines Planungsfehlers
Der Prüfsachverständige haftet wie der Tragwerksplaner, jedoch ohne das Privileg der subsidiären Haftung, das dem Prüfingenieur im Rahmen der Amtshaftung bei einfacher Fahrlässigkeit zugutekommt. Übersehen beide einen Planungsmangel, haften sie gemeinsam als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB. Der Tragwerksplaner kann in diesem Fall gemäß § 426 BGB Regress beim Prüfsachverständigen nehmen.
2.2.2 Verzugsschäden
Auch hier haftet der Prüfsachverständige nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln. Anders als beim Prüfingenieur gibt es keine Haftungsverlagerung auf den Staat gemäß Art. 34 GG.
2.2.3 Schäden wegen unzutreffender Beanstandungen des Prüfsachverständigen
Verweigert der Prüfsachverständige zu Unrecht die Bescheinigung zum Standsicherheitsnachweis, haftet er vollständig nach den Bestimmungen des BGB. Anders als beim Prüfingenieur gibt es keine Amtshaftungsprivilegien.
2.3 Amtshaftung des Prüfsachverständigen
Die verbreitete Annahme, dass Prüfsachverständige ausschließlich zivilrechtlich haften, ist nicht unumstritten. Obwohl die Tätigkeit formal anders organisiert ist als beim Prüfingenieur, bleibt die Schutzaufgabe für die Allgemeinheit bestehen. Daher könnte eine Parallele zur BGH-Rechtsprechung gezogen werden, nach der die Amtshaftung nicht nur von der formalen Einordnung, sondern von der Funktion der Tätigkeit abhängt.
3. Ergebnis
Entstehen Schäden aufgrund von Mängeln in der Tragwerksplanung, haftet in der Regel der Tragwerksplaner. Der Prüfingenieur ist nur in begründeten Fällen mitverantwortlich und genießt dabei die Privilegien der Amtshaftung. Prüfsachverständige haften nach allgemeiner Auffassung neben dem Tragwerksplaner zivilrechtlich. Ob die rein zivilrechtliche Haftung gerechtfertigt ist oder eine vergleichbare Amtshaftung bestehen sollte, bleibt offen. Bisher gibt es kaum Fälle, in denen der Staat wegen eines Fehlers des Prüfingenieurs haftbar gemacht wurde. In jedem Fall ist die bautechnische Prüfung ein entscheidender Faktor für die Tätigkeit des Tragwerksplaners im Rahmen der Genehmigungs- und Ausführungsplanung.