Bäckerbreitergang, Hamburg

Zurückhaltung und Effizienz
Bäckerbreitergang, Hamburg

Winking · Froh Architekten realisierten im Gängeviertel in Hamburg einen sozialen Wohnungsbau, der durch barrierefreie Geschosswohnungen und zweigeschossige Maisonettewohnungen eine soziale Mischung im Quartier fördert.

Ein erstes Projekt für frei finanzierte Wohnungen im Gängeviertel wurde von der Hamburger Wohnungsbaugesellschaft SAGA aufgrund der komplizierten Ecklage und der hohen Kosten zur Schaffung der notwendigen, unterirdischen Autoabstellplätze verworfen und nicht weiterverfolgt. Die SAGA wandte sich daraufhin 2009 direkt an Winking · Froh Architekten, um mittels einer Machbarkeitsstudie die Möglichkeiten zur Realisierung von So­zialwohnungen auf dem Grundstück zu ermitteln.

Bernhard Winking, Partner bei Winking · Froh Architekten, hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach mit einer der später in die SAGA GWG integrierten Wohnbaugesellschaften zusammengearbeitet. Im Zuge der Machbarkeitsstudie erstellten die Architekten ein Programm, das aus einem Mix verschiedener Wohnungstypen von eingeschossigen und barrierefreien 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen bis hin zu zweigeschossigen Maisonettewohnungen reichte. Die Wohnungstypen, -größen und -ausstattungen wurden dabei im Wesentlichen von den Förderrichtlinien der hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) und den Baustandards der Bauherrin bestimmt. Insgesamt sind 1 716 m² Wohnfläche gefördert worden.

Herausforderung Grundstück

Das Eckgrundstück zeichnet sich durch einen großen Höhenunterschied zwischen der Neustädter Straße und dem an dieser Stelle stark ansteigenden Bäckerbreitergang aus. Der ursprüngliche Baustufenplan sah einen viergeschossigen, von den Baufluchten teilweise zurückspringenden Baukörper vor. Die Architekten schlugen in ihrem Entwurf die Schaffung von Maisonettewohnungen entlang des Bäckerbreitergangs vor.

Da Maisonettewohnungen für den Bauherrn einen relativ teuren Wohntypus darstellen, mussten die Architekten Möglichkeiten finden, um die höheren Kosten auszugleichen. Dies gelang dadurch, dass man die im Baustufenplan vorgeschriebene maximale Gebäudehöhe um zwei weitere Geschosse überschritt und dadurch weitere Wohnungen realisieren konnte. Ferner wurden minimierte Wohnungsgrundrisse und eine sparsame Erschließung realisiert. Diese Lösung entstand in enger Absprache mit den zuständigen Behörden auf Bezirksebene und einem in der Grundrissgestaltung offenen und gesprächsbereiten Auftraggeber. „Gerade die direkte und unmittelbare Zusammenarbeit mit der Stadtplanungsabteilung erlaubte uns wesentliche konstruktive Freiheiten in der Interpretation des Baustufenplans,“ erklärt Andreas Kirsch, Architekt und Projektleiter bei Winking · Froh Architekten.

Wohntypologie fördert soziale Durchmischung

Die Grundrisse lassen eine klare Trennung zwischen den barrierefrei zugänglichen Eckwohnungen und den Maisonettewohnungen entlang des Bäckerbreitergangs erkennen. Die Maisonettewohnungen des Erdgeschosses sind direkt vom Bäckerbreitergang her erreichbar. Damit nehmen die Architekten eine für das Gängeviertel typische Eingangssituation auf. Die zwei darüber liegenden Maisonettewohnungen sind über die beiden innenhofseitigen Laubengänge zugänglich. Letztere sind ebenso wie die Eckwohnungen und die Wohnungen an der Neustädter Straße über den Eingang an der Neustädter Straße und den dort eingebrachten Aufzug sowie dem einzigen Treppenhaus erreichbar.

Während die Maisonettewohnungen des Erdgeschosses im Hinterhof kleine Gartenanteile besitzen, verfügen die Wohnungen der Obergeschosse über straßenseitige Balkone, die wie die Laubengänge mit Geländern aus perforiertem Zinkblech eingefasst sind.

Die Maisonettewohnungen zeichnen sich durch eine geringe Breite von gerade 4,06 m Achsabstand aus. Durch das Doppelgeschoss wirken sie aber großzügiger und erinnern an Einfamilienhäuser. Die Treppen der Maisonette­wohnungen sind aufgrund ihrer Robustheit als Betontreppen ausgeführt, die darunterliegenden Räume wurden als kleine Abstellräume konzipiert.

Dagegen besitzen die eingeschossigen 1- bis 4-Zimmer-Wohnungen an der Straßenecke süd- bzw. westseitige Wintergärten oder Loggien. Es ist diese Kombination aus gestapelten Maisonettewohnungen und Geschosswohnungen, die zur sozialen Durchmischung des Quartiers beiträgt.

Ausführung

Das Haus wurde mit tragenden Mauerwerkswänden und Stahlbetondecken errichtet, die Straßenfassaden in zweischaliger Bauweise erstellt.

Die Wohnungen sind an das Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen. Der hohe Dämmstandard des Wohnbaus war eine Vorgabe der IFB Hamburg, wobei sich die Zuschüsse grundsätzlich nach dem Wärmedämmungsgrad richten. Alle Räume haben eine kontrollierte Be- und Entlüftung. Der hohe Investitions- und Wartungsaufwand (auch Stromverbrauch) dieser Lüftungsinstallation rechnet sich allerdings durch das erzielte gute Raumklima und die deutliche Heizkostenersparnis.

Kostenersparnis durch Rhythmus

Die einheitliche Gestaltung mit zwei- oder vierflügeligen Fenstern rhythmisiert die Fassade. Auch bei den Balkontüren und den Wintergärten wurde dieser Rhythmus beibehalten, wodurch letztere nicht an der Fassade ablesbar sind. Neben dem optischen Effekt führt diese Vereinfachung und Reduzierung der Fensterformate wie auch deren Ausführung in wartungsarmem Kunststoff zu einer wesentlichen Kosteneinsparung.

Leistungsphasen

„Die Zusammenarbeit mit der SAGA war offen, konstruktiv und lösungsorientiert“, bestätigt Andreas Kirsch. Winking · Froh Architekten übernahmen neben der planenden Rolle auch die koordinierenden und kontrol­lierenden Funktionen. Die Ausschreibungen, die auf der Basis der SAGA-Standards erarbeitet wurden, erfolgten entweder durch die Architekten oder die hinzugezogenen Planungsbüros, wobei die Architekten auch hier koordinierend mitwirkten. In der Folge planten die Architekten die Baustelleneinrichtung und übernahmen die Bauleitung. Die Qualitätssicherung und die Abnahme des Projekts erfolgte durch die IFB Hamburg.

Das ursprünglich angesetzte Budget für die Realisierung des Projekts wurde grundsätzlich eingehalten. Nur die Abrissarbeiten und die Vorbereitung des Baugrunds überschritten die anfängliche Kostenkalkulation. Diese Überschreitung erklärt sich durch die teilweise schwierige Zugänglichkeit der baufälligen Bestandsgebäude und die erforderlich gewordenen Stützmauern.

Die Maisonettewohnungen, in denen mehrheitlich Familien mit ein bis zwei Kindern wohnen, wurden von den Bewohnern sehr gut angenommen, was sich in erster Linie durch eine sehr geringe Fluktuation zeigt. Nicht zuletzt sind die niedrigen Mieten, die sich durch die einfache und zurückgenommene Haltung des Projekts, seiner wirtschaftlichen Bauweise und einem sehr guten Kosten-Nutzen-Verhältnis erklären, der Erfolg für die Akzeptanz der Mieter in diesem sozialen Wohnungsbau. Michael Koller, Den Haag

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