Zirkulärer Diskurs

Chile kann man mit vielem assoziieren, leider kommt einem immer auch der Name seines Diktatoren Pinochet in den Sinn. In Venedig, auf der immer noch laufenden Architekturbiennale, nutzte das Kulturministerium Chiles die internationale Aufmerksamkeit, um zum Thema „Freespace” ein Statement exakt dazu abzuliefern.

Aufhänger der Ausstellung ist eine Aktion der Junta aus dem Jahr 1979. Hier wurden 37 000 Familien Santiagos „eingeladen” sich am 29. September im Nationalstadion einzufinden. Die Einladung erfolgte über in der Zeitung veröffentlichte Listen. Die als nationale Aktion „Operación Sitio” deklarierte Versammlung sollte den Besitzlosen Grundbesitz verschaffen. Der lag irgendwo im Niemandsland der Peripherie Santiagos.

Was das Ganze spannend macht ist die Art und Weise, wie das Stadion für diesen einen Tag mit hunderttausenden Menschen gefüllt wurde. Wie das Stadionrund sich mit Menschen füllte und für diesen einen Tag eine innere Stadt in der Stadt bildete. So interpretieren es die Autoren der vorliegenden Publiaktion auf der städtebaulichen, der politischen, der bauhistorischen und nicht zuletzt der ausstellungstechnischen Ebene. Und erzählen recht akademisch die Doppelgeschichte von Stadt in der Stadt und Stadion in Venedig. Hat sich am Ende dieses eher zirkulären Diskurses unser Blick auf die Geschichte Chiles geweitet? Möglich, unbeantwortet bleibt die Frage nach den Auswirkungen der Aktion auf Santiago heute. Be. K.

Stadium. A Building that renders the Image of a City. Hrsgv. A. Celedón und St. Fell. Engl./span.
Park Books, Zürich 2018, 224 S.,
52 Farb- u. 59 sw-Abb.
35 €, ISBN 978-3-03860-108-1

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