Wohnen im Kraftwerk
Mehrfamilienhaus, Bennau / CH

Im Kraftwerk-B ist der Name Programm: Das Sieben-Familien-Haus in Bennau, einem Bergdorf nahe Zürich, produziert rund 10 % mehr Energie, als seine Bewohner verbrauchen. Ein Wohnhaus als kleines Solarkraftwerk.

Bennau liegt 30 Autominuten von Zürich entfernt auf 900 m Höhe. Mit 1200 Kilowattstunden pro m2 und Jahr bekommt das Bergdorf rund 20 % mehr Sonne als die Orte direkt am Zürichsee. Ideale Voraussetzungen für das Kraftwerk B: Als Pilotprojekt für solares Bauen sorgte das Mehrfamilienhaus landesweit für Furore. Architekt Joseph Grab war zugleich Bauherr und Vermieter. So konnten grab architek­ten den Entwurf fast ohne Abstriche umsetzen. Das sieht man dem Haus an: Photovoltaik und Solarthermie fügen sich nahtlos in die Gebäudehülle ein.

Kraftwerk-B steht mitten im Dorf, neben der Kirche St. Sebastian. Der Entwurf sah für das langestreckte, dreigeschossige Haus zunächst ein Flachdach vor. Doch die kantonale Denkmalschutzbehörde stimmte dagegen. Im Nachhinein ein Glücksfall: Denn die 42° geneigte, mit 220 m2 Photovoltaikmodulen belegte Südwestseite des Satteldachs zeigt, dass man Solarzellen nicht auf Flachdächern verstecken muss.

Die Fassade besteht aus 40 cm dicken, vollgedämmten Holzelementen und ist mit einer Schalung aus Douglasie verkleidet. Auf der Südwestseite ersetzen Solarkollektoren die Holzschalung. Die Kollektoren wurden geschossweise gegeneinander versetzt und rhythmisieren die Fassade im Wechsel mit raumhohen, dreifachverglasten Fenstern.

In den sechs identisch aufgeteilten 4-Zimmer-Wohnungen und der langgestreckten Dachgeschosswohnung haben sich unterschiedliche Mietparteien eingerichtet: Ehepaare, Familien, Freiberufler. Ein unbeheiztes, holzverkleidetes Treppenhaus aus Stahlbeton erschließt die Einheiten. Die oberste Ebene des unbeheizten Treppenturms nutzen die Bewohner der Dachgeschosswohnung als Wintergarten.

Energiespeicher Wand

In den Wohnungen dominieren wenige, hochwertige Materialien: unbehandelte Eichenholzdielen, Sichtbeton und Lehmputz. Der Beton dient als thermische Speichermasse und gibt die Wärme zeitverzögert an die Innenräume ab. Für Luftwechsel sorgt eine zentrale Lüftung in der Technikzentrale im Keller. Die Fenster besitzen nur Drehbeschläge, so dass man sie zum Stoßlüften nutzen, aber nicht kippen kann. Der Energiebilanz kommt das zu Gute.

Eine Luftheizung gibt es nicht. Stattdessen wärmen Fußbodenheizungen die Räume. Dank der niedrigen Vorlauftemperaturen von 23 bis 28° C reguliert sich das System von selbst: Wenn viel Sonne durch die Fenster scheint, steigt die Raumtemperatur über die Vorlauftemperatur und der Wärmefluss der Bodenheizung stoppt.

Zusätzlich verbreitet ein holzgefeuerter Kleinspeicherofen im Wohnzimmer Behaglichkeit. Die Öfen sind mit wasserführenden Wärmeabsorbern ausgerüstet, die die Hälfte der Energie auskoppeln und unter anderem den Handtuchradiatoren in den Bädern zuführen.

Ein Touchscreen am Eingang verrät den Mietern ihren Energieverbrauch. Sogar eine Bedienungsanleitung für den intelligenten Gebrauch des Hauses hat ihnen der Geschäftsführer von grab architek-
ten Moreno Piccolotto zum Einzug in die Hand gedrückt. Trotzdem fällt der Energieverbrauch extrem unterschiedlich aus. „Wir können den Leuten den Umgang mit Energie nicht vorschreiben“, sagt Piccolotto. Immerhin kann es im Kraftwerk-B niemand auf das Haus schieben, wenn sein Verbrauch nach oben schießt.

Michael Brüggemann, Mainz

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