Wertsteigerung von Wohnquartieren
Grünes Licht für Nachhaltigkeit

Beim Kauf einer Immobilie spielt nicht nur das Bauwerk selbst eine große Rolle, sondern auch der Ausblick, der sich von ihm bietet. In stark verdichteten Städten gibt es keine schönere Aussicht als auf eine Anzahl begrünter Dächer. Die Illusion, „im Grünen“ zu leben, ist vollkommen. Hier liegt für viele Städte noch großes Potenzial, ganze Quartiere aufzuwerten. Denn für einen schönen Ausblick werden auch höhere Grundstückspreise akzeptiert.

Hochburg der Grünen

Große Grünflächen und Parks sind die herausragenden Merkmale einer großen Stadt, wenn man sie mit dem Flugzeug überfliegt. Die öko­logisch ideale Stadt wäre eine, in der ein Park kaum mehr als solcher erkennbar ist, weil alle Häuser, die ihn eingrenzen, Gründächer besitzen. Das Stadtklima in einer solchen Stadt wäre wesentlich angenehmer als in einer Stadt ohne Gründächer, denn die Pflanzen auf den Dächern sind in der Lage, Kohlendioxid in Sauerstoff umzuwandeln. Sie speichern Regenwasser und regulieren dadurch den Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Mit der bewussten Begrünung von Dachlandschaften und der gezielten Planung von Luftschneisen kann die Luftzirkulation regelrecht gesteuert werden. Städte wie Stuttgart haben dies bereits erkannt und berücksichtigen ihre Erfahrungen bei der Stadtplanung. Private Dachbegrünungen werden dort bereits seit 20 Jahren gefördert. Wärmeinseln, wie sie sich im Hochsommer in vielen Städten bilden, werden durch die bessere Luftzirkulation vermieden. Die Anzahl der so genannten Biergartentage mit einer Abendtemperatur von mehr als 21°C um 21 Uhr ist in Städten doppelt so groß wie in ländlichen Gegenden. Heiße Luft enthält einen hohen Anteil an Fein­staub, unter dem vor allem Menschen mit Erkrankungen des Atmungs- und Herzkreislaufsystems zu leiden haben. Begrünte Dächer sind jedoch in der Lage, Feinstaub zu binden, sorgen damit für eine Steigerung der Lebensqualität und rechtfertigen höhere Immobilienpreise.

Ohne teure Regenrückhaltebecken

Für Kommunen rechnen sich Gründächer langfristig. In Deutschland wird jeden Tag die Fläche von 170 Fußballfeldern mit Straßen, Siedlungen, Parkplätzen, Flughäfen versiegelt. Natürlich ausgleichende Bodenfunktionen, wie die Filterung und Speicherung von Niederschlagswasser, sind nicht mehr möglich. Die Kommunen sind daher zum Bau teurer Regenrückhaltebecken gezwungen, die bis zu 500.000 € kosten. Sind in einer Stadt jedoch viele Dächer begrünt, übernehmen die Gründächer die Filter- und Speicherfunktionen. Die Förderung von Gründächern durch die Kommunen lohnt sich daher auf lange Sicht, ökologisch und ökonomisch.


Gründachaufbau und -gewicht

Bei nachträglichem Aufbau eines begrünten Daches ist die Statik zu prüfen. Verschiedene Gründachaufbauten verfügen über unterschied­liches Gewicht pro Quadratmeter. Man unterscheidet zwischen Extensiv- und Intensivbegrünung. Extensivbegrünungen benötigen lediglich geringen Pflegeaufwand und müssen nur während der Anwachsphase gewässert werden. Meist kommen Sedumpflanzen zum Einsatz. Beträgt die Schichtdicke bei der Extensivbegrünung 6 bis 20 cm, kann für eine Intensivbegrünung mit 15 bis 40 cm Aufbau, in manchen Fällen noch höher, gerechnet wer­den. Auf intensiv begrünten Dächern können ganze Dachgartenlandschaften gebaut werden. Entsprechend liegt das Gewicht eines leichten Extensivaufbaus bei ca. 50 kg/m². Ein normaler und kostengünstiger Extensiv­aufbau wiegt 90 bis 140 kg/m², ein Intensiv­aufbau 150 bis 500 kg pro Quadratmeter. Landschaftsgärten können die Dachkonstruktion mit bis zu 1 300 kg pro Quadratmeter belasten. So genannte grünen „Leichtdächer“ sind teurer als normale Extensivbegrünungen mit höherem Schichtaufbau, da vorkultivierte Vegetationsmatten und spezielle Leichtsubstrate eingesetzt werden müssen. Zudem ist der anschließende Pflegeaufwand kostenintensiver.


Prüfung der Statik

Grundlage für die Beurteilung der Statik ist der Zustand und damit die Tragfähigkeit der vorhandenen Dachkonstruktion. Zum Eigengewicht der Dachkonstruktion hinzu kommen durch die Begrünung das Gewicht der Drän- und Vegetationsschicht im wassergesättigten Zustand und das Gewicht der Pflanzen, wenn sie ihre volle Höhe erreicht haben. Einzelpunktlasten wie Bäume oder Pergolen werden gesondert berücksichtigt. Schnee- und Windlast müssen entsprechend DIN 1055 berechnet werden. Um auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich unterhalb der zulässigen Nutzlast zu bleiben. Besondere Vorsicht ist bei der Begrünung von Leichtdächern, z.B. Trapezblechdächern, geboten. Die Durchbiegung der Trapezbleche darf in der Feldmitte zwischen Pfetten oder Bindern l/300 nicht überschreiten. Für Leichtdächer werden spezielle, einschichtige Gründachaufbauten angeboten. Ist die Durchbiegung durch das
Gewicht der Begrünung zu groß, muss mit Wassersackbildung in der Feldmitte gerechnet werden. Hier können gefährlich hohe Lasten entstehen.


Einschichtig und mehrschichtig

Ein zu begrünendes Dach muss über ausreichende Belichtung und Gefälle verfügen. Wichtig für ein schönes Pflanzbild ist die vegetationstechnische Abstimmung zwischen Dicke und Zusammensetzung der Drän- und Substratschicht. Beim extensiv begrünten Dach unterscheidet man zwischen einschichtigem und mehrschichtigem Aufbau. Beim einschichtigen Aufbau ist das Substrat zugleich Dränage, Wasserspeicher und Nährstoffgrundlage für die Bepflanzung, bei der mehrschichtigen Bauweise folgen auf die

separate Dränschicht ein Filtervlies und das Substrat. Bei Einsaaten und Sprossenaussaaten ist meist nach ein bis zwei Jahren ein Deckungsgrad von 90 bis 100 % erreicht. Um Verwehungen in der Phase des Anwachsens der Pflanzen zu verhindern, können vorkultivierte Vegetationsmatten eingesetzt werden. Dies empfiehlt sich vor allem bei Gründächern auf hohen Gebäuden oder bei Dächern, die schnell komplett begrünt aussehen sollen. Bei Leichtdächern sind sie Voraussetzung für eine erfolgreiche Begrünung.


Gute Abdichtung – lange Lebensdauer

Die vorrangige Aufgabe eines Daches besteht darin, die darunter liegenden Räume vor Feuchtigkeit zu schützen. Damit Hausbesitzer lange Zeit Freude an ihrem Gründach haben, sollten sie auf die Wahl einer hochwertigen Abdichtung achten. Besonders der Durchwurzelungsschutz spielt eine große Rolle.
Bereits 1982 wurde ein Verfahren eingeführt, das Abdichtungsbahnen auf ihre Durchwurzelungsfestigkeit prüft. Hat die Abdichtung den intensiven, über vier Jahre andauernden Test mit aggressiv wurzelnden Pflanzen und Bäumen bestanden, darf sie als wurzelfest bezeichnet werden. Besondere Aufmerksamkeit hinsichtlich der Durchwurzelung erfordern Nahtstellen und Durchdringungen, wie Anschlüsse an aufgehendes Mauerwerk, Lichtkuppeln, Entlüftungen und Bauwerksfugen. Am besten eignen sich zweilagig verlegte, wurzelfeste Bahnen aus Polymerbitumen. Sie halten selbst an den Nahtstellen aggressiv wurzelnden Pflanzen stand. Der Rohstoff Bitumen ist umweltverträglich und hält selbst hohe Temperaturschwankungen aus. Trägermaterialien, wie hochwertige Polyestervliese, sorgen für hohe Reißfestigkeit. Eine Bitumen­bahn mit Polyestervlies kann Zugkräfte von 1 200 Newton und mehr bei einer Dehnung von fünfzig Prozent aufnehmen. Die Polymermodifikation des Bitumens bewirkt eine hohe Wärmestandfestigkeit und Kälteflexibilität der Bahnen. Bei genormten Bahnen aus Elastomerbitumen beginnt die Temperaturspanne bei über plus 100 Grad und endet unter minus 25 Grad Celsius. Bei Hochwertbahnen sind diese Kenndaten durch spezielle Kunststoffzusätze und entsprechende Produktionsverfahren auf über plus 150 Grad und unter minus 35 Grad Celsius steigerungsfähig. Das ermöglicht die Verlegung bei niedrigen Außentemperaturen, die Inspektion von Flachdächern im Winter und die Funktionstüchtigkeit von Abdichtungen selbst bei extremer Kälte. Der robuste Abdichtungsstoff ist unempfindlich gegen mechanische Belastungen. Das Beschädigungsrisiko durch das Anlegen der Dachbegrünung ist gering. Die Bepflanzung des Gründachs schützt die Abdichtung zusätzlich vor starker Sonneneinstrahlung, Hagel und Frost und sorgt für eine noch längere Haltbarkeit. Damit die Fassade nicht verschmutzt, empfehlen die Gründachhersteller, an aufgehenden Gebäudeteilen einen Kiesstreifen mit der Körnung 16/32 oder 16/22 von ca. 40 cm Breite aufzubringen. Auch im Randbereich des Daches ist ein Kiesstreifen zur Einfassung der Begrünung sinnvoll.


Hoher Schutz vor Extremwetterereignissen

Durch die Klimaveränderungen der letzten Jahrzehnte ist in Zukunft häufiger mit starken Hagelschauern und orkanartigen Stürmen zu rechnen. Das letzte Jahrzehnt ist das wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Das Kohlendioxid, das heute in die Atmosphäre gelangt, bleibt dort ca. 100 Jahre. Seit dem Beginn der Industrialisierung vor etwa 200 Jahren stieg die CO2-Konzentration von 280 auf 370 ppm. Ein prognostizierterTemperaturanstieg von 0,5 bis 0,9 °C klingt nicht besonders dramatisch, wenn man berücksichtigt, dass auf einem Flachdach Temperaturschwan­kungen von über 100 °C auftreten. Die wärmere Luft ist jedoch in der Lage, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen. Die Folge sind extreme Wetterereignisse, wie der Sturm Kyrill, der im letzten Jahr große Schäden anrichtete. Begrünte Dächer bieten höheren Schutz gegen solche Naturereignisse als unbegrünte. Die Begrünung beschwert die Abdichtung, sodass dem Wind keine Angriffsfläche geboten wird. Die Sturmschäden nach Kyrill haben gezeigt, dass begrünte Dächer wesentlich widerstandsfähiger waren als unbegrünte. Hagelschlag fördert sogar das Wachstum von Sedumbegrünung.

Einfache Gründächer erhalten sich selbst. Die Pflanzen fangen den Tau der Nacht auf und halten der Sonne stand. Kulturen wie Sedum blühen bei starker Hitze.  Lange Trockenperioden stellen daher für die unempfindlichen Gründachpflanzen kein Problem dar. Sedum­pflanzen sind in der Lage, Wasser in den Blättern zu speichern und für einen langen Zeitraum vorzuhalten, ohne zu vertrocknen.


Regenwassermanagement

Bei der Planung eines Gründachs kann direkt eine Anlage zur Regenwasserbewirtschaftung installiert werden. Regenwasser wird dann für die Toilettenspülung oder die Gartenbewässerung benutzt. Das spart Abwasser- und Zersiedelungsgebühren und rechnet sich bereits nach kurzer Zeit. Die reine Ableitung von Regenabflüssen kann zur Verschärfung von Hochwasserabflüssen führen, die Grundwasserneubildung behindern und oberirdische Gewässer verschmutzen. Eine Verzögerung des Regenabflusses wird daher angestrebt. Dass Dachbegrünungen dies leisten können, ist bekannt. Gemäß DIN 1986/2 und der FLL Dachbegrünungsrichtlinie sind bei unbegrün­ten Dachflächen unter 3° Neigung 0,8 % Abflussmenge bezogen auf den Bemessungsregen bei der jeweiligen Fläche zu erwarten. Bei einer Dachbegrünung von 6-10 cm und einer Neigung von kleiner als 15° liegt dieser Wert bereits bei 0,5 %, bei einer Schichtdicke von 25-50 cm sogar bei 0,2 %.

Regenwassermanagement auf dem Gründach umfasst die Bereiche Verdunsten und Nutzen des Niederschlagswassers. Extensivbegrünungen erreichen bei einer Aufbauhöhe von 10 cm 50 % Wasserrückhaltung, Intensivbegrünungen von 30 cm bis zu 70 %. Regenwasser für die Toilettenspülung oder die
Gar­tenbewässerung wird in Speichern, z. B. Zisternen, gesammelt und mit einer Pumpe zum Bestimmungsort gefördert. Für die Waschmaschine ist der Abfluss vom Gründach nicht geeignet, da es zu Färbungen durch Huminstoffe kommen kann. Bei der Bemessung einer Regenwassernutzungsanlage ist der verminderte Abfluss nach Regenfällen zu berücksichtigen. Teil 1 der DIN 1989 gibt Auskunft über die Planung, Ausführung und Wartung von Regenwassernutzungsanlagen. Sinn­­-
voll ist eine Kombination von dezentralen Sicker- und Rückhaltesystemen mit Installationen zur Regenwassernutzung. Das durch das Gründach gefilterte Regenwasser belastet die Versickerungsanlage nicht mit Schadstoffen, Versickerungsmulden können kleiner konzipiert werden, und die Niederschlagsgebühr entfällt. Neueste Bebauungspläne beinhalten die Verpflichtung der Grundstückseigentümer zur Regenwasserbewirtschaftung.


Ökonomisch und -logisch

Ökologische und ökonomische Vorteile stehen beim Gründach im direkten Zusammenhang. Der größte Vorteil eines begrünten Daches, der Wasserrückhalt aufgrund der großen Verdunstungsfläche, erspart den Kommunen den Bau teurer Regenrückhaltebecken. Die Feinstaubsituation großer Städte wird verbessert und die Begrünung verhindert Wärmestau auf dem Dach. Der Bauherr spart Abwasser- und Zersiedelungsgebühren und schützt sein Dach vor Extremwetterereignissen. In Deutschland werden Dachbegrünun­gen in vielen Städten durch Direktzuschüsse, Festsetzungen im Bebauungsplan oder durch Splittung der Abwassergebühren gefördert.

Die Steigerung der Lebensqualität in einer Stadt steht beim Gründach dennoch im Vordergrund. Bereits Goethe bemerkte zur Farbe Grün: „Man findet in derselben eine reale Befriedigung“. Der Ausblick ins Grüne beruhigt die Nerven, schafft inneren Ausgleich, und macht die Stadt für ihre Bürger lebenswert.

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