Wer hat’s erfunden? Die Phänomenta – ein Projektbericht in der DBZ sorgt für Aufregung
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Als wir in der vergangen DBZ-Ausgabe mit dem Themenschwerpunkt „Tragwerk“ das Projekt „Phänomenta-Pendel, Lüdenscheid“ (S. 30ff.) vorstellten, waren wir uns nicht bewusst, dass dieser Bau möglicherweise zwei Verfasser hat. Jedenfalls erreichte uns nach Drucklegung eine Email aus Frankfurt a. M., in welcher wir höflich aber bestimmt aufgefordert wurden, von einer Veröffentlichung abzusehen.

Aus unterschiedlichen Gründen – zeitliche insbesondere – war es uns nicht möglich, die Veröffentlichung, die allein KKW Architekten als Urheber nennt, zu stoppen. Um beispielsweise zu prüfen, ob die Behauptung von schneider+schumacher stimmt, dass es sich tatsächlich, wie in der Eilmail geschrieben, bei dem realisierten Projekt „um einen urheberrechtlich geschützten Entwurf von schneider+ schumacher“ handelt, „für den die Nutzungsrechte nicht abgetreten wurden.“ Wir konnten daher der eindringlichen Bitte des Büros nicht nachkommen, „bis zur Klärung der rechtlichen Fragen von der Veröffentlichung dieses Projektes abzusehen“.

Beiden Büros sicherten wir in der Folge zu, dass sie sich in einem Kurzstatement in der folgenden Ausgabe – also dieser hier – zur Sache äußern können, beide schickten uns ohne Kenntnis vom Inhalt des jeweiligen anderen ihre Kommentare/Statements, die Sie in der Reihenfolge ihres Eingangs hier lesen können. Machen Sie sich ihre eigene Meinung, vielleicht ist das Thema auch in Ihrer Arbeit schon einmal aktuell gewesen?

„An die Redaktion der DBZ:

2001 wurden schneider+schumacher von der Phänomenta in Lüdenscheid aufgefordert, sich einen Turm auszudenken, der das Foucaultsche Pendel in Originallänge und -ausschlag behausen sollte. Nach eingehenden gestalterischen, konstruktiven und strukturellen Überlegungen wurde eine Konstruktion gewählt, die ausschließlich aus geometrisch in sich stabilen Dreiecken bestand, welche in der Höhe gegeneinander um 60° verdreht wurden. Der kalkulierte Effekt, der sich dabei aus unterschiedlichen Blicken ergibt, von einem scheinbar einfachen drei-eckigen Turm zu einem tanzenden, sich mit Überhängen faltenden Turm, ist ein zentrales Entwurfsthema, welches sich emblematisch mit den zu vermittelnden Phänomenen im angeschlossenen Gebäude verbindet. Um das Pendel vor Witterungseinflüssen wie Wind, Regen und Temperatur zu schützen, haben wir eine Membran eingeführt, die den Schwingungskegel des Pendels nicht störte und die in organischer Ergänzung zum Rohrgitterwerk des Gerüsts steht.

Die anfänglichen Überlegungen, den Turm als separates Gebäude an anderer Stelle zu bauen, wurden im Planungsfortschritt dahingehend weiterentwickelt, dass der Turm in einen Erweiterungsbau für die bestehende Phänomenta integriert und damit zu dem zentralen Identifikationsort der Gesamtanlage gemacht wurde.

2012 wurde ein VOF-Verfahren durchgeführt, aus dem KKW Architekten als Sieger hervorgingen.

Der Umstand, dass in der Realisation Maße verändert, die Aufhängungen der Membranringe abgeändert und ein weiterer Kegel für ein verkürztes Pendel eingebaut wurden, führte aus unserer Sicht im Ergebnis zu einer schlechteren Gestaltung, ändert aber nichts an der ikonografischen Botschaft des Entwurfs von schneider+schumacher. “ Till Schneider, s+s Planungsgesellschaft mbH, 60329 Frankfurt a.M., am 28.07.2015

„Im Jahr 2012 haben wir nach einem europaweiten VOF Verfahren den Auftrag für die LPH 1-9 (HOAI) von Seiten der Stiftung Phänomenta erhalten. Inhalt waren die kompletten Generalplanerleistungen ausgehend von einer Machbarkeitsstudie, die für den Förder-antrag der Maßnahme erstellt wurde.

Durch die geförderte Maßnahme war von Seiten des Auftraggebers zwingend vorausgesetzt, dass gewisse Grundzüge der der Förderung zugrunde liegenden Machbarkeitsstudie erhalten bleiben.

Im Laufe der Planungsphase wurden dann jedoch alle vorliegenden Planungsansätze der Machbarkeitsstudie aufgrund von geänderten Anforderungen, technischen Umsetzungsproblemen oder aus budgetären Gründen überplant oder neu konzipiert.

Dies betrifft besonders den kompletten baulichen Part der musealen Erweiterung im Altbau und Neubau.

Auch die geförderte Landmarke – der Leuchtturm – ist gestalterisch wesentlich überarbeitet und weiter konzipiert worden. Die Form der eingehängten Membran unterscheidet sich grundlegend von den ersten Studien.

Der Turm mit dem Stahlfachwerk für das Foucaultsche Pendel hat in seiner langen planerischen Entstehungsgeschichte (1989 beginnend) von den visionären Anfängen des lokalen Unternehmers Dr. Hueck bis zum Förderantrag zahlreiche Modifikationen und Variationen erfahren. Die äußere Form des Stahlskelettes ist vielfach durch zahlreiche unterschiedliche planende Akteure verändert, modifiziert und weiterentwickelt worden.

Wir haben uns im Rahmen der durch die Stiftung Phänomenta gesetzten Planungseckdaten der Aufgabe angenommen und haben innerhalb der beauftragten LPH 1-9 einen eigenständigen Entwurf erarbeitet und baulich realisiert.

Dass im Rahmen einer geförderten Maßnahme Grundzüge der dem Förderantrag
zugrunde liegenden Machbarkeitsstudie wenigstens rudimentär erkennbar bleiben müssen versteht sich von selber, da ansonsten die Fördergrundlage entfallen würde. Die Klärung der Frage, in wieweit unsere Entwurfsleistung, aufbauend auf einer Machbarkeitsstudie, eine Urheberrechtsverletzung darstellt, bleibt vermutlich Juristen überlassen.“ Linus Wortmann, KKW ARCHITEKTEN, 58762 Altena, am 13.08.2015

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