BIM und Denkmalschutz

Spormühle Dirmstein

Der bewahrende Denkmalschutz, eine Vielzahl von Behörden und ein anspruchsvoller Bauherr mit neuem Nutzungskonzept: Für Torben Wadlinger ist die Sanierung der Spormühle im pfälzischen Dirmstein alles andere als ein Standardprojekt, denn das tägliche Jonglieren zwischen den verschiedenen Partnern ist gefragt. Und wie selbstverständlich plant er mit BIM. Dass die digitale Planungsmethode ebenfalls für das Bauen im Bestand sinnvoll und funktional ist, beweist er mit der Sanierung der über 300 Jahre alten Bestandsgebäude.

Frankenthal liegt zwischen Worms und Ludwigshafen und ist eine der ältesten Siedlungen in der Gegend. Die über 1200-jährige Ortsgeschichte zeigt sich in jedem Winkel des Ortes. graf + partner Architekten konnten seit der Übernahme durch Torben Wadlinger 2009 zahlreiche Sanierungen und Neubauprojekte in der Region rund um Frankenthal realisieren. Das Büro ist seit langem dafür bekannt, schwierige Projekte mit besonderen Anforderungen der Bausubstanz, der Bauherrenschaft oder des Denkmalschutzes zu meistern. Aktuell planen sie vor allem an der Spormühle in Dirmstein. Bis 1937 wurde der marode Gebäudekomplex als Kornmühle und danach für die Stromerzeugung genutzt, stand viele Jahre leer und wird seit 2015 umfassend saniert und umgebaut. Die Anlage steht unter Ensembleschutz, das historische Torhaus ist ein Einzeldenkmal.

Revitalisierung 3D

Die erste Anfrage zu Umbau und Revitalisierung der Spormühle erreichte graf + partner 2014. Der Vorbesitzer plante dort eine Ferienwohnanlage, die aber nicht realisiert wurde. Doch das Sanierungsprojekt verlief damit keineswegs im Sande: die damaligen Pläne von graf + partner sind bis heute die Basis aller Folgeaktivitäten. Projektpartner und Inhaber des Instituts für Raumdarstellung, Oliver Hauck, hatte die Anlage und alle Gebäude bereits vor der Baueingabeplanung mit Lasertechnik aufgemessen. Das Aufmaß erfolgte auf Basis einer Laserdistanzmessung mit Linienmessverfahren. Torben Wadlinger: „Das Messverfahren mit einem Leica 3D Disto war damals sehr neu und ist äußerst präzise. Ein drehbarer Laserkopf misst die Distanzen zwischen einzelnen Punkten im Raum und dem Messkopf und baut ein dreidimensionales Linienmodell auf, das anschließend in die Planung, in dem Fall in ArchiCAD, übernommen wird. Alle Geschosse und der Dachstuhl sind nach diesem Verfahren erfasst. 2014 war dies für uns die wirtschaftlichste Lösung. Heute arbeiten wir in Kooperation mit stereoraum Architekten aus Wörrstadt mit einem Flexijet 3D. Damit lassen sich bis zu 800 m² Fläche am Tag exakt aufmessen.“

Das Aufmaß für die Gebäude der Spormühle und das Einlesen in die BIM-Software waren sehr zügig erledigt: nachdem das Linienmodell in ArchiCAD importiert war, wurden die Bauteile um das Linienmodell herum konstruiert. Anschließend lag ein 3D-Modell vor, das für die weitere Bearbeitung leicht vereinfacht und mit Bauteilattributen versehen wurde. Die wesentlichen Bauteile wie „Wände tragend“, „Wände nicht tragend“, „Dachsparren“ etc. generierten sich die Architekten aus der vorhandenen Bauteildatenbank im Programm. Torben Wadlinger: „Mit wenigen und von uns modifizierten Bauteilen konnten wir das komplette Bauvorhaben realisieren,“ und ergänzt: „Es war kein verformungsgerechtes Aufmaß nötig. Daher konnten wir bei der Mühle bestimmte Unebenheiten einfach übermessen. Trotzdem blieb das Gesamtmodell präzise und ausreichend für unsere Massenermittlung sowie die statisch relevanten Berechnungen und die TGA-Planung.“

Gute Arbeitsgrundlage

dank BIM

2015 verkaufte der ehemalige Eigentümer die Anlage an einen Interessenten aus der Region. Das Projekt erfuhr damit eine entscheidende Wendung: Der heutige Besitzer stellte sich ein Seminarzentrum in dem historischen Gemäuer vor. Doch mit der neuen Nutzung war die vorhandene Baugenehmigung obsolet. Für graf + partner bedeutete das die erneute Umplanung und Einreichung zur Baugenehmigung. Vieles aus der Ursprungsplanung ließ sich jedoch weiter nutzen, vor allem das digitale Aufmaß und das Gebäudemodell. Eine überarbeitete Genehmigungsplanung ging schließlich an die Baubehörden. Torben Wadlinger nahm den unerwarteten Zusatz­aufwand sportlich: „Im Endeffekt ist die neue Nutzung viel nachhaltiger und entspricht eher dem Charakter des Ensembles. Und da wir eine gute Arbeitsgrundlage mit der ersten Planung hatten, konnten wir schnell zu einer Einigung mit unserem Bauherrn kommen.“

Die Sanierung wird in drei Bauabschnitten durchgeführt. Der 1. und 2. Bauabschnitt umfasst die ehemalige Mühle und das Torhaus, der 3. Bauabschnitt die Sanierung der Remise und des Tiefkellers. Das ehemalige Müller-Wohnhaus ist bereits saniert. Der gesamte Umbau mit der Sanierung der Remise und des Tiefkellers soll planmäßig bis zum Spätsommer 2019 abgeschlossen sein.

BIM verschiebt die Arbeitsaufwände

Torben Wadlinger hat mehrere Jahre bei Hochtief in der Objektplanung in Frankfurt gearbeitet. Der Baukonzern erkannte früh wesentliche Vorteile der BIM-Methode und nutzte bauteil- und massenbezogene 3D-Daten für die Kostenermittlung, in der er tätig war. Torben Wadlinger übernahm 2009 das Architekturbüro graf + partner und führte dort die modellbasierte Planung ein. Neben Neubauprojekten etablierte er sie ebenso für Sanierungsvorhaben. BIM bedeutet jedoch verlagerte Arbeitsaufwände, was neue Arbeitsprozesse bedingt: „Die BIM-Methode erfordert unabhängig davon ob Neubau oder Sanierung in der Planung die frühzeitige Festlegung wesentlicher Konstruktionsparameter und Systemaufbauten. Das ist in der konventionellen Planung meist erst nach der Baugenehmigung mit Ausführungsplanung und Detailplanung nötig.“ Im Ergebnis ist der Detaillierungsgrad im BIM-Modell jedoch sehr groß. Torben Wadlinger:

„Durch die modellbasierte Arbeit erreichen wir in der Leistungsphase 3 den ‚Tiefgang’, den wir sonst erst in der Leistungsphase 5 hatten. Der entsprechende Detail­lierungsgrad in unserer BIM-Planung, der sog. LOD (Level Of Detail), wird dabei von der notwendigen Sanierungstiefe und -bandbreite im Projekt Spormühle definiert.“

Sensibilisierung der Partner für BIM

Für das Projekt Spormühle sind zahlreiche Behörden und Gremien am Planungs- und Bauprozess beteiligt. Da auf dem Gelände ein Bachlauf verlegt wird, ist die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd mit der Unteren Wasserschutzbehörde gebunden. Hinzu kommen die Verbandsgemeinde wegen der Renaturierung des Bachlaufes, die Kreisverwaltung mit der Baubehörde, die Ortsgemeinde, der Brandschutz, die Untere und Obere Denkmalschutzbehörde sowie die Stadtwerke Frankenthal. graf + partner führen sie gemeinsam mit dem Bauherrn zu einem Konsens, was sicher nicht leicht ist. Architekt Torben Wadlinger steht den vielen Gesprächspartnern gelassen gegenüber: „Wir haben hier die Möglichkeit, neue Planungsmethoden und alte Bausubstanz zu verbinden. Die vielen Ansprechpartner mit ihren spezifischen Anforderungen müssen wir abholen – doch das Betreiberkonzept passt sehr gut zu der Spormühle.“

BIM lohnt sich – auch für kleine Architekturbüros

Die neuen Planungsmethoden, von denen Torben Wadlinger spricht, sind längst nicht in jedem Architekturbüro und allen Bauherren bekannt. Und allzu oft wird behauptet, dass die digitale Planung mit BIM sich nicht für kleine Architektur- oder Ingenieurbüros oder bei Sanierungen lohnt.

Beides stimmt so nicht. Vor allem für Projekte, die in einem abgeschlossenen Zeitrahmen von ca. zwei Jahren realisiert (und ausgewertet) werden können, ist BIM und die Planung mit einer BIM-Software sinnvoll und wirtschaftlich. Ein Beispiel hierfür sind graf + partner. Mit zwei festen Mitarbeitern und Chef, einem Azubi und freien Mitarbeitern sind sie eines jener kleinen Architekturbüros. Und sehen darin ihren Marktvorteil, wie Torben Wadlinger berichtet: „Wir können viel schneller agieren, reagieren, neue Arbeitsabläufe sowie Methoden implementieren, als große Büros dazu in der Lage sind. Das ist durch unsere internen kurzen Wege und dank eindeutiger Zuständigkeiten möglich. Und jeder unserer Mitarbeiter muss stets Architekt und Planer sowie zeitgleich BIM-Koordinator sein. Das ist eine Herausforderung.“ Tim Westphal, München

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Baudaten

Objekt: Spormühle
Standort: Spormühlenweg 12, 67246 Dirmstein
Typologie:ehemalige wassergetriebene Mühlenanlage (Ensemble von 18. Jhd. bis 20. Jhd.)
Bauherr: Herr Oliver Meyer und Frau Sabrina Price-Meyer
Nutzer: Tailormade GmbH, Stuttgart
Architekt: graf + partner Architekten, Frankenthal, www.gup-architekten.de
Mitarbeiter: stud. cand. Laura Ingermann (Entwurf), Dipl.-Ing. Arch. Heiko Mehlmann (Entwurf), Jennifer Bolldorf (BauZ., Werkplanung), Dipl.-Ing. Arch. Susanne Flöry (Ausschreibung)
Bauleitung: Dipl.-Ing. Arch. Torben Wadlinger
Ausführende Firmen: Fa. Triebskorn, Brühl, www.triebskorn-bau.de (Abbruch und Rohbau 1), Fa. Kasimir, Mühlenbecker Land, kasimir-bau.de (Abbruch und Rohbau 2), Fa. Braun (TGA), Fa. Steinauer (ELT), Fa. Garrone (Außenputz), Fa. Stalla (Innenputz), Fa. Münch (Gerüst), Fa. Schnautz (Fenster, Türen), Fa. Kraushaar (Zimmerer)
Planungszeit: 1. BA: Oktober 2014 – Mai 2017 (mit wechselnden Bauherren wg. Verkauf des Objekts)
Bauzeit: April 2017 – August 2018

Fachplaner

Tragwerksplanung: Weisbrod + Partner, Osthofen, www.weisbrod-partner.de
Techn. Gebäudeausrüstung: Klug Engineering, Darmstadt, www.klug-energie.de
Energieplaner/-berater: stereoraum Architekten, Wörrstadt, www.stereoraum.de

Planungssoftware

AVA: BuildUp
Bauzeiten: Merlin Project
 
BIM Anwendung
Open BIM: ArchiCAD, DDS-CAD
 
Virtuelles Gebäudemodell
3D-Modell: ArchiCAD 19/20/21

Hersteller

Wand: JUWÖ Poroton-Werke Ernst Jungk und Sohn GmbH, www.juwoe.de
Sonnenschutz/Blendschutz: Teba Faltstore, www.teba.de
Türen/Tore: AZ Metallbau GmbH, www.aluminiumzargen.de
Heizung: Buderus, www.buderus.de

Sanitär: Geberit AG, www.geberit.de/de/; Vamigo, www.vamigo-bad.de; Villeroy+Boch AG, www.villeroy-boch.de, Keuco GmbH & Co. KG, www.keuco.eu

Trockenbau: Knauf Verwaltungsgesellschaft KG, www.knauf.de
Tische: Adam Wieland GmbH & Co. KG, www.adamwieland.de
Software: ArchiCAD 16 bis 20, www.graphisoft.de
SketchUp, www.sketchup.com/de
Indigo Renderer, www.indigorenderer.com
BuildUp AVA, www.bauer-software.de
NextCloud als CDE, www.nextcloud.com

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