Schule am Mainbogen, Frankfurt a. M.
Einmal schon hat der hier vorgestellte Schulersatzbau seinen Standort gewechselt und könnte das noch mehrmals machen. Vielleicht als Schulbau, vielleicht als Büroraum für Start-ups, vielleicht als Kindergarten. Vieles ist möglich, wenn man es nur denkt. Die Frauen und Männer von werk.um haben das getan und sie sind bei dieser „Wanderschule“ nicht stehen geblieben.
Wir sind dabei, uns zu gewöhnen. An den Gedanken, dass das Gebaute eine Ressource darstellt. Die Umwandlung sogenannter natürlicher Ressourcen wie Erdöl, Holz oder Sand in dann eben künstliche ist beim Bauen – Hochbau wie Tiefbau – in ein neues Licht getreten: Wir können, ja wir müssen die verwerteten natürlichen Ressourcen berücksichtigen, sie für das Weiterbauen, auch für den Neubau nutzen. Deponie? Das war ges-tern und zudem: Die Deponien sind voll, das Einlagern teuer und längst sind Fachleute dabei, alte Deponien als zukünftige Ressourcenlager zu definieren und zu inventarisieren.
Tatsächlich gehen langfristig denkende InvestorInnen im Gespräch mit ihren PlanerInnenteams langsam dazu über, Gebäude so zu kalkulieren und zu planen, dass sie als zukünftige Materiallager zur Verfügung stehen; wenn ihre Substanz aufgebraucht, wenn ihr Nutzen nicht mehr wirtschaftlich ist aus unterschiedlichen Gründen. Die Stadt Frankfurt a. M. hat, wie eigentlich alle große Kommunen in Deutschland, die Wirtschaftlichkeit im Bauunterhalt längst ganz oben auf der politischen Agenda, und da kam es ihr wie gerufen, als sie von einer Sanierungsstrategie des benachbarten Landkreises Darmstadt Dieburg erfuhr. Dieser hatte bei der Umsetzung des Schulbau- und Schulsanierungsprogramms 2008 bis 2020 zunächst auf den Klassiker der Ersatzbauten gesetzt: auf Stahlcontainer. Deren Anmietung verursacht aber immer wieder hohe Kosten. Das Darmstädter Büro werk.um, mit einer Sanierung beauftragt, schlug dem Landkreis nun vor, die Ersatzbauten als elementierte Holzbauten zu realisieren. Die gehen in den Besitz des Landkreises über, haben eine gute CO2-Bilanz und rechnen sich mit jedem Umzug dorthin, wo akut Bedarf ist. Der Landkreis, Eigentümer von 81 Schulen, stimmte zu. Das Konzept bewährt sich mittlerweile seit über zehn Jahren und wurde an zahlreichen Schulen eingesetzt. Auch die Stadt Frankfurt a. M., Eigentümerin von gut 200 Schulen, erkannte den Nutzen und bat die Darmstädter um eine Konzeptentwicklung für den Ersatzbau einer Grundschule, die abgerissen und neugebaut werden sollte.
1. Bau, Ludwig-Weber-Schule
Der Ersatzbau in Sindlingen war als dreigeschossiger Baukörper (53,90 x 16,50 m) realisiert, der zwanzig Klassenräume, weitere Gruppenräume, Mehrzweckräume, Mensa, Lehrerzimmer, Räume für die Betreuung sowie Toiletten und kleinere Verwaltungs- und Besprechungsräume umfasste. Der Bauplatz in unmittelbarer Nähe zum Altbau musste freigeräumt werden, in den Bodenaushub wurde eine Kiesschicht eingebracht, Betonfertigteile als Punktfundamente gestellt. Inzwischen konnte der Holzbauer – im Ausschreibungsverfahren wurde nicht nur nach dem Angebotspreis geschaut, sondern auch danach, ob Erfahrung mit der elementierten Bauweise vorhanden war – die Wand-, Decken- und Bodenelemente fertigen, die entsprechend der aktuellen EnEV ausgeführt wurden. Alle Innenwände wurden ebenfalls in Holzbauweise errichtet, selbst der – auf einer gesonderten Fundamentplatte stehende – Fahrstuhl, der die Barrierefreiheit sicherstellt, stand in einer selbsttragenden Holzkonstruktion. Das aufgestellte Volumen erhielt ein Flachdach mit umlaufender Attika.
2. Bau, Schule am Mainbogen
Den PlanerInnen von werk.um war klar, dass ihr Bausystem nach ein paar Jahren seine Aufgabe in Sindlingen erfüllt hätte. So musste ein hoher Qualitätsstandard in der Konstruktion erreicht werden, dass die Schule abgebaut und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden konnte. Eigene Erfahrungen, aber auch die des Holzbauers, ermöglichten die Entwicklung geeigneter Holzbauverbindungen, die es erlauben, die verbauten Elemente auch nach längerer Standzeit stressfrei zu trennen und zu translozieren. So wurde beispielsweise die Luftdichtigkeit durch den Einsatz von Gummi-Dichtbändern hergestellt, die an den Bauteilen fixiert sind. Auf Verklebungen konnte an den wesentlichen Schnittstellen verzichtet werden. Allein der Linoleumfußboden hätte zerschnitten werden müssen, da die Klassenräume aus drei Elementen bestehen. Er wurde am Ende komplett getauscht, auch weil die Eltern/Lehrerschaft sich andere Farben wünschten.
Der Abbau gelang in wenigen Wochen, allerdings mussten die meisten Teile zunächst auf einem Parkplatz zwischengelagert werden, da man am neuen Bauort in Fechenheim (einmal östlich quer durch Frankfurt) zuerst die Bauteile einbauen musste, die am alten Standort zuletzt demontiert wurden – die Bodenelemente. Neben den Freiräum- und Erdarbeiten konnte in ein paar Metern Entfernung zum zukünftigen Bau schon einmal ein Schacht für Gebäudeinfrastruktur aller Art angelegt werden (Wasser, Elektro etc.), aus dem später dann die Gewerke ihre Anschlüsse „abholen“ konnten. Die Ab- und Aufbauzeit betrug insgesamt gerade mal sechs Wochen, die anschließenden technischen Installationen und Innenausbauten nochmal rund acht Wochen. Die Kosten für das Verfahren liegen bei rund 50
Ressource Bau
Fazit
Permanenz ist eine Ressource für Nachhaltigkeit. Warum dann temporär bauen? Gerade im Schulbau liegt hier Potential, um bei demografischem Wandel oder Sanierungen Lernräume an unterschiedlichen Orten wiederzuverwenden. Hierbei sind essenzielle Elemente eines langen Lebenszyklus das Bauen mit Holz und die Planung von Architekten.«
DBZ Heftpartner heilergeiger architekten und stadt-planer BDA, Kempten
Baudaten
Objekt: Interimsbaus in Holzmodulbauweise
Standort 1: Ludwig-Weber-Schule, Paul-Kirchhof-Platz 13,
65931 Frankfurt a.
Standort2: Schule am Mainbogen, Fachfeldstraße 34,
60386 Frankfurt a.
Typologie: Schulbau
Bauherrin: Stadt Frankfurt a.
Architektur: werk.um, Darmstadt
Generalunternehmer: Baumgarten GmbH, Ebersburg-Weyhers
www.baumgarten-bauen.de
Bauzeit Baustandort 2: 14 Wochen in 2020
Projektdaten
Grundfläche: 890m² (53,90 x 16,50 m)
Nutzfläche gesamt: 2 366 m²
Nutzfläche: 1 709 m²
Technikfläche: 10 m²
Verkehrsfläche: 647 m²
Brutto-Grundfläche: 2 668 m²
Brutto-Rauminhalt: 8 671 m³
Baukosten brutto (nach DIN 276)
Standort 1 (Baujahr 2014): 3,1 Mio. € brutto KG 300+400
Standort 2 (Baujahr 2020): 1,6 Mio. € KG 300+400 – darin enthalten eine 30%-ige Kostensteigerung gegenüber dem Baukostenindex von 2014
Energiebedarf
Primärenergiebedarf:
98,93 kWh/m²a
Endenergiebedarf: 50,39 kWh/m²a
Gebäudehülle
U-Wert Außenwand = 0,2 W/(m²K)