Sanieren mit Lehm- und Kalkputzen
Projekt Lechvorstadt und Papiermacherweg, Schongau

Mit dem Bau einer Seniorenwohnanlage und eines Mehrgenerationwohnhauses setzte der frühere Geschäftsführer der Haindl’schen-Papierfabrik Fritz Holzhey seine Idee um, für ehemalige Haindl-Mitarbeiter eine altersgerechte Versorgung in den eigenen vier Wänden zu sichern. Mit der Sanierung und dem Umbau von denkmalgeschützten Bestandsbauten, einem alten Gerberhaus und dem Bürgermeisterhof, zu einem Mehrgenerationenhaus einerseits und dem Neubau einer barrierefreien Wohnanlage für Senioren/innen andererseits gelang dem Bauherrn gemeinsam mit dem planenden und bauleitenden Architekten Dipl. Ing. Horst Hafenmayer aus Ingenried die gelungene Verbindung vom Erhalt alter Bausubstanz und alter Bautraditionen und dem Bauen mit modernen Materialien nach aktuellen technischen Richtlinien.

Der Neubau besteht aus zwei 3-geschossigen Baukörpern, die eine zentrale Erschließungshalle miteinander verbindet. Die gesamte Anlage wird durch eine mittig im Ver­bindungs-
bau liegende Haupttreppe erschlossen. Im Erdgeschoss wurden zusätzlich ein Gemeinschaftsraum und eine medizinische Praxis mit Nebenräumen vorgesehen. 

Die Erschließungsflächen und Flure können als Gemeinschaftsbereiche für Kommunikation und Begegnung genutzt werden. Der kom­fortable Hauszugang ist wettergeschützt und lichtdurchlässig überdacht. Bei der Gestaltung wurde auf hohen Wiedererkennungswert durch eine kontrastreiche Farbgebung der verschiedenen Einrichtungen und Bauteile geachtet. Seit der Fertigstellung im August 2009 sind alle 13 Wohneinheiten vermietet. Dazu zählen 1-Zimmer-Appartements und 2-Zimmer-Wohnungen mit Terrasse, Balkon oder Loggia als Grundlage für das selbständige Wohnen in allen Lebensphasen.


Energetische Standards

Alle Gewerke wurden nach EnEV 2007 ausgeführt. Mit 5,4 l Heizölverbrauch pro Jahr und m² liegen alle Wohneinheiten im Nie-
drigenergiebereich. Die Wohnungen wurden mit kontrollierter Wohnraumlüftung und die Toiletten mit einer Geruchsabsaugung erstellt. Die Versorgung mit Heizwärme geschieht über das städtische Fernwärmenetz, die Warmwasserbereitung ist dezentral organisiert. Die einzelraumgesteuerte Fußbodenheizung in Verbindung mit Wandheizungsflächen im Allgemeinbereich sorgt für Komfort.


Barrierefrei in alle Räume

Die barrierefreie Gestaltung sorgt für die Zugänglichkeit sämtlicher Räume. Alle Gemeinschaftsbereiche, Küchen und Abstellräume wurden mit einem rollstuhlgeeigneten und rutschhemmenden Bodenbelag aus Linoleum ausgelegt. Es wurde Wert auf einen Belag aus reinen Naturstoffen ohne Kunststoffzuschläge gelegt, der reflexionsarm ist und sich nicht elektrostatisch aufladen kann.


Die barrierefreien Küchen wurden nach modernstem Standard geplant und mit unter­fahrbaren Arbeitsflächen und höhenverstellbaren Schränken sowie extrabreiten Türen ausgestattet. Schalter, Taster und Griffe sind leicht und sicher zu greifen.

Die Bäder im Neubau wurden ebenfalls rollstuhlgerecht eingerichtet oder können ent­sprechend nachgerüstet werden. Die WCs und Waschtische sind in der Höhe angepasst und mit den erforderlichen Haltegriffen ausgestattet. Letzteres gilt auch für die Duschen.


Gesundes Wohnraumklima

Sowohl Bauherr als auch Architekt legten beim Neubau der Seniorenwohnanlage Wert auf ein behagliches Raumklima und den „sinnvollen Einsatz ökologischer Baustoffe“. Durch die gezielte Materialauswahl sollten eventuelle Gesundheitsgefährdungen und Allergien der zukünftigen Bewohner schon im Vorfeld ausgeschlossen werden. Die Wahl fiel auf Lehm als Innenputz in dickschichtiger Variante. Der Lehmputz wurde rationell als Maschinenputz in drei Lagen aufgetragen, so dass insgesamt Putzstärken bis zu 4 cm aufgebracht werden konnten. Dies gilt v.a. dort, wo die Flächenwandheizung in den Lehmputz eingebettet wurde. Dem Baustoff Lehm wird eine besonders gute Sorptionsfähigkeit (u.a. in „Auswirkung von Lehmbaustoffen auf die Raumluftfeuchte“ von Wulf Eckermann und Christof Ziegert)  bescheinigt, deshalb wirkt er ausgleichend und positiv auf das Raumklima. Vor allem für ältere Menschen ist eine zu trockene Raumluft unangenehm und führt häufig zu Atemwegsirritation, da die Schleimhäute im Alter empfindlicher werden. Um diese Ausgleichswirkung von Lehm optimal zur Geltung bringen zu können, war der Lehmputz zunächst ohne Anstrich gedacht. Die Untersuchen von Eckermann und Ziegert zeigen, dass die Wirkungsweise von Lehmputz auch durch die Art der Beschichtung beeinflusst wird. Der Lehmputz in seiner natürlichen Oberflächenoptik erschien den Bewoh-
nern jedoch als zu „unruhig“, deshalb wurde später ein neutraler weißer Innensilikatanstrich verwendet, mit dem der Architekt schon gute Erfahrung gemacht hatte.

In den Nassräumen wurde oberhalb des Fliesenspiegels Lehmputz aufgetragen, um Feuchtespitzen im Bad abzupuffern. Neben einer vergrößerten Wärmespeicherfähigkeit weisen alle Lehmbaustoffe eine bessere Dampfleitfähigkeit auf als andere Baustoffe mit gleicher Rohdichte und sind daher besonders für Nassräume geeignet. Für die Bäder wählte der Architekt einen Reinkalkputz als Grundlage für Fliesenbelag und Lehmputz. Die Wahl fiel auf einen Reinkalkputz mit Wasserabweisung und einer ausreichenden Festigkeit. Die hohe Alkalität des Kalkputzes schützt außerdem vor Schimmelbefall. Als Bodenfliesen wurden gekörnte Feinsteinzeugfliesen mit der Oberflächenveredelung Hydrotect eingebaut, einer antibakteriell wirkenden und leicht zu reinigenden Oberfläche. Die Veredelung ist fest in die Fliese eingebrannt und praktisch unbegrenzt haltbar.


Moderne Wohnform in alten Gemäuern –
das Mehrgenerationenhaus

Neben der Seniorenwohnanlage wurde ein historisches Ensemble saniert und zu einem Mehrgenerationenhaus umgebaut. Das alte Gerberhaus und das daran angebaute ehemalige Bürgermeisterhaus stehen unter Denkmalschutz. Die später als Bauernhaus genutzten Gebäude entstanden in der ersten Hälfte des 18. Jahrhun­derts und weisen wertvolle und baugeschichtlich interessante Details auf. So befindet sich in der ehemaligen Gerberwerkstatt im Erd­geschoss ein Saal mit einem zweischiffigen Kreuzgratgewölbe mit Gurtbögen über quadratischen Pfeilern, der als Veranstaltungsraum genutzt wird. Um dem Raum die historische Aura wieder zu geben, wurde das Gewölbe vom Restaurator mit einem 20 Jahre lang eingesumpften Sumpfkalkputz verputzt. Das gesamte Anwesen wird von einem weiten, hohen Hausgang durchzogen. Dieser wurde nach Befund mit einer Kalkglätte Stucco Veneziano spiegelnd geglättet und damit sehr repräsentativ wieder hergestellt.

Auch die obere Stube ist ein vorzeigbarer Raum, der mit einem Reinkalkputz ganz nah am historischen Befund neu gefasst wurde und damit dem Boden, der barocken Tür und den beiden Einbauten den adäquaten Rahmen gibt. Der Architekt fand mit Lichtbändern eine Lösung für zusätzlichen Lichteinfall. Die Lichtbänder aus Glaslamellen in der Dachfläche - die sogar zu öffnen sind - passen sich der Dachneigung an und ohne Übergang in die mit Biberschwanz gedeckte Dachfläche ein. Damit wurden die neuen Wohnungen heller und attraktiver. Mit dem Umbau zum Mehrgenerationenhaus entstanden sieben Wohnungen mit sehr individuellem Grundrissen zwischen 60 und 130 m². Vorgabe des Bauherrn war, dass so viel wie möglich an alter Bausubstanz erhalten bleiben sollte. Gleichzeitig sollten nach modernen Maßstäben bewohnbare und unterhaltbare Wohnungen und Räumlichkeiten entstehen.

Im Altbau wurde aus denkmalpflegerischen Gründen auf Lehmputz als Innenputz verzichtet. Im Bestand war Kalkputz vorgefunden worden. Wo es ging, wollte man diesen belassen und versuchte, möglichst materialgleich anzuarbeiten. Alle Wohnungen im Mehrgenerationenhaus erhielten Reinkalkputz als Wand- und Deckenputz - die passende Materialkombination mit alten Bodenhölzern und Balken, sowie neuen Glas- und Stahleinbauten. Der zementfreie Kalkputz zeigt sich auch als ein hervorragender Rahmen für die nach altem Vorbild neu gefassten Friese. Eine Besonderheit gab es noch in den historischen Innenräumen. Dort wo das Mauerwerk nass und teilweise salzbelastet war, wurde die Sanierung mit einem Saniervorspritz und Sanierputz in zwei Lagen vorgenommen.

Sanierung der historischen Fassade

Die historische Fassade wurde händisch gereinigt, wo nötig mit Hammer und Meißel. Danach wurde die gesamte Fassade mit einer Gewebespachtelung, bestehend aus einem in der historischen Fassadensanierung bewähr-
ten naturweißen Haftmörtel und Glasfaserarmierungsgewebe, überzogen. Auf diese Weise wurde ein perfekter Putzgrund geschaffen für den Auftrag eines wasserabweisenden Reinkalkputzes als Deckputz. Als Anstrich wurden Reinsilikatfarben entsprechend dem historischen Befund gewählt.


Alte Bausubstanz und Modernität - ein

Widerspruch?

Keineswegs, sondern eine Frage der Materialkenntnis, des behutsamen Vereinens alter und neuer Handwerkskunst und moderner Planung. Die Reaktivierung des Viertels stärkt die soziale Stadtentwicklung durch eine gute Mischung der Bewohner. Das Projekt Lechvorstadt zeigt exemplarisch eine äußerst gelungene Verbindung von Sozialeinrichtung und Nachhaltigkeit: So war zum Beispiel keine Neuerschließung des Baugeländes notwendig. Die alte Bausubstanz konnte vollständig erhalten werden, wobei die Suche nach den auf die jeweilige Bausituation bezogenen Speziallösungen zu sehr individuellen Räumen mit großer Ausstrahlung führte.

Lehmputz

Lehmunter- und Lehmausgleichsputz für nahezu alle Untergründe, Oberputz für raue Strukturen im Innenbereich für die manuelle und maschinelle Verarbeitung. Lehmbaustoffe besitzen für den Innenbereich alle positiven Eigenschaften hinsichtlich baubiologischer und bauphysikalischer Anforderungen und sind damit eine wohngesunde Alternative zu gips- und zementhaltigen Produkten. Durch das Bindemittel Lehm ist der Putz wasserdampfdurchlässig, kapillar leitfähig, wohnklimaregulierend und schadstoffabsorbierend. Durch die grobe Körnung  kann er als Unterputz bzw. als Ausgleichsputz mit höheren Putzdicken eingesetzt werden und ist ein idealer Untergrund für Lehmfeinputz. Wenn eine raue Oberflächenstruktur erwünscht ist, kann Lehmputz auch als Oberputz verwendet werden.
 
KalkGlätte

Mineralspachtel auf Kalkbasis mit Glanzvermögen für anspruchsvolle, natürliche, charakteristische Spachteltechniken im Innenbereich nach historischem Vorbild. Natürlicher, hoch diffusionsfähiger Werkstoff, besonders einsetzbar in Wohnbereichen mit hohen baubiologischen Anforderungen.
Eigenschaften: Mineralisch, diffusionsoffen, geruchsneutral, natürlich resistent gegen
Schimmel und Bakterien, stoß- und kratzfest, schmutz- und wasserabweisend je nach
gewünschter Nachbehandlung.
 
ReinkalkPutz

Hydraulischer, zementfreier Kalkputz als Unter- und Oberputz für den gesamten Wohnbereich zum Verputzen von Mauerwerk aller Art, raugeschaltem Beton usw. Geeignet für den Einsatz im baubiologisch orientierten Bereich oder zur Sanierung historischer Bauwerke. Lässt sich gleichermaßen mit Gips (im abgetrockneten Zustand), kalk- und zementhaltigen Produkten wie z.B. Edelputz, Silikatputz usw. beschichten. Durch den moderaten Festigkeitsaufbau der Kalkabbindung ergeben sich spannungsarme Putzflächen. Offene Beschichtungsoptionen für die gesamte Bauzeit, bis kurz vor dem Bezug und damit letztlich für die gesamte Lebensdauer des Bauwerkes.
 
Sumpfkalkputz

Der Name Sumpfkalk kommt von der sehr alten Technik des Ablöschens von Brandkalk zu gelöschtem Kalk durch Einsumpfen. Je nach Mischungsgrad gibt es verschiedene Benennungen: Sumpf- oder Fettkalk wird die zähe teigig-joghurtartige Suspension
genannt, die nur wenig Wasser enthält. Verdünnt man diese weiter, so spricht man von
Kalkschlämme und erhält dann eine breiig-milchige Kalkmilch, die als Kalkfarbe verwendet werden kann.
 
Sanierputz

Mineralischer und maschinengängiger Sanierputz für die Sanierung von feuchte- und salzbelastetem Mauerwerk, (z.B. bei Nitrat-, Chlorid- oder Sulfatbelastung) im Alt- und Neubaubereich für Räume mit starker Feuchtigkeitsbelastung (Waschküchen, öffentl. Duschen etc.). Zuverlässige Salzspeicherkapazität durch hohe Porosität infolge selbsttätiger Luftporenbildung durch patentierten Selfpor-Effekt, schnelle Feuchtigkeitsabführung aus dem Mauerwerk durch hohe Diffusionsoffenheit. Keine hässlichen Feuchte- und Salzflecken auf der Putzoberfläche durch wasserabweisende (hydrophobe) Eigenschaften. Aufgrund seiner feinen Körnung eignet er sich ideal für gefilzte Wandflächen und andere feine Strukturen.

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