Liebe Leserinnen und Leser!

Wir bauen. Im Bestand. In einem Land wie Deutschland mit einer wechselvollen Geschichte ist dieser vielfältig und spiegelt die gesellschaftlichen Umstände ebenso wie die gestalterischen und technischen Möglichkeiten der einzelnen Generationen wider. Und auch wenn jeder seine persönlichen Vorlieben für bestimmte Epochen und Architekturstile haben mag, so liegt doch gerade in der Mannigfaltigkeit, dem Neben-, wenn nicht sogar Miteinander der Gebäude ein spezieller Reiz und die besondere Charakteristik unserer gebauten Umwelt. Mit jedem Neubau reihen wir uns also weiter ein und treffen eine Aussage zu unserem aktuellen Architekturverständnis. Ohne diese Beziehung zum Kontext ist Architektur kaum vorstell- und bewertbar. Und so stellte sich auch im Falle unseres Titelthemas die Frage, auf welcher Ebene wir das Thema von Alt und Neu diesmal betrachten wollen.

In der Diskussion mit unseren Heftpartnern, Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk von NKBAK aus Frankfurt a. M., waren wir uns schnell einig, dass es in erster Linie um ein „Bauen mit Bestand“ gehen sollte – ganz im zweideutigen Sinne dieser Aussage. Unabhängig von der einzelnen Bauaufgabe wollten wir Projekte zeigen, die in einen Dialog, in eine konkrete Auseinandersetzung mit bereits bestehender Bausubstanz treten, um damit im Sinne eines nachhaltigen Bauens etwas Neues mit Bestand zu schaffen. Wie dieses Ziel mit sehr unterschiedlichen, aus dem jeweiligen Kontext heraus entwickelten Maßnahmen vorbildlich erreicht wurde, zeigen die Projekte in dieser Ausgabe: Im urbanen Umfeld, nicht weit hinter dem Berliner Hauptbahnhof bauten Ortner & Ortner BAUKUNST ein bestehendes Werkstattgebäude mit geringen Eingriffen und einer zur Bauaufgabe passenden, rauen Ästhetik zur Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch um (S. 34ff.). In eine deutliche Auseinandersetzung mit der Substanz eines alten Bauernhauses begeben sich die belgischen Architekten Graux & Baeyens mit ihrem Umbau zu einem modernen Wohnhaus (S. 40ff.), wohingegen der kleine Handwerksbetrieb bei Bruneck von Stifter + Bachmann den Altbestand kaum mehr erahnen lässt (S. 28ff.). Und NKBAK? Ausgewählt haben wir ihr Projekt Stylepark, bei dem für die Architekten ganz klar die Themen „Sichtbar machen“ und „Weiterbauen“ entwurfsbestimmend waren. Durch die Integration der bestehenden Friedhofsmauer wird die eigentliche Rückseite zur Schauseite, die Alt und Neu gekonnt verwebt (S. 22ff.).

Darüber hinaus liegt in unseren Bautechnik-Beiträgen das Augenmerk auf dem Umgang mit dem Bauteil Fassade. Im Beitrag von Jessica Borchardt gehen wir der Frage nach, wie eine Translozierung ganzer Fassaden gelingen kann (S. 46ff.) und der Fachausschuss Baudichtstoffe gibt Hilfestellung bei der Planung von Bewegungsfugen in Fassaden (S. 50f.). Nach neun Jahren und 51 Beiträgen lesen Sie in dieser Ausgabe das letzte Mal die Bauschäden von Prof. Dr.-Ing. Marc Göbelsmann. Wir bedanken uns bei ihm ganz herzlich für sein Engagement und werden die Reihe im nächsten Jahr mit Beiträgen von Dr.-Ing. Ralf Fischinger fortsetzen. Ergänzend finden Sie in unserer Jahresendausgabe auch wieder den Sonderteil „Klimagerechtes Bauen“ – dieses Mal mit einem Beitrag über die Sanierung einer Bestands- zu einer Plusenergieschule in Detmold von pape oder semke Architekten (S. 62ff.), dem vierten und letzten Beitrag aus der Serie Luftdichtes Bauen (S. 68ff.) sowie dem ersten Beitrag aus einer neuen Serie zur Ökobilanzierung von Gebäuden (S. 72ff.).

Wir wünschen eine anregende Lektüre und kommen Sie gut ins neue Jahr. Wir freuen uns auf Sie in 2020!

Ihre Katja Reich samt DBZ Redaktion

Ein Weiterbauen unter der Einbeziehung von Zeitschichten und dem vorhandenen Kontext ist maßgeblich für unsere heutige Zeit.
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