Interview

"Kondensat auf dem Eis – das geht gar nicht!"
Im Gespräch mit Björn Röhle von Transsolar, Stuttgart,www.transsolar.com

Eisschnelllaufhallen verbrauchen allein für's Kühlen und Heizen sehr viel Energie. Die Arena in Inzell kommt mit fast einem Drittel weniger aus. Wie geht das? Björn Röhle von Transsolar Energietechnik über lichtlenkende Sheds, Kälte­schirme, schnelles Eis und die Nasenschleim­häute der Läufer.

DBZ: In der Max Aicher Arena drehen die Läufer meist bei Tageslicht ihre Runden. Das ist ungewöhnlich für eine Eisschnelllaufhalle. Ist das Licht keine Gefahr für das Eis?

Röhle: Nur, wenn es direkt auf´s Eis fällt. Dann kann die Oberfläche antauen und das Eis wird zu langsam für die Läufer. Die weiten Dachüberstände verhindern einen direkten Lichteinfall aber weitgehend. Zudem filtern die riesigen Sheds blendfreies Nordlicht in die Halle. Zwar gelangt so auch direktes Licht herein, es trifft aber auf Dachflächen oder Tribünen, nicht auf die Eisbahn. Das konnten wir im Vorfeld durch Tageslichtsimulationen ausschließen.


DBZ: Unterm Strich braucht die Halle dadurch tagsüber kaum Kunstlicht.

R: Wenn die Sonne scheint und es nicht zu dunkel draußen ist, hat man über weite Teile des Jahres eine Belichtung von 200 bis 300 Lux. Das reicht für die Zuschauer, um gut zu sehen und auch für normale Runden auf dem Eis. Nur wenn die Profis trainieren oder Wettbewerbe anstehen, muss Kunstlicht zugeschaltet werden. Aber das kommt ja nicht so häufig vor.


DBZ: Herkömmliche Eissporthallen benötigen außerdem gewaltige Mengen an Warmluft. Warum eigentlich?

R: Die -3 bis +5 Grad kalte Eisfläche kühlt über infraroten Strahlungsaustausch permanent alle anderen Oberflächen der Halle, vor allem das Dach. Die Oberflächen können so stark auskühlen, dass Wasserdampf in der Luft kondensiert. Besonders gefährdet sind die Dachflächen direkt über dem Eis: Tragende Teile aus Holz können durchfeuchten und Stahlkonstruktionen korrodieren. Im Extremfall tropft Kondensat nach unten auf die Eisfläche – für Eisschnelllauf ist das absolut inakzeptabel. Das Eis wird dann stumpf und langsam. Diese Nachteile lassen sich vermeiden, indem man die Hallenluft stark entfeuchtet.


DBZ: Zu trocken darf die Luft aber auch nicht sein.

R: Richtig. Unter 40 Prozent relativer Feuchte trocknen die Nasenschleimhäute der Fahrer zu sehr aus und beeinträchtigen ihre Leistungsfähigkeit. Man muss also einen Kompromiss finden zwischen optimaler Eisqualität und guten Bedingungen für die Sportler, dass sie vernünftig atmen und Sauerstoff aufnehmen können.

DBZ: Die Eispiste muss gekühlt, der Raum gleichzeitig beheizt und die Luft getrocknet werden. Kein Wunder, dass Eisschnelllaufhallen einen hohen Energiebedarf haben!

R: Ja, das ist ein großes Problem. Dach und Eisoberfläche stehen in einem permanenten Strahlungsaustausch. Das Eis kühlt also nicht nur das Dach, sondern die wärmere Dachoberfläche gibt anders­herum auch ständig Strahlungsenergie an die Eisbahn ab, die dort
weggekühlt werden muss. Das heißt: Wenn ich die Oberflächentemperaturen im Dach aufheize, muss ich unten mehr kühlen. Ich werde sozusagen doppelt bestraft, weil ich sowohl in Heizwärme investiere als auch in Kühlleistung. Das führt zu einem deutlich höheren Energieverbrauch und zu höheren Betriebskosten.


DBZ: Um die Konstruktion zu schützen, wurde das Dach mit einem textilen Kälteschirm bespannt. Wie funktioniert dieser Schirm?

R: Der Schirm hat eine metallische Beschichtung, die den Strahlungsaustausch stark minimiert. Denn Metalle verlieren, gemessen an ihrer Temperatur, im Vergleich zu schwarzen Oberflächen wenig Strahlungsenergie. Dadurch steigt die Temperatur des Schirms und der Dachkonstruktion. Und die Kälteleistung, die man für‘s Eis aufwenden muss, wird niedriger.


DBZ: Gleichzeitig verbessert der Textilschirm die Akustik.

R: Ja, der Schall wird zwischen Dach und Schirm reflektiert, läuft sich dort praktisch tot und verbessert so die Bedämpfung der Halle. Das ist wichtig, denn die Halle besteht fast nur aus schallharten Flächen: Sichtbeton, Glas und Eis. Bei einer reinen Trainingshalle wäre das egal. Aber die Halle fasst 7 000 Zuschauer, die Pfeifen und Tröten
haben und einen Stadionsprecher hören wollen. Wenn dort die Nachhallzeit nicht eingeschränkt wird, fällt ihnen das Ohr ab. Außerdem kann die Halle mit dieser Akustik auch in der eisfreien Zeit für Musik- oder Sportveranstaltungen genutzt werden.


DBZ: Ein wichtiger Punkt bei der Planung war die Trennung der Luftvolumenströme. Warum?

R: Vor allem wegen der besseren Luftqualität. Jeder in der Halle atmet feuchte Luft aus. Durch Jacken, Hosen und Mäntel sammelt sich zusätzlich Feuchtigkeit an. Diese feuchte Luft über den Tribünen soll sich möglichst nicht mit der Luft über dem Eis vermischen. Sonst könnte sich Kondensat bilden, auf das Eis tropfen und die Qualität der Oberfläche verschlechtern. Außerdem konnte durch die Trennung der Luftvolumenströme auf eine teure Entfeuchtung der Luft für die Tribünen verzichtet werden. Die Zuschauer brauchen keine getrocknete Luft, sondern nur Frischluft, die im Winter auf 18 bis 19 Grad aufgeheizt wird. Es gibt also zwei Lüftungsanlagen: Eine bläst Luft unter den Tribünenstufen durch Ritzen ein und saugt sie oberhalb der Tribüne wieder ab. Und die andere Anlage entfeuchtet die Luft oberhalb der Eisbahn: Die Zuluft wird am Innenrand der Bahn von oben eingeblasen und strömt nach außen in Richtung Tribüne ab.

DBZ: Spielt auch der Luftstrom der Eisläufer eine Rolle?

R: Ja, er unterstützt die Richtung der Luftströme noch. Wenn zwei oder drei Sportler vorbeisausen, spürt man auf der Tribüne einen richtigen Luftschwall. Die Läufer schieben die Luft durch ihren Fahrtwind wie eine Bugwelle nach außen.


DBZ: Trotz des klugen Klimakonzepts hat die Halle im Vergleich mit anderen Bauaufgaben einen hohen Energiebedarf. Wie werden Kälte und Wärme erzeugt?

R: Die Eiskälteerzeugung mit Schraubenverdichtern und Direktverdampfung in der Eisfeldberohrung wurde erst vor wenigen Jahren komplett überholt, dort bestand kein Handlungsbedarf. Aber die
enormen Abwärmemengen aus der Eiskälteerzeugung lassen sich nutzen! Bisher wurde die Abwärme ungenutzt an einen Bachlauf
abgegeben, nun wird sie über eine elektrische Wärmepumpe kostengünstig erschlossen. Aufgrund des hohen Temperaturniveaus der
Abwärme von 20 bis 25 Grad erwarten wir für die Wärmepumpe
eine hervorragende Jahresarbeitszahl.


DBZ: Um die Luft zu entfeuchten, braucht man aber noch höhere Temperaturen.

R: Ja, die Eisschnelllaufhalle ist mit einer adsorptiven Luftentfeuchtung ausgestattet, die ein Temperaturniveau von 80 bis 90 Grad benötigt. Um diese Temperaturen zu erreichen, wird ein Holzpelletkessel verwendet. Das Verfahren hat zwei Vorteile: Wir erreichen eine sehr hohe Entfeuchtungsleistung und können auf den primärener­getisch ungünstigen Einsatz von Strom verzichten. Im Vergleich mit anderen Eishallen liegt der Primärenergiebedarf der Halle rund 30 Prozent niedriger. Und das ohne Abstriche bei den Trainingsbedingungen. Im Gegenteil: Die Eisläufer mögen die Halle. Wer trainiert nicht gern bei Tageslicht?!

Herr Röhle, vielen Dank für das Gespräch …

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 06/2012

Die perfekte Welle Eisschnelllaufhalle Inzell-Max Aicher Arena

Das spektakulär am Fuße der Alpen gelegene Eisstadion existiert schon seit den 1960er Jahren. Um optimale Wettkampfbedingungen zu bieten, wurde die Eisschnelllaufbahn – bisher eine Außenanlage –...

mehr
Ausgabe 09/2020 Aktiv statt passiv

Fachklassentrakt Schubart-Gymnasium, Aalen

Schubert Gymnasium, Aalen - Liebel/Architekten BDA

Schon in ihrem Entwurf für den Schulersatzneubau, mit dem Liebel/Architekten und Transsolar den Wettbewerb für sich entscheiden konnten, hatten sie Nullenergie als Klimaziel anvisiert. Bei der...

mehr

Das „World Sports Building of The Year 2011“

Verantwortet von Behnisch Architekten, München, in Projektarbeitsgemeinschaft mit Pohl Architekten, Jena

Die Eisschnelllaufhalle “Max Aicher Arena“ in Inzell ist das „World Sports Building of The Year 2011“. Mit diesem Preis wurde das Gebäude, das Behnisch Architekten, München in...

mehr
Ausgabe 01/2021

Dipl.-Ing. Matthias Rammig, Transsolar. Transsolar war Heftpartner in DBZ 06 2014

„Es hat sich in der Ausnahmesituation der Pandemie gezeigt, dass die altbekannten Themen wie die natürliche Lüftung und die Tageslichtversorgung sinnvolle architektonische Parameter sind, die immer...

mehr
Ausgabe 05/2011

Passive Gewinne durch aktive Nutzer Verwaltungsgebäude in Nijverdal / NL

Transparenz und Offenheit Ein Gebäude, das fast nur durch die Kraft der Natur mit Energie versorgt wird, haben Architekten und Energieplaner im holländischen Nijverdal interdisziplinär geplant und...

mehr