Die perfekte Welle
Eisschnelllaufhalle Inzell-Max Aicher Arena
Wolke, Welle oder Landschaft aus Schnee? Das markante Dach der neuen Eisschnelllaufhalle in Inzell weckt vielfältige Assoziationen. Es dient nicht nur als weithin sichtbare Landmarke, sondern ist auch Hauptdarsteller eines ausgeklügelten Klima- und Energiekonzepts.
Das spektakulär am Fuße der Alpen gelegene Eisstadion existiert schon seit den 1960er Jahren. Um optimale Wettkampfbedingungen zu bieten, wurde die Eisschnelllaufbahn – bisher eine Außenanlage – modernisiert und mit einem markanten, weithin sichtbaren weißen Dach versehen. In weichen Schwüngen legt es sich über die Halle. Große sichelförmige Oberlichter ragen aus der Dachhaut und filtern Licht in den Innenraum. Die Halle vollständig mit Kunstlicht zu belichten, kam für Andreas Leupold, Projektleiter von Behnisch Architekten, nicht in Frage. Leupold kennt die Qualitäten des Ortes, er wuchs in Inzell auf und drehte schon als kleiner Junge im Eisstadion seine Runden. „Angesichts der grandiosen Landschaft wollten wir auf keinen Fall auf Tageslicht verzichten.“ Die 200 x 90 m große Halle ist im Innenraum stützenfrei gehalten. Fachwerkträger mit einer Spannweite von 82,5 m überbrücken die Eisbahn. 40 unterschiedlich lange, Stahlbetonstützen fangen die Lasten ab. Um die Spannweite zu reduzieren, wurden sie soweit wie möglich an die Zuschauerränge herangezogen. Die umlaufende Tribüne aus Stahlbeton bietet bei Wettkämpfen Platz für bis zu 7 000 Zuschauer. Das Holz- und Stahltragwerk des Daches ist raumseitig mit einem textilen Kälteschirm unterspannt, der die Konstruktion vor Feuchtigkeit und Korrosion schützt. Oberhalb der Ränge schiebt sich eine seitlich weiß verputzte, zur Eisbahn verglaste Box in die Halle. Hier sitzen die Zeitnehmer. Von außen wirkt die 17 000 m2 große Eislaufhalle nicht wie eine Großraumarena, sondern fügt sich in die Dorfumgebung ein.
Energiekonzept
Eisschnelllaufhallen verbrauchen extrem viel Energie: Die Eispiste muss gekühlt und die Halle gleichzeitig beheizt werden. Außerdem kann sich durch eine zu hohe Luftfeuchte Kondensat bilden, das Dachtragwerk angreifen und die Eisqualität gefährden. Um das zu verhindern, wird die Raumluft getrocknet. Trotz der hohen Anforderungen an das Raumklima liegt der Primärenergiebedarf 30 % unter dem herkömmlicher Eisschnelllaufhallen. Eine wichtige Rolle spielt der Einsatz von Tageslicht und der Schutz des Daches durch den Kälteschirm. Zudem wurden die Luftvolumenströme für Zuschauer und Sportler getrennt und eine adsorptive Luftentfeuchtung installiert.
Tageslichtkonzept
Durch die verglaste Fassade dringt Tageslicht in die Halle. Außerdem filtern 17 sechs Meter hohe und 40 m breite Sheds blendfreies Nordlicht in den Raum. In weiten Teilen des Jahres benötigt die Halle kaum Kunstlicht. Sportler und Trainer lieben die ungewohnten Lichtverhältnissen. Obwohl Sportler und Besucher von der Helligkeit profitieren: Für das Eis bedeutet direkte Sonne Gefahr, da es antauen und langsamer werden kann. Unterschiedlich weit auskragende Dachüberstände schützen die Eisfläche vor direktem Lichteinfall. 70 % der Glasfläche sind mit einem Punktraster bedeckt, das grelles Licht fernhält. Die Sheds wurden mit dreilagigen, lichtdurchlässigen ETFE-Kissen verschlossen, die den Wärmedurchgang verringern.
Kälteschirm
Das Kühlen der Eispiste verbraucht nicht nur viel Energie, die Kälte strahlt auch auf den Raum ab. Das -3 bis -5 Grad Celsius kalte Eis kühlt über infraroten Strahlungsaustausch die Luft und alle anderen Oberflächen. Die Folge: Die Raumluft kondensiert, an kalten Holzoberflächen bildet sich ein Feuchtefilm und durchfeuchtet die Konstruktion. Um das zu verhindern, wird in herkömmlichen Eisschnelllaufhallen ein Warmluftfön auf die Oberflächen geblasen. Behnisch Architekten fanden gemeinsam mit Transsolar eine intelligentere Lösung: einen textilen Kälteschirm. Die verwendete Membran, ein Silikonglasgewebe mit geringem Emissionsgrad (low-E), ist metallisch beschichtet und schützt die Holzflächen vor der Kältestrahlung des Eises. Gleichzeitig verteilt sie das Licht im Raum und verdeckt das Gewirr aus Lüftungskanälen an der Hallendecke. Als Schallabsorber sorgt die Membran trotz der vielen schallharten Flächen – Beton, Glas und Eis – für eine angenehme, DIN-gerechte Akustik, selbst bei vollbesetzten Rängen. Dank der vergleichsweise kurzen Nachhallzeiten kann die Halle auch in der eisfreien Zeit für Musik- oder andere Sportveranstaltungen genutzt werden.
Dachtragwerk
Wegen des extrem weichen Baugrunds kam nur ein Tragwerk in Frage, dass keine Horizontallasten an den Auflagern erzeugt. Man entschied sich für einen Balken, der aus bis zu 82,5 m langen und 9 m hohen Fachwerkträgern und beidseitig bis zu 11,5 m langen Kragarmen besteht. Obergurt und Druckpfosten des Fachwerks wurden als blockverleimte Holzquerschnitte ausgeführt, Untergurt und Zugdiagonalen in Stahl. Wegen der geforderten lichten Raumhöhen sind Ober- und Untergurt nach oben gekrümmt. In den Kurven kamen Vollwandträger aus blockverleimtem Brettschichtholz zum Einsatz. Die Verbindung zwischen Dachtragwerk und Stützen stellte die Statiker vor eine besondere Herausforderung: Denn bei hohen Schneelasten bewegt sich das gesamte Dach bis zu 12 cm nach außen und 6 cm zur Seite. Man verwendete schließlich Kalottengleitlager aus Teflon, wie man sie aus dem Brückenbau kennt. Die umlaufende Glasfassade ist starr an die Stahlbetonstützen gekoppelt.
Das markante Vordach mit seinem runden Dachrand besteht aus BSH-Schleppträgern, zwischen deren Enden Kastenträger aus Stahl montiert sind. Über die Holzunterkonstruktion wurde eine Dachrandfolie gespannt. Die Entwässerung liegt hinterm Dachrand in der Dachfläche versenkt. Die Oberlichter sind wie eigene kleine Bauwerke aus Druckbogen und Zugband konstruiert. Jedes der 17 Sheds wurde samt Kissen und Notabdichtung am Boden vormontiert und per Kran aufs Dach gehoben.
Mit ihrem markant gewellten Dach verknüpft die Max Aicher Arena Ingenieurskunst, anspruchsvolle Architektur und intelligente Klimaplanung.