Verschnitt gegen die Abholzung

Eine Kolumne von Josepha Landes, Berlin.

Der Duft von verbranntem Plastik hängt in der Luft, die Fugen zwischen den Dielen des Arbeitsraums sind ge­spickt mit Löckchen, mit Bröckchen in Babyblau und Rosa, in sanftem Gelb. „Zisch“ und „Poing“, wenn der Draht vor Überhitzung ein ums andere Mal reißt. Ein Kuddelmuddel auf der winzigen Spule, der sich – Herrgott! – nicht entwirren lässt. Modellbau in Perfektion sieht anders aus, als mein Einsatz am Styrocut es je war.

Gleichwohl, allem Scheitern liegt ein Zauber inne: ­Styrodur-Haufen, in Bananenkisten gestapelte, verkantete, vergessene Wür­fel, unförmige Reststücke, Häuschenverschnitte, bieten Material für Welten fernab des Planbaren. Abenteuerliche Überhänge, Negativgebilde, Maßstabsprünge – das Stadtmodell, zusammengepuzzelt aus meinen Versuchen am heißen Draht wäre bunter, gewagter und vor allem größer – eher so Maßstab Shanghai – als alle gelungenen Schnitte, polierten Entwürfe neben denen ich mit stolz geschwellter Brust in Präsentationen stand – eher so Maßstab Dresden Zschertnitz.

Das Material der Wahl für das Experimentieren beim Modellbauen sind Wärmedämmverbundplatten. Der Normalbastelnde besorgt sich seinen Stoff im Baumarkt, Vermögendere im Modellbauladen. Am unteren Ende des Spektrums finden sich die Baustellen-Diebe. Wo die Ersten meist grün schnitzen, die zweiten blau oder weiß, muss den Letzten die Farbe ihrer Beute egal sein dürfen.

Farbe hin oder her, ein ernstzunehmendes Präsentationsmodell ist nie aus Styrodur – ich begriff das viel zu spät. Hatte soeben herausgefunden, wie der Draht exakt die Winkel schnitt, die mir vorschwebten, als die Kommilitonen einen Zacken zulegten: Aus Holz, Beton, gar Stahl gefertigte Modelle waren fortan an der Tagesordnung – aber keine aus Styrodur. Dieses federleichte, stinkend, gleichsam dankbar sich in unseren Händen formende Material verließ fortan unsere Arbeitsräume nur noch selten, zu Zwischenpräsentationen.

Doch nun verzeichne ich eine Kehrtwende: In städtebaulichen Wettbewerben der jüngsten Generation, sogenannten Werkstattverfahren, ist der farbenfrohe Schaumstoff neuerlich en vogue – Kaum etwas vermag den Zwischenstand-Charakter, das „Lass uns reden“ besser darzustellen als eine Assemblage aus Blähplaste in weiß, blau, grün. Ein Haus weniger? Nicht schlimm – es ist ja bloß aus Styrodur.

Mit Holz ist es fast wie mit Brot: Man schmeißt es nicht weg. Es stapeln sich die Modelle der Vergangenheit, verstauben, verspinnern. Verschnitte sind noch ärgerlicher in Birke, Fichte, Nussbaum, als in Styro, denn Styro hat keine Seele. Außerdem, wer aus Holz baut, der ist fertig mit Denken. Mit Styrodur denken wir beim Modellbau, immerfort. Das Material versinnbildlicht auch den Stand der Welt viel besser: verschwenderisch, veränderlich, verachtenswert.

Architektur ist ein Handwerk des Überschusses – wir verbrauchen von allem viel zu viel bevor uns etwas genügt. Styrodur legt in dieser Hinsicht eine entwaffnende Ehrlichkeit an den Tag – trial and error. Müll zu Müll – und trotz seiner Umwelt-, Gesundheits-, Dielenfugen-schädlichen Eigenschaften breche ich die Lanze. Wärmedämmverbundplatten in die Arbeitsräume statt an die Fassaden!


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