Iwan Baan reist um die Welt und zeigt davon Fotografien in Herford
marta-herford.de

„Es geht dann nicht nur so sehr um diese perfekte Ecke oder dieses Detail, etwas, von dem Architekten oft nahezu besessen sind“, so der Fotograf Iwan Baan in einem Interview. Worum es ihm in seiner Fotografie geht beantwortet er im Folgenden in aller Kürze, doch davon soll hier nichts stehen. Denn das, worum es dem Niederländer ohne ständigen Wohnsitz, dem nomadisierenden Beobachter der menschenbelebten Welt geht, zeigt er in seinen Fotografien. Und die kann man sich noch bis Ende März im MARTa im ostwestfälischen Herford anschauen.

In „52 Wochen, 52 Städte“, so der Titel der Ausstellung und auch des Fotoprojektes, das Iwan Baan mit den Herfordern realisierte, werden wir auf eine einjährige Fotoreise um die Welt mit genommen. Eigentlich im Auftrag von Architekten wie Rem Koolhas, Herzog & de Meuron, Toyo Ito, Zaha Hadid, Saunders Architecture, Sou Fujimoto, SANAA oder Künstlern wie Anish Kapoor unterwegs, hat der 38-Jährige, der noch nicht lange in der Szene bekannt ist, immer auch andere Projekte vor Augen; die er dann gleichsam vom Rande der Auftragsarbeit mit nimmt.

Die Bauten der Stars fotografiert er mit einem anderen Blick als seine deutschen KollegInnen beispielsweise. Ihm ist die subjektive Fotografie, die eine breite Strömung in der Architekturfotografie der Niederlande ist, selbstverständliches Mittel der Darstellung von Raum: Maßstäblichkeit, Zeit-/Raumdimension, kulturelle Verortung und natürlich der Bezug zu dem, der die Architektur nutzt. Wie würde er Landschaft fotografieren?

Neben den Architekturaufnahmen, deren dokumentarische Dimension entweder durch ästhetisierende Inszenierung oder einen extremen Standpunkt gebrochen wird, gibt es auch die Exotik der auf den Gebrauch fokussierten Architekturen, die sich aus dem Notwendigen und den nächsten Möglichkeiten ergeben: günstigem Baumaterial beispielsweise, einem (meist illegalen) Ort, einer in gleicher Weise beeinträchtigten (befreiten?) Gemeinschaft. Iwan Baans Fotoprojekt über die Besetzung des Torre David im venezuelanischen Caracas durch die Ärmsten der Armen gewann als Projekt von Urban Think Tank auf der Architekturbiennale in Venedig 2012 den Goldenen Löwen als bester Beitrag. Solche und andere Geschichten verweisen unsere Gewissheiten über die genormten Voraussetzung von Glück und Zufriedenheit auf lächerlich erscheinende Positionen.

Dass Iwan Baan „unser Bild der Architektur wie kein Zweiter“ (Süddeutsche Zeitung) geprägt hat, dass er, wie im Katalog geschrieben wird, „zum fotografischen Medium der zeitgenössischen Architektur geworden“ ist liegt am Hunger der Stars nach dem Neuen Blick auf ihre Erfindungen des (scheinbar) immer Neuen. Dass in diesen Einschätzungen impliziert ist, dass unser Bild vom Gebauten sich in den Bildern der Avantgardearchitektur realisiert, fällt auf uns zurück. Und bestimmt  sind es gerade die Bilder, die neben der Wiedergabe der Highend-Arbeiten des internatio­nalen Architekturzirkusses auf den Chip gebannt werden, die jetzt schon und in Zukunft das Œuvre Iwan Baans über die Jahre hin wertvoll machen: Bilder von Menschen ganz am Rande oder Bilder von Landschaft, in welcher ganz wörtlich das Gebaute ebenfalls und ganz anders am Rande aufscheint.

Die Reise um die Welt in 52 Wochen über 52 Städte wird unspektakulär schlicht in Reihe gehängt präsentiert. Über kurze Notizen des Fotografen, mal sehr kurz dann wieder länger und alles andere als theoretisch tiefschürfend kommentiert, kann man die Reise durch die gebaute Welt seitschrittweise vollziehen. Oder von hier nach gegenüber sich leiten lassen. Das in der Ausstellung gezeigte Video vertieft die Fotooberflächen um weitere Anmerkungen des Fotografen zu Einzelnem, zu Absichten und persönlichen Hintergründen. Der langsame Erzählmonolog wird geschlossen durch den resümierenden Verweis auf die Anmerkung einer Freundin, nach der es „diese Pest von Gleichheit gibt, die die menschliche Freude abtötet.“ Er, Iwan Baan, sei da ganz ihrer Meinung. Be. K.

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