Interview

Interview: Integrales Arbeiten
Technologiezentrum Bosch Siemens in Berlin, www.gewers-pudewill.com

Die DBZ im Gespräch mit den Architekten Georg Gewers und Henry Pudewill sowie dem Ingenieur Thomas Liebert über das Energiekonzept des Technologiezentrums in Berlin


Herr Gewers, Herr Pudewill – Was war das Besondere bei der Entwicklung des Technologiezentrums in Berlin?

Gewers: Es gibt ja schon längere Zeit den Begriff des integrierten Designteams, doch dieses Projekt ist wirklich von Anfang an in einer engen Zusammenarbeit entwickelt worden.

Pudewill: Normalerweise hat ein Projektentwickler mit einem auf einen ganz bestimmten Nutzer maßgeschneiderten Sondergebäude ein Problem: Was mache ich denn, wenn dieser nach 10 oder 15 Jahren dort rausgeht? Hier sagten sich aber wirklich alle, wir machen das Gebäude so gut, dass der Nutzer dort einfach nicht mehr rausgehen will. Doch wer kann sagen, wie Forschung und Entwicklung in 10 Jahren aussehen werden. Dafür brauchte es eine Gebäudestruktur, eine Typologie, die einerseits maßgeschneidert und andererseits flexibel ist.


Herr Liebert – Wie stellte sich die Situation für den Ingenieur dar?

Liebert: Wir wussten zu Beginn nur, dass wir ungefähr 1 000 Waschmaschinen wo auch immer haben und noch dazu etwa 300 Trockner. Damit hatten wir ein riesiges Potential an Energielieferer, das wir nutzen wollten. Der Nutzer sagte uns aber, dass man das Abwasser nicht nutzen könnte, da man die Flusen nicht ausreichend aus dem Abwasser filtern könnte. Wir fanden dafür eine Lösung und konnten damit die Abwasserwärme nutzen. Dazu kam dann noch die Abluft der Wäschetrockner: Wir haben so viele Wäschetrockner, die liefern so viel Wärme, die wir über Luftabwärmepumpen auch nutzen können. Dies alles konnten wir in einer ersten Machbarkeitsstudie untersuchen und in die Entwicklung des Projekts einbringen.


Herr Pudewill, Sie sprachen die Typologie an. Gibt es überhaupt noch eine Typologie von Laborgebäuden? Früher glichen sie sich sehr, aber heute scheinen die jeweiligen spezifischen Anforderungen sehr unterschiedliche Gebäude hervorzubringen.

Pudewill: Ja, da haben sie recht. Wir merken bei unseren Projekten immer wieder, dass selbst ihre Nutzer oft nicht mehr sicher sind, ob es sich nun hier eher um eine Werkstatt, einen Vorbereitungsraum oder um ein Labor handeln soll. Und wenn es ein Labor ist, welche Sicherheitseinstufung von 1 bis 4 dafür erforderlich ist. Grundsätzlich kann man sagen, dass heute die anwendungsorientierte Forschung eine viel höhere Flexibilität verlangt als es beim klassischen Labor­gebäude der Fall war. Die Plätze für die Auswertung der Untersuchun­gen sind so heute immer häufiger unmittelbar neben dem Laborplatz positioniert und zugleich spielt dort auch die Kommunikation eine größere Rolle als früher.


Im Industrie- und Gewerbebereich ist das Kühlen oft mehr ein Problem als das Heizen. Ist es heute nicht möglich, noch stärker die Abwärme zu nutzen und sogar zu Energielieferanten zu werden?

Pudewill: In der Tat hat man dort heute mehr Probleme mit der Kühlung als mit der Heizung. Und immer mehr Nutzer sind interessiert ihre Abwärme intelligent zu nutzen. Die Entwicklungen in diesem Bereich sind heute rasant. Dreifachverglasungen waren z. B. noch vor wenigen Jahren als Standard undenkbar, heute sind sie Standard. Und wenn sich in Sachen Abwärme mehrere Nutzer miteinander vernetzen, können heute erhebliche Mengen an Energie eingespart werden.

Gewers: Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel, dass energieeffizientes Bauen heute schon absolut marktfähig ist. Hier wurde nichts gefördert. Hier wurden alle Energieeinsparungen aus Überzeugung ohne Subventionen verwirklicht.

Liebert: Wir sind bei diesem Projekt betreffend der Heizenergie schon im Bereich eines Plusenergiehauses. Wir haben hier sogar noch mehr Abwärme, für die wir auch einen Abnehmer gesucht haben, aber leider haben noch keinen in der Nähe gefunden.


Bedeutet dies nun, dass wir in diesem Bereich keine Subventionen mehr benötigen, Herr Liebert? Sie definieren ja dezidiert Nachhaltigkeit nicht nur ökologisch, sondern gerade auch wirtschaftlich.

Liebert: Genau, wenn sich eine Technologie nicht selbst trägt, kann man sie nicht wirklich nachhaltig nennen. Denn nachhaltig bedeutet für mich nicht nur ökologische Aspekte, sondern auch wirtschaftliche. Und es gibt heute bereits genügend Systeme, die ohne größere Förderungen Nachhaltigkeit ermöglichen.

Pudewill: Dass sehe ich anders. Bei vielen Technologien waren zuerst Prototypen nötig, die zumeist nicht schon zu Beginn wirtschaftlich waren, die eine Anschubfinanzierung benötigten nach der Art, dass eine Generation den Baum pflanzt, der vielleicht erst der nächsten Generation zu Gute kommt.

Gewers: Und man lernt auch dazu. Vor 15 Jahren waren Greenbuildings Gebäude mit Doppelglasfassaden, die sich jedoch nach den Untersuchungen von Prof. Norbert Fisch nicht als „Energiegewinnfassaden“ erwiesen haben. Die Ergebnisse sind oft niederschmetternd, nur wenige haben sich bewährt. Oder vor 10 oder 15 Jahren wurden mit der Begründung des Energiesparens unzählige gläserne Atrien gebaut. Wer baut sie heute noch?

Liebert: Ich möchte nicht missverstanden werden. Ich bin für Entwicklungen und die müssen oft zu Beginn gefördert werden. Doch wenn eine Technologie wie etwa Wärmepumpen oder Photovoltaik funktioniert, sollten andere Technologien gefördert werden, die uns wieder einen oder zwei Schritte weiterbringen. Bewusst nennen wir uns nicht Haustechniker, sondern Versorgungstechniker. Haustechnik ist Standard, ist Heizungs-, Klima- und Kältetechnik. Wir verstehen uns aber auch auf Prozesstechnik. Denn nur, wenn ich die Prozesse in einem Haus verstanden habe, kann ich wirklich die Technologien effizient einsetzen.


Beim Technologiezentrum fällt auf, dass fast überall auf abgehängte Decken und Verkleidungen der Versorgungsstränge verzichtet wurde. War das Programm oder eher eine Folge des Budgets?

Pudewill: Es war schon mehr Programm. Schaut man sich alte Kraft­­werke an, dann hat man damals oft mit viel Überlegung und Liebe zum Detail Schächte, Schalter und Leitungsführungen angelegt. Heute dagegen ist für viele Installateure rücksichtslos die kürzeste Verbindung die Regel, zumal danach meistens  noch mit Gipskarton verkleidet wird. Wenn es aber später zu Problemen kommt, muss aufwendig demontiert werden. Unverkleidete Leitungen disziplinieren und sind leichter zu verändern. Heute gewinnen man den Eindruck, dass die Mittel der Architekten für noch nachhaltigere Architekturen weitgehend ausgereizt sind, dass eher die Ingenieure und die Industrie die Entwicklung voranbringen.

Gewers: Wir Architekten haben sehr viele Möglichkeiten hinsichtlich der Konzeptionen z.B. Volumen, Oberflächen, Positionierung und Materialien. Klar, benötigen wir die Ingenieure, die ihren Teil einbringen. Wir müssen unsere eigenen Grenzen erkennen, und dass durch Teamarbeit mehr zu erreichen ist. Architekten sind Generalisten, die u.a. für bessere Arbeitsabläufe zuständig sind, was auch Energien einsparen hilft. Gerade hinsichtlich der Nachhaltigkeit müssen wir viel stärker den menschlichen Faktor berücksichtigen und der kann z.B. in verschiedenen Ländern unterschiedlich sein, z.B in Großbritannien, Deutschland oder Italien sind die Einstellungen zum Großraumbüro und zur individuellen Lüftung sehr unterschiedlich.

Liebert: Ihrer Aussage kann man absolut zustimmen, aber es braucht auch die Architekten, die bereit sind gemeinsam in einem Team die beste Lösung zu entwickeln und zu realisieren. Heute haben die Wärmetauscher und –pumpen ein so hohes Niveau erreicht, dass man sagen kann: Sie sind weitgehend ausgereizt. Das Hauptproblem ist immer mehr die Speichertechnik, das heißt die Bereitstellung von Energie für den Moment, wenn ich sie wirklich brauche.


Vor 10 Jahren war vor allem Gebäudeautomation das Thema, wenn es um energieeffiziente Gebäude ging. Heute hat man den Eindruck, dass man eher weniger aufwendige Lösungen zu finden versucht und die Automation reduziert.

Liebert: Das stimmt. Ich war auch schon immer ein Freund minimalistischer Technik mittels integraler Planung entgegen nachträglicher technischer Aufrüstungen. Man braucht in unseren Breiten keine große Automation. Mit intelligenten Konzeptionen und Systemen kann man viele Probleme bewältigen. Zum Beispiel ist Nachtaus­kühlung nur dann sinnvoll, wenn man ohnehin eine Lüftungsanlage benötigt, was aber immer eine höhere Investition bedeutet. Und nachhaltig kann immer nur eine Lösung sein, die auch wirtschaftlich effizient ist.

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