SMART BUILDING

Integrierte Systeme planen

Auch wenn heute schon viele intelligente Systeme in Gebäuden eingesetzt werden und funktionieren, so besteht doch Optimierungsbedarf für zukünftige Anforderungen

Intelligente Gebäude sind aktuell schon gebaute Wirklichkeit in den verschiedensten Facetten. Denn: Technologien der Sensorik, Aktorik und Kommunikation haben schon lange ihren Einzug auch in Gebäude gehalten. Immer weiter werden Systeme und Leistungen miteinander vernetzt, was sich notwendigerweise auch in der Interaktion von intelligenten Gebäuden mit ihrer Umgebung und anderen Sektoren, wie beispielsweise der Mobilität oder Energieversorgung, niederschlägt. Hierbei kommen auf den Nutzer, die Anbieter neuer Technologien und Dienste sowie auf Betreiber und Bauherrn neue Fragen zu, wie insbesondere die der ­Sicherheit von Systemen und Daten.

Im Allgemeinen haben intelligente Systeme Möglichkeiten, um eine Situation auf der Basis von Daten zu beschreiben, zu analysieren und Entscheidungen abzuleiten. Hierfür beinhalten sie Funktionen zum Erfassen, Auslösen sowie Steuern – um letztlich intelligente Handlungen durchzuführen. Dies trifft selbstverständlich auch auf intelligente Gebäude als Gesamtsystem zu, in denen bereits unzählige Sensoren verbaut, mittels Automation Daten verarbeitet und mit technischer Ausrüs-tung Anpassungen im Betrieb vorgenommen werden. Aus dieser Möglich­-

keit, Daten auszutauschen, zuvor autarke Subsysteme miteinander verknüpfen und dem Nutzer ein Feedback geben zu können, ergeben sich immer neue Dienste: für das Wohnen und ­Arbeiten in Gebäuden genauso wie ­­

für deren Betrieb und Instandhaltung.

Für die Ermöglichung intelligenter ­Gebäudesysteme sind einige Notwendigkeiten und Herausforderungen ­offensichtlich.

 

1. Interoperabilität

Die Sensor- und Aktorsysteme müssen einander verstehen – d. h. sie müssen sich sowohl identifizieren als auch ihre generierten Daten verstehen können. ­

In der Konsequenz bedeutet dies, dass es eine gemeinsame Sprache der Beschreibung geben muss, sofern eine Kommunikation der einzelnen Bestandteile erwünscht ist. Und nur mit dieser kann ein Gebäude auch intelligent werden. Eine bunte Vielfalt an proprietären Protokollen steht einer solchen Lösung letztlich im Weg.

Es muss beispielsweise möglich sein, dass sich Beleuchtungs-, Fassaden- und Heizungssteuerung über geeignete Sensorsignale für die gemeinsame Steuerung austauschen können. Derzeit benötigen wir für jedes der Systeme eigene Signale, um z. B. auf solare Einstrahlung zu reagieren. Eine Heizung reagiert mit ihrem Lufttemperatursensor viel zu spät und zu träge auf erhöhte Wärmestrahlung. Dies würde durch ein rechtzeitiges Aktivieren des Sonnenschutzes vermieden. Die resultierende Beleuchtungsstärke ist wiederum eine Interaktion ­zwischen Tageslichtsteuerung und künstlicher Beleuchtungskontrolle. Die separate Betrachtung der Subsysteme führt zu einer kaum handhabbaren Vielfalt an Sensoren und Protokolle – weder bei ihrer Implementierung, noch bei der Wartung. Die Integration von Summengrößen, wie Äquivalenttemperatur oder vertikaler Beleuchtungsgrößen am Arbeitsplatz, sollte hier bei gut abgestimmten Schnittstellen intelligente ­Lösungen ermöglichen.

 

2. Kompatibilität

Wir bauen Gebäude, damit wir sie über einen sehr langen Zeitraum nutzen. Die Investitionskosten sind hoch – entsprechend lang muss auch ihr Lebenszyklus sein. Dem gegenüber stehen sehr kurze Innovationszyklen von digitalen Produkten. Für zukunftsfähige intelligente Gebäude ist es daher ungemein wichtig, dass neue Komponenten und ­Lösungen kompatibel zu bereits verbauten Systemen sind. Solange also die Herausforderung der Interopera­bilität nicht adressiert wird, wird auch die Kompatibilität nicht zufriedenstellend gelöst werden können.

Dies betrifft nicht nur die Implemen­tierung neuer Komponenten, sondern ebenfalls die Dokumentation der Bestandssysteme. Hier kommen neue Möglichkeiten durch die zunehmende Digitalisierung der Planung, aber auch der Bestandserfassung zum Tragen. Für den Digitalen Zwilling eines Gebäudes werden aktuell sowohl Werkzeuge für das CAFM (Computer Aided Facility Management) erarbeitet, die die sukzessive Annotation von Bestandskomponenten im virtuellen Abbild ermöglichen, als auch Methoden der künstlichen Intelligenz weiterentwickelt. Beispielsweise entwickeln wir am Fraunhofer IBP semantische Datenmodelle, die die vielfältigen Nutzereingaben interpretieren und sie den Gebäudesystemen korrekt zuordnen können sowie eine für die unterschiedlichsten Anwender passende Ausgabe ermöglichen.

 

3. Topologie

In der Natur von Gebäuden liegt es immobil zu sein und damit eine Topologie zu definieren. Diese planen wir im Vorfeld und werden auch dies zunehmend digital, beispielsweise mittels Building Information Modeling (BIM), bewerkstelligen. Künftig soll also bereits am Computer „virtuell gebaut“ werden. ­Anvisiert wird schließlich die vollständige Übereinstimmung von Modell und Wirklichkeit. In diesem virtuellen Gebäudezwilling (Digital Twin) werden sich auch die intelligenten Komponenten verorten und mittels der erfassten Umgebungseinflüsse nicht nur adaptiv, sondern prädiktiv reagieren oder dem Betreiber/Nutzer Handlungen vorschlagen können. Eine digitale und kompa­tible Beschreibung sowohl der verbauten Systeme, als auch ihrer Logiken wird also ein weiterer wichtiger Schritt sein.

Während es bereits üblich ist, dass Produkte digital beschrieben werden und damit auch maschinenlesbar mit einem Planungsinstrument verknüpft werden können, ist es noch ein erheblicher Aufwand für Hersteller, passende Modelle für die unterschiedlichen Werkzeuge bereitzuhalten. Hierfür ist eine Harmonisierung der digitalen Produktbeschreibungen erforderlich. Darüber hin­aus fehlt jedoch auch eine abstrakte Beschreibung ihrer Funktion, so dass die für das intelligente Gebäude notwendige Auslegung auch im Zusammenspiel der Systeme erfolgen kann. Am Energie Campus in Nürnberg befasst sich das Fraunhofer IBP derzeit mit der maschinenlesbaren Formulierung von Reglern, so dass schon während der digitalen Planung die Regelung der Komponenten in der Be­-

messung berücksichtigt werden kann. Dies hilft uns dann später auch bei der Datenanalyse im Betrieb, um Fehler und Optimierungspotentiale in den Anlagen aufzudecken.

 

4. Flexibilität

Entsprechend der schon angesprochenen schnellen Innovationszyklen kann es durchaus vorkommen, dass schon kurz nach der Inbetriebnahme von Gebäuden Technologien zum Einsatz kommen können, die bei der Planung noch gar nicht bekannt waren. Die Herausforderung ist also, dass wir intelligente Gebäude mit einer solchen Infrastruktur versehen, die flexibel auf die noch kommenden Technologien reagieren kann und den möglichen künftigen Lösungsraum für den Bauherrn und Nutzer nicht von vornherein einschränkt.

Ebenso werden intelligente Gebäude sehr eng miteinander und mit anderen Sektoren verknüpft sein. Während Plusenergiehäuser schon seit einiger Zeit umsetzbar sind, ist ihr Potential für ein flexibles Energiesystem und die Verknüpfung mit Mobilitätsangeboten noch längst nicht ausgereizt. Im Living Lab in Wuppertal steht bereits eine kleine Siedlung von Einfamilienhäusern auf Plusenergie-Niveau. Dort begleitet das Fraunhofer IBP beispielsweise deren Interaktion in einem gemeinsamen Energienetz. Auch dieses wird auf das Angebot intelligenter Gebäude reagieren und damit neue Technologien und Leistungen ermöglichen. Ein weiteres Beispiel ist die flexible Interaktion des Gebäudes mit der Produktion in der digitalen Fabrik. Auch dort entstehen durch die Digitalisierung eine Vielzahl an Innovationen – die Verknüpfung mit dem Gebäude, z.B. für die Bereitstellung ergonomischer Arbeitsumgebungen, steht dabei erst am Anfang. Ein Kriterium wird also nicht die mögliche Interaktion mit solchen Systemen sein, sondern auch die Flexibilität die damit möglichen Leistungen und
Dienste mit zu gestalten.

5. Sicherheit

Die Kommunikation ist für intelligente Gebäude eine unerlässliche Voraussetzung. Diese geschieht notwendigerweise zwischen Bestandteilen über deren Schnittstellen sowie mittels Daten. Dies führt unmittelbar zu dem Erfordernis einer sicheren Kommunikation – sowohl, um eine unerwünschte oder gar unerlaubte Verarbeitung der Daten zu unterbinden, als auch, um ein Eingreifen in das System durch Unbefugte zu verhindern. Derzeit zeichnet sich eine wesentliche Evolution bei intelligenten Gebäuden ab: von den eher abgegrenzten Einzelsystemen hin zu einem vernetzten Gesamtsystem. Die Notwendigkeit der Sicherheit von Daten, Komponenten und auch Algorithmen bekommt damit eine neue Dimension, da sich eine Kontrolle nicht mehr in einem scheinbar überschaubaren Rahmen bewegt. Um für diese Fragestellungen auch künftig gewappnet zu sein, wurde mit dem Industrial Data Space bei Fraunhofer eine Referenzarchitektur für einen sicheren Datenraum geschaffen, der es Unternehmen ermöglicht, ihre Daten souverän zu verwerten. Dieser bildet auch die Grundlage für die Arbeiten am Fraunhofer-Leistungszentrum „Sichere Vernetzte Systeme“, in dem für das Anwendungsfeld der intelligenten Gebäude die Herausforderungen der Sicherheit an vorderster Stelle stehen.

Intelligente Gebäude sind heute schon Wirklichkeit. Um die Grenzen der Fiktion aufzulösen stehen wir heute noch vor einigen Herausforderungen, insbesondere, wenn es um die sichere Verknüpfung von Daten und der immer engeren Vernetzung von Gebäuden mit ihrem Umfeld geht. Diese können gelöst werden und wir werden mit Sicherheit schon bald eine neue Generation intelligenter Gebäude erleben können.

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