BIM für kleine Architekturbüros – sinnvoll oder viel zu aufwendig?

In der Summe spielt es doch gar keine Rolle, ob ich einen Flughafen oder lediglich einen Hühnerstall umsetzen will Im Gespräch mit André Pilling und Stefan Waerder, POS4 Architekten Generalplaner

POS4 Architekten Generalplaner sind Teil des Teams für das BIM-Pilotprojekt „Fachmarktzentrum Leinefelde – BIM für den Mittelstand“. Schon länger arbeitet das Architekturbüro mit gerade mal 13 Mitarbeitern mit der Methode BIM. Kleine Bürostruktur und BIM schließen sich nicht aus, finden die Architekten André Pilling und Stefan Waerder.

Warum haben Sie BIM in Ihrem Büro eingeführt?

André Pilling: Die Initialzündung für die Einführung der Planungsmethode BIM geht bei uns zurück auf ein Schwimmbad-Projekt, das wir 2011 für einen niederländischen Generalunternehmer realisiert haben. Um die spezielle rechtliche Situation vor Ort zu berücksichtigen, bekamen wir damals vom Auftraggeber ein lokales Büro an die Seite gestellt, das für uns den Bauantrag gestellt hat. Das Büro hat schon damals ganz selbstverständlich mit 3D gearbeitet; das hat mich derart angesprochen, dass ich kurz darauf einen mehrtägigen BIM-Workshop in den Niederlanden absolviert habe. Hinzu kam: Unser Auftraggeber hat uns damals drei Jahre Zeit gegeben, um uns in BIM einzuarbeiten. Sonst hätte er sich jemand anderes gesucht. Das hat uns natürlich motiviert. 2014 habe ich daraufhin die DEUBIM als Beratungsunternehmen gegründet, um hier in Kooperation mit POS4 Architekten zusätzliche Synergien zu erreichen. Mittlerweile wachsen beide Bereiche immer mehr zusammen. Das erste Mal eingesetzt haben wir die BIM-Methode dann bei unserer Erweiterung des Aqua-Parks in Oberhausen.

Was hat sich nach der Implementierung von BIM in der Teamstruktur geändert?

Stefan Waerder: Durch die Einführung von BIM sind zahlreiche neue Rollen wie BIM-Autoren oder BIM-Koordinatoren hinzugekommen. Parallel dazu hat sich auch die Form der Zusammenarbeit geändert: War es früher z. B. so, dass einer unserer Mitarbeiter vorrangig mit Ansichten und ein anderer mit Grundrissen beschäftigt war, verteilt sich die Arbeit heute eher nach inhaltlichen Aspekten. Da kümmert sich dann z. B. ein Mitarbeiter um das Einpflegen der Brandschutzauflagen, während jemand anderes die notwendigen Kollisionsprüfungen durchführt.

Inwiefern profitiert Ihr Büro von BIM?

AP: Mit BIM erreichen wir ganz eindeutig eine bessere Planungsqualität und eine optimierte Zusammenarbeit mit den beteiligten Fachplanern. Und das wissen natürlich auch unsere Auftraggeber zu schätzen. Zwar bietet BIM inzwischen kein Alleinstellungsmerkmal mehr, aber dennoch kommt die Methode auch heute erst in 15 % der Büros zum Einsatz. Das Bewusstsein, hier frühzeitig die Weichen gestellt zu haben, schafft uns natürlich eine deutlich verbesserte Planungssicherheit. Denn die weitere Entwicklung wird nicht stehenbleiben. Ein schöner Zusatzeffekt ist, dass wir inzwischen ganz andere Bewerbun­gen auf dem Tisch liegen haben. Da sind junge, sehr talentierte Hochschulabsolventen dabei, die ganz klar sagen, wir wollen bei euch anfangen, weil ihr mit BIM arbeitet. Das kommt uns als mittleres Büro mit 13 Mitarbeitern bei der guten Konjunkturlage natürlich zugute. Und es bringt auch eine ganz andere Dynamik ins Büro.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der weiteren Entwicklung der Methode?

SW: Die Planung mit BIM hat in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte gemacht. Wichtig wird sein, dass der Mensch trotz aller Entwicklung auch weiterhin im Mittelpunkt der Planung steht. Bereits jetzt gibt es Tools, die eine automatisierte Kollisionsprüfung oder Qualitätskontrolle ermöglichen. Das ist auch sinnvoll. Dennoch bleibt es wichtig, dass der Projektleiter am Schluss eine virtuelle Begehung macht und seine fachliche Erfahrung und seinen Sachverstand einbringt.

AP: Dazu fällt mir ein schönes Beispiel ein: Bei einem unserer Projekte hatte die auto­matische Kollisionsprüfung übersehen, dass eine Pfosten-Riegelkonstruktion über einem Schachtdeckel platziert worden war. Das zeigt doch eindrucksvoll, dass es ohne den Menschen nicht geht! Das gilt auch auf anderer Ebene: Durch unsere langjährige Erfahrung mit BIM hätten wir natürlich gerne, dass unsere Projektpartner ebenfalls bereits in einem sehr frühen Stadium mit BIM arbeiten. Letztlich ist es aber sinnvoll, jedem einzelnen Projektpartner ganz individuell die Zeit zu geben, die er braucht und hier keinen Druck aufzubauen. Das kann dann auch bedeuten, dass der Statiker zunächst eine Zeit lang mit handgefertigten Skizzen arbeitet und erst später auf BIM umsteigt.

Was muss sich Ihrer Meinung nach in der HOAI ändern, wenn BIM Planungsstandard werden soll?

AP: Wichtig wäre, dass die Gewichtung zwischen den Leistungsphasen 3 und 5 geändert wird. Aktuell ist es so, dass die Entwurfsplanung durch BIM deutlich aufwendiger geworden ist. Leistungsphase 5, die bislang die höchste Informationsdichte enthielt, entwickelt sich demgegenüber mehr und mehr zu einer Lay-Out-Phase, in der lediglich einiges zusammengefasst oder im Detail ergänzt wird. Für uns bedeutet das: Wenn wir lediglich die Leistungsphasen 1 bis 4 planen, dann erntet jemand anderes die Früchte unserer Arbeit. Aus unserer Sicht müsste die HOAI deshalb angepasst werden. Oder wir achten einfach darauf, dass wir bei der Beauftragung in jedem Fall auch die Phase 5 bekommen.

Inwiefern sehen Sie BIM als eine Chance für „kleine“ Büros?

AP: Viele kleinere Büros haben bislang noch Angst davor, BIM in ihre Planung zu integrieren. Aus unserer Sicht sind diese Vorbehalte aber unbegründet. Den durch die Skalierbarkeit von 3D in Richtung BIM ist die Methode letztlich extrem flexibel. In der Summe spielt es doch gar keine Rolle, ob ich einen Flug-
hafen oder lediglich einen Hühnerstall umsetzen will: Mit 3D kann ich immer leichter planen! Richtig ist allerdings, dass das entsprechende Knowhow natürlich erst entwickelt werden muss. Um hier zu optimalen Ergebnissen im Team zu kommen, empfiehlt sich eine ausgewogene Mischung von erfahrenen und jüngeren Mitarbeitern. Auf diese Weise können beide voneinander profitieren. Je nach Bürogröße kann es dabei auch sinnvoll sein, externes Wissen von außen einzubinden; oder Allianzen mit anderen Büros zu bilden, um größere Projekte stemmen zu können. Wichtig ist auf jeden Fall, dass die deutschen Büros in Sachen BIM am Ball bleiben und nicht den Anschluss an die Entwicklung im Ausland verlieren. Denn dort ist man in vielen Dingen schon deutlich weiter.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview für die DBZ führte Robert Uhde am 8. Mai 2018 in Düsseldorf.

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