»Ich werde mir herausnehmen, ein paar Wahrheiten in den Raum zu stellen«

Im Gespräch mit Anne Katrin Bohle, Bau-Staatssekretärin im BMI, Berlin

Im Rahmen des 15. BDA-Tages sprach auch die Bau-Staatssekretärin, Frau Anne Katrin Bohle, vor der versammelten Architektenschaft. Der Tenor ihres Grußwortes orientierte sich deutlich an der Aufbruchstimmung, die das BDA-Pamphlet „Das Haus der Erde“ am Tagungsort in Halle an der Saale verbreiten wollte: Weniger Neubau, mehr Kooperation, Verantwortung erkennen und übernehmen etc. Wir nahmen die Gelegenheit wahr und führten mit der erst mal sieben Wochen im Amt seienden Anne Katrin Bohle ein Gespräch am Rande. Über ihre Pläne, über die Möglichkeiten und über das, was sie in dem Papier des BDA für vorbildlich hält.

Im Rahmen des 15. BDA-Tages sprach auch die Bau-Staatssekretärin, Anne Katrin Bohle, vor der versammelten Architektenschaft. Der Tenor ihres Grußwortes orientierte sich deutlich an der Aufbruchsstimmung, die das BDA-Pamphlet „Das Haus der Erde“ am Tagungsort in Halle an der Saale verbreiten wollte: weniger Neubau, mehr Kooperation, Verantwortung erkennen und übernehmen etc. Wir nahmen die Gelegenheit wahr und sprachen mit der gerade mal acht Wochen im Amt seienden Anne Katrin Bohle am Rande des Kongresses über ihre Pläne, über die Möglichkeiten und über das, was sie in dem Papier des BDA für vorbildlich hält.

Ihr Vorgänger im Amt, Gunther Adler, hat im Frühjahr auf eigenen Wunsch den Posten geräumt. Haben Sie da gleich den Finger gehoben?

Anne Katrin Bohle: Ich kenne Gunther Adler ja gut, er war schließlich mein Staatssekretär in NRW! In der Rückschau sehe ich diese allerdings auch recht kurze Zusammenarbeit als konstruktiv an, nicht immer waren wir uns einig, aber Streit spricht ja durchaus für engagierte Köpfe auf beiden Seiten. Aber ja, wenn man zehn Jahre lang Vorsitzende des Ausschusses für Bauen, Stadtentwicklung und Wohnen der Bauministerkonferenz gewesen ist und so etwas wie die „Sprecherin der Bundesländer“ war, da steht man im engen Austausch mit sämtlichen Protagonisten aus diesem Bereich und es interessiert einen schon, wer denn der Staatssekretär, die Staatssekretärin beim Bund wird.

Wer hat Sie gefragt? Der Minister höchstselbst?

Am Ende ja, der Minister, aber natürlich hat er vorher fragen lassen, ob ich grundsätzlich bereit wäre. Aber Minister Seehofer hat mich anlässlich der letzten Bauministerkonferenz zu diesem Thema direkt angesprochen.

Nach acht Wochen: Wie fühlt es sich an?

Als wäre es schon viel, viel länger! Manchmal wünsche ich mir tatsächlich, die Tage hätten 48 Stunden. Es gibt eine derartige Vielfalt an Themen, die hochspannend sind und alle gleich bearbeitet werden wollen. Ich arbeite gerne, das ist sicherlich ein Vorteil.

Kontinuitäten und/oder Aufbruch: Was ist der Plan, die Idee für die kommenden Monate?

Sehr viel wurde bereits begonnen, insbesondere zur Umsetzung der Ergebnisse des Wohnungsgipfels. Das ist eine Kette von 77 bis 80 Maßnahmen, die wir fortsetzen werden, einige auch erst starten, andere zu einem Abschluss bringen.

Da klingt viel Kontinuität mit. Wie sieht es mit dem eigenen Fußabdruck aus? Oder ist diese Frage zu früh gestellt?

Ich glaube, dass die Herausforderungen für eine Bau-Staatssekretärin selten so groß waren wie in diesen Zeiten. Natürlich will ich etwas Eigenes auf die Beine stellen, aber zuerst möchte ich möglichst viele bestehende Aufgaben vollständig erledigen.

Was ich mir aber sicherlich herausnehmen möchte, ist, dass ich ein paar Wahrheiten zur Diskussion und weiteren Projektierung in den Raum stellen werde.

„Wahrheiten“ klingt sehr hoch gegriffen. Nennen Sie mir eine?

Ich sagte es gerade schon vor den Architekten: Boden ist ein nicht vermehrbares Gut. Auch wenn das vielleicht eine Binsenwahrheit ist, bedeutet es mindestens den Konflikt mit Menschen, die sagen: schnell und mehr und viel Bauland ausweisen. In der Tat werden wir das an einigen Stellen brauchen, aber auch hier sollten wir genau schauen, ob wir nicht weiter verdichten können.

Klaus Toepfer, Wolfgang Tiefensee … das sind Namen von Bundesministern, die mir zum Thema Bauen einfallen. Bundesbauminister dieser fast reinen Form gibt es länger schon nicht mehr. Was kann eine Bau-Staatssekretärin in einem Bundesinnen- und Heimatministerium da leisten?

Jede Menge! Ich habe ja die Möglichkeit, mich auf diese hochwichtige und sehr spezielle Aufgabe alleine konzentrieren zu können. Der Minister ist dauerhaft dabei, die Bauthemen nach außen zu tragen, ob über Fachartikel oder Besuche vor Ort oder im Rahmen von Städtebauförderung, über die Diskussion zur Heimat, zu gleichwertigen Lebensverhältnissen … Ich bin davon überzeugt, Sie können ihn als Bauminister wahrnehmen. Was mir wichtig ist zu transportieren: Ich habe auch die Aufgabe, meinen Minister zu vertreten. Und Horst Seehofer ist die Thematik des Bauens insgesamt sehr, sehr wichtig.

Da ist sicher noch Luft nach oben, was Ministerpräsenz in Sachen Bauen angeht … Sie haben gerade dem BDA zu seinem Papier gratuliert. Können Sie mir sagen, warum?

Die deutlich ausgesprochene Selbstverpflichtung gepaart mit einem großen Maß an Selbstkritik. Und überraschend uneitel, was ich in dieser Deutlichkeit nicht erwartet habe. Wenn freischaffende Architekten aber sagen, dass sie verantwortlich sind, dann wiegt das extra und dazu gehört schon etwas.

Aber mit Blick auf das Rezo-Ereignis von vor ein paar Tagen frage ich mich, ob das BDA-Papier tatsächlich die Radikalität darstellt, die es erstens braucht, um bald zu verändern und zweitens ob es ausreicht, die jungen Architekten zu erreichen, von denen auch der BDA nicht gerade im Überschuss hat?

Aber schauen Sie doch einmal anders darauf. Hier werden doch Dinge formuliert, die mit den Träumen vieler Architekten brechen wollen, gänzlich Neues zu schaffen, mit avantgardistischen Solitären ureigene Handschriften zu zeigen. Nein, die wollen in den Bestand! Hier sind neue Denkansätze gefordert worden und ich denke auch, sie sind gewollt. Ich sehe die Priorisierung des Bestands als Aufgabe und die Bereitschaft, das, was ein anderer gedacht hat – vernünftig und ressourcenschonend – sehr überlegt in die Zukunft kreativ weiterzuentwickeln.

Und wie nimmt der Bund solche Verpflichtungen auf? Gibt es ein Echo?

Ich werde dieses Angebot des BDA ganz konkret aufnehmen und sagen: Wo braucht ihr denn jetzt ganz konkret noch etwas? Ich möchte hören, was die Architekten ganz konkret daran hindert, so zu agieren, wie in diesem Papier angekündigt.

Was ist Ihr Verdacht, was könnte hindern?

Da sage ich Ihnen ganz offen: Ich bin gespannt! Denn ich glaube, dass wir ein Planungsrecht und eine Wirtschaftsordnung haben, die vieles ermöglichen. Die Politik ist hier in wesentlichen Dingen doch schon sehr weit, weiter, als oft beklagt wird. Aber wenn wir gemeinsam Hemmnisse identifizieren können, schaffen wir die ab! Wenn es leistbar, politisch durchsetzbar und rechtskonform ist.

Heiner Farwick forderte gerade, dass wir mit dem Klein- und Günstigsparen aufhören müssen. Sie haben hier zu beruhigen versucht: Es geht alles auch, selbst wenn wir günstig bleiben. Passt das?

Ich glaube tatsächlich, dass Gutes nicht notwendigerweise auch teurer sein muss. Ich höre viel zu häufig den Satz, dass Veränderung immer gleich mehr Invest bedeutet. Ja, aber nicht unbedingt Geld. Es braucht Verstand und Kreativität. Ich glaube schon daran, dass wir in vielen Segmenten des Bauens qualitativ hochwertig und bezahlbar agieren können. Und sogar nachhaltig! Ich sehe hier keinen absoluten Widerspruch.

Nachhaltigkeit ohne Verzicht? Um die Schmerzen des Verzichtenmüssens – das man durchaus auch als Gewinn betrachten kann – zu lindern, könnte der Bund hier nicht unter die Arme greifen? Den privaten Bauherrn zumindest?

Aber wir haben ja längst diese Programme. KfW-Mittel sollen nicht nur für Einzelobjekte gedacht werden, sondern investiv auf das ganze Quartier. Darüber hinaus müssen wir auch an andere Stellschrauben denken: geringere Bauzeiten, digitale Planungseffizienz und Effizienz im Materialeinsatz.

Was sagen Sie zum Wohnflächenverbrauch pro Kopf in Deutschland: Könnten, müssten wir hier nicht schrumpfen?

Nun habe ich nicht alle Zahlen dazu im Kopf, aber hier sind wir sicherlich Weltmeister. Ich frage mich aber: Will das überhaupt der Konsument? Oder ist dieser Wohnflächenzuwachs nicht eher einer über Jahrzehnte andauernden Gewohnheit geschuldet? Ich bin davon überzeugt, dass die Architekten gerade dabei sind, die Veränderung unserer Arbeits- und Lebenssituation in neue Grundrisse einfließen zu lassen. Das wird nicht heute wirken, nicht morgen, aber sicherlich schon sehr bald danach.

Engt Sie Ihr juristischer Hintergrund ein?

Nein. Das Studium hat mir das Rüstzeug geben, Aufgaben- und Problemstellungen mittels strukturiertem Denken anzugehen und das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren. Und es hat mich gelehrt, meine Begeisterung für ein Thema wie z. B. Architektur nicht mit eigenem Sachverstand zu verwechseln.

Was nehmen Sie von diesem BDA-Tag mit?

Ich werde mit dem BDA-Papier nach Berlin gehen und dort analysieren, wo wir was und in welcher Weise in die Kooperation unterbringen können. Das kommt in die Vorhabenplanung und bekommt ein Controlling. Und Heiner Farwick weiß, dass ich in solchen Dingen sehr hartnäckig bin.

Mit Anne Katrin Bohle unterhielt sich DBZ-Redakteur Benedikt Kraft am 26. Mai 2019 im Treppenhaus der Leopoldina, abseits des 15. BDA-Tages.

www.bmi.bund.de

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