Haus im Park
Verwaltungsbau SAP, St.Ingbert /D

Das Bürogebäude in St. Ingbert integriert sich nicht nur in die Parklandschaft. Die mehr als 2500 m2 Nutzfläche graben sich in den Hang und treten der denkmalgeschützten Villa mit einer leichten und transparenten Architektur gegenüber. Der Park umfließt die neuen Organisationsstrukturen.

Das weltweit agierende Softwareunternehmen SAP hat für seine Niederlassung in der mittelgroßen Stadt St. Ingbert ein Grundstück gegenüber dem Bahnhof ausgewählt. Den Charme dieser Adresse hatte in früheren Zeiten schon ein Fabrikant entdeckt, der hier seine Villa mit einem englischen Landschaftspark anlegte. Das Gebäude, das später lange Zeit als Jugendherberge diente, steht unter Denkmalschutz, während von dem Park außer dem alten Baumbestand nicht viel erhalten blieb. Das Software-Unternehmen war an diesem Stand­ort in mehreren kleineren Gebäuden untergebracht, die sich um den Park herum im Laufe der Zeit angesiedelt hatten. Ein Bürogebäude aus den 90er Jahren schuf zunächst Raum für den wachsenden Bedarf an Bürofläche. Die geplante Zusammenlegung mit dem Standort Saarbrücken erforderte eine erneute Erweiterung am Standort St. Ingbert, der durch den Park besondere Qualitäten aufweisen konnte. Im Wettbewerb überzeugte das Architekturbüro Wolfgang Kergaßner mit dem „Haus im Park“, das weit mehr ist als der Arbeitstitel verspricht. Das Stuttgarter Team reagierte nicht mit einer dominierenden Geste, sondern installierte neue Organisationsstrukturen, die sich in der gewach­senen, kleinteiligen Bebauung und in den Park sensibel einbetten.


Wege gehen und Aussichten gestalten

„Wir wollten die Charakteristik mit den Bäumen und den einzelnen Gebäuden, die sich hier auf dem Gelände befinden, nicht zerstören“, erklärt Projektleiter Mike Herud den Entwurfsansatz. „Wir haben versucht, mit der Baumasse so differenziert wie möglich umzugehen.“ Die Architekten untersuchen anfangs, welche Wege die Mitarbeiter auf dem Gelände täglich nutzen und welche Wegebeziehungen zwischen den einzelnen Häusern bestehen. Darüber hinaus verläuft auch eine öffentliche Verbindung über das Grundstück von dem höher gelegenen nördlichen Wohnviertel hinunter zum Bahnhof und zur Innenstadt. Diese Hauptverbindung setzen die Architekten in der „Land­schaftsrampe“ um. Die starke Hanglage des Geländes nutzen die Architekten, um das große Raumprogramm in der kleinteiligen Baustruktur verschwinden zu lassen. Von den nördlichen Wohnvierteln kommend, hebt sich die begrünte Dachfläche etwa einen halben Meter vom Gelände ab und gibt am Beginn der Landschaftsrampe den Blick über das Gelände und auf die Villa frei – wie ein Plateau, auf dem der Mohn blüht. Das Gebäude in Ypsilonform zeichnet mit einem Flügel den Hangverlauf nach. „Wir wollten zweigeschossig bleiben, aber wir mussten noch Raum generieren“, erklärt Mike Herud die Form. „Somit kam im weiteren Entwurfsgedanken die Patio-Geste hinzu, die hier die Villa inszeniert.“

Felsig und rau ist an diesem „Aussichtspunkt“ das Andienungsgebäude, das sich aus einer Steinkorbwand entwickelt, die das Gelände zur Umgebung hin abgrenzt. Die Gabionenwand setzt sich in der Fassadengestaltung des einfachen, introvertierten Baukörpers fort. Wärmer und natürlich dagegen wirkt der Küchenbau mit einer Holzfassade aus unbehandeltem Lärchenholz, der sich an das bestehende Bürogebäude aus den 90er Jahren anschmiegt. Gehobelte Leisten betonen die horizontale Struktur des massiv wirkenden Baukörpers.


Denkmal und transparente Büroarchitektur

Filigran gestaltet sich dagegen das Bürogebäude. Dieses weitet sich und führt auf einen großzügigen Vorplatz vor der denkmalgeschützten Villa und dem Bürogebäude. An diesem unteren, zentralen Punkt sammeln sich die „äußeren“ Personenströme und verteilen sich von hier aus auf die umliegenden Gebäude. Ein Fußweg kommt vom Bahnhof und vom Firmenparkhaus hoch, ein Weg führt in den östlichen Bereich, ein Weg führt zu dem 90er-Jahre-Gebäude, das den Haupteingang aufnimmt, ein Abzweig führt zum Eingang des Küchen­gebäudes. Die Villa entfaltet durch den Vorplatz ihre repräsentative Wirkung und nimmt die Büroräume der Direktion auf. Das Denkmal bleibt in seinem geschlossenen Erscheinen als klassischer Wandbau mit Lochfassade als Solitär erhalten.

Einen Gegenpol bildet die Offenheit des neuen zweigeschossigen Bürogebäudes, das sich trotz der großen Kubatur zurücknimmt. Das Bürohaus ist als Stahlbetonskelettbau konstruiert, den eine transparente Glasfassade umgibt und durch die hindurch sich der Park auf der anderen Seite zeigt. Das Dach, das die Höhenlinie der Hangkante aufnimmt, kragt weit über das Gebäude aus und sorgt für eine gute Verschattung der Büroarbeitsplätze – selbst in der Mittagszeit ist nur vereinzelt der außen liegende Sonnenschutz zugezogen. Ebenso schützt die weit auskragende Deckenplatte das Erdgeschoss vor Sonneneinstrahlung und bietet den Arbeitsplätzen im Obergeschoss einen direkten Bezug zum Naturraum. Der Balkon ist nicht nur eine Austrittsmöglichkeit, sondern dient als vorgelagerte Kommunikationszone.


Kommunikation und Bewegung

Die Offenheit setzt sich in dem Bürogebäude fort. Der Bewegungsfluss der Mitarbeiter und die damit verbundene Kommunikation sind wesentliche Aspekte in der Firmenphilosophie, die in Architektur umgesetzt werden. Von dem äußeren zentralen Vorplatz betritt der Angestellte über eine Sicherheitskontrolle den zentralen inneren Haupttreffpunkt, von wo aus der Blick in den Innenhof fällt, der sich zwischen dem Y-Bau und der Landschaftsrampe ergibt. In der hellen Kommunikationszone, direkt neben dem Eingang, treffen sich die Mitarbeiter. Eine Kaffeestation und die Sanitäreinheiten sind nicht weit davon unter der Landschaftsrampe untergebracht. Ein Aufzug verbindet mit demGebäude aus den 90er Jahren und führt dort in den neuen Restaurationsbereich.

Drei aussteifende Betonkerne mit abgerundeten Ecken leiten die Mitarbeiter in die drei Büroflügel des Ypsilons. Die Kerne nehmen den zweigeschossigen Besprechungsraum, das Treppenhaus ,den Aufzug sowie die Kopierstation auf. Der Bewegungsfluss wird nicht durch Türen gestört. Die Brandabschnitte werden durch Brandvorhänge und durch Brandschutztüren hergestellt, die flächenbündig in die Wände und Decken eingelassen sind und nur im Brandfall automatisch schließen.

Das Konzept des Großraumbüros und die Möblierung sind durch das Unternehmen vorgegeben. Links und rechts von dem Flur aus 1,50 Meter hohen Möbel-Trennwänden ordnen sich die Arbeitsplätze in kleineren Gruppen an. „Man schaut zwar über die Flurtrennwände, aber der Mitarbeiter dahinter fühlt sich weniger gestört, er hat eine gewisse Privatsphäre“, erklärt Mike Herud die innere Organisation der Büroflächen. Am Ende der Büroflügel befinden sich die verglasten Teambesprechungs- und Teamleiterbüros.

Die Anzahl der neuen Büros und die neuen Mitarbeiterzahlen mach­ten auch ein neues Küchengebäude notwendig. Dieses schmiegt sich baulich an das bestehende 90er-Jahre-Gebäude und schließt funk­tional an das bestehende Casino an. Auch hier ist das Thema der Bewegung richtungsweisend. Nach der Eingangskontrolle bewegen sich Mitarbeiter und Besucher durch die Essensausgabe, den „Free-flow“ Bereich. Die Öffnungen sind entgegen der Bewegungsrichtung, mit tiefen Lamellen schräg in den Bauköper eingeschnitten, so dass sie von außen den massiven Charakter des Holzkubus erhalten. In der Innengestaltung ist ein helles Gelbgrün dominierend. „Die Farbe war schon in den Wettbewerbsplänen das Synonyme für den Landschaftsraum, das wollten wir hier wieder rein­bringen.“

Das Bürogebäude ist mehr als nur ein Haus im Park. Es ist vielmehr eine Organisationsstruktur, die die bestehenden kleineren Gebäude infrastrukturell und funktional verbindet. In seiner Kubatur nimmt sich es zurück, indem es einen großen Teil der notwendigen Technik- und Nebenflächen in den Hang eingräbt. Vom Norden her versteckt es sich ganz und gibt dem Park die versiegelte Fläche als blühendes Gründach zurück. Die repräsentativen Bereiche inszeniert es mit einer leichten und unaufdringlichen Architektur.

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