Haus Ferdinand, Antwerpen/BE
Das unscheinbare, schmale Reihenhaus in einer ruhigen und unauffälligen Wohnstraße in Berchem, einem Stadtteil südlich des Antwerpener Stadtzentrums, wurde von Sarah Poot und ihrem Büro Poot Architectuur während einer eineinhalb Jahre dauernden Planungs- und Bauperiode eingreifend und grundlegend verändert. Den ArchitektInnen gelang es, das kleine Einfamilienhaus für die vierköpfige Familie trotz seiner an sich ungünstigen Orientierung in ein lichtdurchflutetes, funktionelles Wohnhaus zu verwandeln. Es zeichnet sich durch ein sensibles und gekonntes Spiel mit Raumsequenzen aus.
Hässliches Entlein
Die BauherrInnen kauften das dreigeschossige und abgewohnte Gebäude mit seinem einfachen Giebeldach 2018. So wie die anderen Parzellen der unmittelbaren Umgebung zeichnet sich das Grundstück des Hauses durch seine Schmalheit von nicht einmal 5 m bei einer gesamten Länge von beinahe 40 m aus. Die Grundfläche des Hauses – ca. 87 m2 – nimmt dementsprechend die gesamte Grundstücksbreite ein bei einer Länge von 17 m. Die beige-gelbe straßenseitige Backsteinfassade teilt sich das Haus mit dem Nachbargebäude und wurde im Zuge der Umbauarbeiten thermisch durch den Einbau von Isolierglasfenstern teilsaniert.
Die Länge und Schmalheit des zwischen seinen Nachbarn eingeklemmten Wohnhauses und seine schlechte Nord-Südorientierung führten dazu, dass vor allem die ursprünglichen Wohnbereiche im Erdgeschoss dunkel und ungemütlich waren. Die Bestandsfotos vom nordseitig gelegenen Garten lassen ein abgewohntes Bauwerk mit mehreren gartenseitigen An- und Ausbauten in rotem Backstein sehen.
Abriss
Raumerlebnis
Der Essbereich setzt sich zum Garten hin in einem wintergartenartigen und um eine Stufe niedriger gelegenen Wohnzimmer fort. Durch unterschiedliche Deckenhöhen versuchten die ArchitektInnen auch für diesen Bereich noch mehr westliches Sonnenlicht einzufangen. Die Offenheit setzt sich auch in den neu organisierten Obergeschossen fort.
Die Treppe wurde zwar an ihre ursprüngliche Position zurückgebaut, allerding vollständig neu konzipiert, wobei mithilfe von mehreren Zwischenpodesten und kurzen Zwischentreppen die Höhenunterschiede zwischen den neuen Geschossdecken und den alten überwunden werden. Die zweiläufigen, gegenläufigen Treppen mit Wendepodesten wurden durch platzsparendere, gerade Treppen mit viertelgewendelten Austritten ersetzt. Das erlaubte vor allem im 1. Obergeschoss die Organisation zweier Arbeitsplätze im Treppenbereich, die gleich einem innenliegenden Balkon Sicht auf die im Erdgeschoss liegende Küche ermöglichen.
Rohe Stahlbetonstruktur
Um diese in die Gebäudestruktur eingreifenden Umbauten realisieren zu können, griffen die ArchitektInnen auf ein Haupttragwerk aus Stahlbetonstützen und Stahlbetonbalken zurück, das die Holzbalken der neuen Geschossdecken trägt. „Die orthogonale Stützenform erlaubte uns nicht nur einen sauberen Anschluss der sternförmig angeordneten oder diagonal liegenden Deckenbalken, sondern ist auch eine Referenz an klassische Säulen“, erklärt Sarah Poot.
Als Verantwortliche für die Baustellenaufsicht und die Koordination der verschiedenen Baufirmen beschreibt Sarah Poot das Erreichen der Qualität der Oberflächenbearbeitungen und die Organisation eines reibungslosen Bauablaufs als eine der größten und zeitraubendsten Herausforderungen des Projekts.
Der Banalität enthoben
Die Erfahrung in der Planung und Realisierung von Hauserweiterungen und Umbauten, die Sarah Poot mit ihrem Antwerpener Büro in den vergangenen Jahren sammeln konnte, kam ihr auch bei diesem Projekt in jeglicher Hinsicht zugute. Das trifft vor allem auf die vielen verschiedenen und unterschiedlich hohen Decken im Erdgeschoss zu, wodurch es ihr gelang, die beschränkte Wohnfläche zu kompensieren und dem einfachen Wohnhaus einen persönlichen und vielschichtigen Charakter zu geben. Die vollständige Verglasung der Gartenfassade, die Verwendung der ca. 4 m hohen Falttüren und die reduzierte Materialverwendung im Inneren verleihen dem an sich schmalen und bescheidenen Haus die Großzügigkeit und Allüre, die es der Banalität entheben.
Michael Koller, Den Haag
Mit präzisen, liebevollen Ergänzungen,
⇥DBZ Heftpartner Jan Theissen und Björn Martenson, ⇥AMUNT
Baudaten
Objekt: Wohnhaus Ferdinand
Ort: Berchem-Antwerpen/BE
Typologie: Renovierung Reihenhaus
Architektur, Innenarchitektur: Sarah Poot, POOT architectuur, Antwerpen/BE, www.poot-architektuur.be
Projektteam: Sarah Poot, Lisa Keller
General contractor: Deknock & Aerts, Mortsel/BE, www.dekcoenaerts.be
Bauzeit: 2018–2019
Projektdaten
Grundstücksgröße: 239
Grundfläche: 87
Hauptnutzfläche: 193
Gebäudevolumen: 871
Baukosten
Gesamt: 380 000
Hauptnutzfläche: 1 968
Gebäudevolumen: 436