Generationengespräch. Mit Sophie Merz und HG Merz, Berlin
Wie unterschiedlich schauen die Alten und Jungen auf das Bauen? Gibt es das für viele wesentliche Themen angenommene Generationen Gap auch in der planenden Zunft? Hier zu einer Erkenntnis zu gelangen interessiert Verleger ebenso wie die Verbände, Redakteure wie die Bauindustrie. Letztere beide – die DBZ Redaktion zusammen mit der Initiative Steildach „DACHKULT“ – luden nun Tochter und Vater, Sophie Merz und HG Merz, zu einem Gespräch ein. Das heisst, die Merzen luden uns zu sich ein, ins neue, jetzt gemeinsame Büro in Berlin-Charlottenburg.
Wir sitzen in der Bibliothek, oberhalb der Büroräume. Die schlichten Regale sind vollgestellt, „aber noch nicht richtig“, also eher bepackt. Erstmal. Mit Sophie Merz und HG Merz sitzen in diesem schönen Raum um einen großen Tisch noch Klaus H. Niemann, Sprecher der genannten Initiative Steildach, Tobias Nazemi, Geschäftsführer der Agentur Brandrevier, Katja Reich, Chefredakteurin DBZ und Benedikt Kraft, stellvertr. Chefredakteur DBZ.
Dass es an dem frühen Abend in der Merz’schen Bibliothek Anfang Juni auch um die Frage geht, ob denn die Tochter andere Vorstellungen, Wünsche, Vorlieben, Erfahrungen etc. mit Dächern – flach oder steil – habe als der Vater, war gesetzt. Doch drumherum und mittendrin ging es auch um andere Dinge; um das Kochen beispielsweise, wo im Raum man am liebsten schläft, ob Farben und welche richtig sind, was Heimat sei … Berlin? Lieber nicht!, so HG Merz, der nicht an einen Ort gebunden sein will. Berlin?! Auch wunderbar, so Sophie Merz, nicht zuletzt das die Haute Couture internationaler Architekten versammelnde Hansaviertel, in dem sie wohne.
Auf die Frage, ob denn nicht ein Neubau attraktiver gewesen wäre, sagt der Vater nein, die Tochter ja
„Ein Entweder-Oder macht, wie in den meis-ten entwerferischen Belangen, keinen Sinn“
„Da werden Häuser gewechselt wie hier die Kleidung“
Gibt es – mit dem hier angedeuteten Sehnsuchtsbild nach dem eher heimeligen Zuhause – tatsächlich aktuell eine Gegenbewegung zur Aufbruchstimmung der Moderne, die teils systemkritischen Charakter hatte mit durchaus auch ideologischem Potential? Klaus H. Niemann stellt die Frage in den Raum, wie Architektur auf die vielfältigen gesellschaftlichen Umbrüche reagieren könnte oder sollte? Das sei nicht so pauschal zu beantworten, so HG Merz. Mobiles Arbeiten beispielsweise könne den Trend zum verstärkten Zuhausesein unterstützen, gleichzeitig aber auch das Nomadenleben forcieren. Denn wenn Arbeiten von überall aus möglich wird, dann sollten wir auch das Wohnen vom Ort trennen. Wir sollten einmal in die USA schauen, „da werden Häuser gewechselt wie hier die Kleidung.“ Häuser wären dort nur noch Gefäße, die, innen von Einbauschränken gegliedert, jedem eine Heimat auf Zeit bieten. Allerdings sehe er auch, dass der Deutsche immer noch gerne zeigen wolle, was er kann und was er ist und darum wird sich das Häuserwechseln in diesen Breiten nicht so schnell einstellen.
Und fast schon am Ende des Gesprächs kommen Nachhaltigkeit und ein alter Porsche
Doch die Stile ändern sich, Dachlandschaften verändern sich. War, so HG Merz, bislang eine gewisse Expressivität gefragt, so haben mittlerweile Büros wie Herzog & de Meuron das Satteldach wieder möglich gemacht (die „Scheune“ auf dem Kulturforum). Wir unterhalten uns über Nachhaltigkeit und Exkursionen (auf denen die beiden eher nach kulinarischen Zielen Ausschau halten), über Baukultur und darüber, ob denn die Architektur der Moderne überhaupt noch die Sinne anspreche (unbedingt, so HG Merz mit dem Verweis auf den Niemeyer in Hansaviertel, in dem seine Tochter lebt). Es geht um die Lehre, den mangelhaften Diskurs und die große Bedeutung der wenigen Lehrer, „die mich mitgenommen haben“ (Sophie Merz). Und fast schon am Ende kommt die Nachhaltigkeit noch ins Gespräch und ein alter Porsche, der nachhaltiger sei als jeder auf Effizienz gezüchtete Neuwagen. Und dann noch das: „Ich wüsste nichts mit mir anzufangen, wenn ich kein Büro hätte, aber ich muss dennoch so langsam anfangen, dass ich da raus komme. Denn ich lese sehr gerne, höre gerne Musik, gehe ins Theater, alles Dinge, die mir umso wichtiger sind, weil ich sie mir permanent erarbeiten muss.“ Sophie Merz nickt zustimmend. Auf was genau sich dieses Zustimmen bezieht, muss offen bleiben. Wir sprechen weiter. Von draußen, durchs geöffnete Fenster, dringt immer wieder Vogelgezwitscher, Glockengeläut in der Ferne und lebhafte Kinderstimmen. Be. K.
Über Dachkult
Dachkult ist eine Plattform der Initiative Steildach, unterstützt von aktuell 22 führenden Herstellern der deutschen und internationalen Baustoffindus-trie und zwei Fördermitgliedern. Die Initiative will eingefahrene Vorstellungen und Klischees zum Steildach aufbrechen, die Begeisterung für das Steildach als faszinierendes Element der Baukultur neu entfachen und zum Perspektivwechsel anregen. Die Initiative richtet sich primär an Planer und Architekten, Bauträger und kommunale Bauabteilungen. www.dachkult.de