Bündig und feuerverzinkt

Folkwang Universität der Künste, Essen

MGF Architekten entwickelten gemeinsam mit Rache Engineering für die Folkwang Universität der Künste in Essen eine hinterlüftete Fassade, die sich sowohl an den Kostenrahmen hält und gleichzeitig eine besondere Lösung zeigt.

„Der wirtschaftliche Druck, der eigentlich immer vorherrscht, kann auch ein Entwicklungsdruck sein, den ich gerne mehr sehen würde.“ David Hommelsheim ist Geschäftsführer und Fachingenieur für Fassaden bei Rache Engineering. Gemeinsam überlegt er mit Diplom-Ingenieur Ralf Rache, was sie von dem Projekt, der Folkwang Universität der Künste in Essen, nach dessen Fertigstellung und Auszeichnung mitnehmen. Beiden geht es darum zu vermitteln, dass ein enges Budget in diesem Fall zu mutigen und vom Standard losgelösten Lösungen geführt hat, die auch nach Jahren noch beispielhaft sind.

2009 wurde der Wettbewerb für die universitären Gebäude in direkter Nachbarschaft auf dem UNESCO Welterbe Zollverein ausgeschrieben. Der damals entstandene Siegerentwurf von MGF Architekten verschwand allerdings in Schubladen, da es Schwierigkeiten mit der Finanzierung gab. 2014 war der Raumbedarf der Folkwang Universität so hoch, dass NRW Urban das Architekturbüro als Entwicklungsgesellschaft für das Land beauftragte und ein neues Verfahren mit Investor eingeleitet wurde; dieses Mal mit erfolgreicher Realisierung.

Rahmenbedingungen

Das Bauherrenteam, KÖLBL KRUSE und der RAG Montan Immobilien GmbH, hatte das Büro Rache Engineering bereits zu früheren Projekten als Berater hinzugezogen, weshalb die Fachplaner auch dieses Mal sehr früh an der Projektentwicklung beteiligt waren. Geschäftsführer und Partner Josef Hämmerl sowie Partner Jan Kliebe von MGF Architekten fassen die Ausgangssituation wie folgt zusammen: „Wir haben auf einem sensiblen Gebiet geplant und damit ein Gremium der UNESCO im Hintergrund gehabt, das genau aufgepasst hat, was wir dort planten: Materialität, Geometrie, äußeres Erscheinungsbild, etc.“ Von Anfang an hatten die Architekten sich vorgestellt, dass die Fassade grafisch sowohl auf die bestehende Industriearchitektur reagiert und gleichzeitig eine zeitgemäße, eine bündige Lösung darstellt. „Die Kosten waren ein großes Thema, wobei für uns klar war, dass wir nicht ­irgendwelche Fassadenplatten dort anbringen wollten – sowas funktioniert nicht“, erklärt Jan Kliebe die ersten Gedanken zur Fassade und fährt fort: „Aus wirtschaftlichen Gründen war Ortbeton nicht realisierbar. Dann haben wir uns überlegt, welche Materialien eine Flächigkeit entstehen lassen und so haben wir die ersten Diskussionen mit den Kollegen von Rache Engineering geführt.“ Ralf Rache ergänzt aus seiner Sicht: „Wir wollten ein klares Raster nach außen zeigen. Das führte dazu, dass man eine zweite Ebene, die Prallscheibenebene, einführte, die genau das Raster der Räume im Inneren trifft. Und das wiederum schafft die Bedingung an die Fassadenbekleidung, die günstig werde musste. Prallscheibenkonstruktionen sind immer teurer. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen waren im Nachhinein ein Segen, denn dadurch sind wir gemeinsam auf diese rustikale Lösung gekommen.“

Feuerverzinkter Stahl

Feuerverzinkten Stahl an der Fassade anzubringen, war vor wenigen Jahren noch neu und wenig erprobt. Inzwischen gibt es mehrere Gebäude, die mit diesem Fassadenmaterial verkleidet sind. Zu Anfang wurde lange über die optische Wirkung der feuerverzinkten Fassadenscheiben diskutiert. Fassaden dieser Art glänzen am Anfang sehr auffällig, was mit den Jahren verblasst. Durch die Oxidschicht ist das Material sehr gut geschützt, doch der Hochglanz ist nicht von Dauer. Die Fassade verändert sich kontinuierlich in ihrer Anmutung, was nicht jede Fassade tut.

„Man möchte, dass das unregelmäßige Muster, das auf der Oberfläche entsteht, nicht zu stark verzinkt aussieht, sondern schon in einem gewissen Oxidationszustand ist. Das kann man sehr gut über die Zusammensetzung des Metalls regeln“, erklärt David Hommelsheim und Josef Hämmerl ergänzt: „Es ist ein Material, das jeder kennt, so beispielsweise von den Regalen im Büro. Auf der Fassade, mit dieser großen Fläche, ist es immer noch ungewöhnlich. Ein Material, das witterungsbeständig ist und mal heller, mal dunkler spiegelt.“

Hinterlüftete Prallscheibe

Die bündige, hinterlüftete Metall-/Glasfassade wird durch eine 6 cm breite Fuge unterbrochen. Die Fugenweite wurde von einem Bauphysiker speziell für diesen Fall errechnet. Sie ist der Erwärmung hinter einer Prallscheibe geschuldet. Doch auch die Gestaltung war nicht ganz ohne, wie Jan Kliebe im Detail erklärt: „Die Abstandshalter der Prallscheiben waren zunächst eckig angedacht. Rache Engineering schlug dann runde Bolzen vor, weil diese unauffälliger sind. Nach einer Simulation im Modell waren wir uns einig.“ Um einen gleichmäßigen Rhythmus der Auflager zu bekommen, wurden diese so weit wie möglich jeweils in die Mitte der Scheiben positioniert.

Zusammenarbeit und Fazit

„Diese Fassadenlösung – also die Kombination aus wirtschaftlicher Stahlbekleidung und dem Luxus von Prallscheiben – diese Lösung stand durch die frühe Zusammenarbeit sehr früh fest und tat der Zusammenarbeit und dem Ergebnis sehr gut“, schließen Josef Hämmerl und Jan Kliebe ab. Ralf Rache und David Hommelsheim ergänzen: „Was uns besonders gefallen hat, waren die wirklich kreativen Ideen, die von den Architekten kamen und die sehr fortschrittlich gedacht waren.“ M.S.

Ohne Systembaukasten entstand eine wirtschaftliche Fassade, die über die Feuerverzinkung von Stahlblechen lebendige Oberflächen den hinterlüfteten Prallscheiben konstrastreich entgegenstellt. Die langsam fortschreitende Oxidation der Bekleidung mit ihrem schützenden Charakter passt zur Umgebung, dem UNESCO Welterbe Zollverein.«
DBZ Heftpartner Ralf Rache, Rache Engineering

Baudaten

Objekt: Neubau Folkwang Universität der Künste I Quartier Nord,

www.folkwang-uni.de

Standort: UNESCO Welterbe Zollverein I Martin-Kremmer-Straße 21 I 45327 Essen

Typologie: Bildungsbau

Bauherr: KÖLBL KRUSE GmbH, www.koelbl-kruse.de

Nutzer: Folkwang Universität der Künste I Fachbereich 4

Architektur: MGF Architekten GmbH I Stuttgart, www.mgf-architekten.de

Mitarbeiter (Team): Hartmut Fuchs, Armin Günster, Josef Hämmerl, Jan Kliebe, Daniela Grotz

Bauleitung: künstl. Oberleitung: Jan Kliebe

Generalunternehmer: Freundlieb Bauunternehmung GmbH & Co. KG,

www.freundlieb.de

Bauzeit: September 2015 – Juni 2017

Fachplaner  

Tragwerksplanung: LWS Ingenieurgesellschaft mbH, Duisburg, www.lwsing.de

TGA-Planung: Klaus Drücke Ingenieurgesellschaft , Dortmund, www.druecke.de

Fassadenplanung: Rache Engineering GmbH, Aachen, www.rache-engineering.com

Energieberatung: TOHR Bauphysik GmbH & Co KG, www.ig-tohr.de

Brandschutzplanung: BSCON Brandschutzconsult GmbH, Essen, www.bscon.info

Freianlagenplanung: Förder Landschaftsarchitekten, Essen,

www.foerder-landschaftsarchitekten.de

Projektdaten  

Grundstücksgröße: 7 500 m²

Grundflächenzahl: 0,46

Geschossflächenzahl: 2,06

Brutto-Grundfläche: 18 900 m²

Brutto-Rauminhalt: 82 800 m³

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