Flexibel, hybrid und individuell arbeiten

Die Steelcase „Work Better-Studie“ hat erforscht, wie Beschäftigte mit den pandemie­be­dingten Umstellungen in ihrem Arbeitsleben zurecht gekommen sind – aus den Ergebnissen lässt sich ableiten, wie sich Büros für die Arbeitswelten von morgen optimieren lassen.

Das Büro als Arbeitsort befindet sich von Beginn an mehr oder weniger stark im Wandel. Waren es Mitte des vergangenen Jahrhunderts die Einzel- bzw. Zellenbüros, kam der Großraumbüro-Trend Anfang der 1970er-Jahre nach Deutschland. Vor allem die Flächeneffizienz war dabei das Maß der Dinge. Anfang des 21. Jahrhunderts entstand eine gegenläufige Entwicklung: Großraumbüros wurden nicht länger als Pauschal­lösung angesehen, vielmehr rückte das Wohlbefinden der MitarbeiterInnen in den Fokus der wissenschaftlichen Betrachtung sowie die Gestaltung von Büros. Das ist vor allem aus Angestelltensicht zu begrüßen, denn rund ein Drittel unserer kompletten Lebenszeit verbringen wir am Arbeitsplatz. Doch trotz dieser Erkenntnisse finden sich viele der deutschen Arbeitnehmer­Innen auch heute noch in tradierten Bürokonzepten der vergangenen Jahrzehnte wieder, in denen die Digitalisierung wenig bis keine Beachtung in der Bürogestaltung findet oder der Wunsch nach Flexibilität verwehrt bleibt. Letztlich steigt dadurch der Stress der Arbeitnehmenden, der durch Unwohlsein am Arbeitsplatz gefördert wird: Unzufriedenheit ist vorprogrammiert.

Durch die Covid-19-Pandemie wurden viele ­ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen gezwungen, sich bewusst oder unbewusst mit dem Status quo des Büro- bzw. Arbeitskonzepts auseinanderzusetzen. Zwei Dinge werden die Zukunft des Arbeitsplatzes maßgeblich beeinflussen: Die Erfahrungen, die sie bei der Arbeit im Homeoffice gemacht haben, sowie ihre Erwartungen in Bezug auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz. Was sie schon vor der Pandemie am Büro zu schätzen wussten, wird jetzt noch wichtiger. Und die Dinge, die sie bereits in der Vergangenheit frustrierend fanden, werden sie kaum noch akzeptieren wollen. In jedem Fall haben MitarbeiterInnen inzwischen eine andere Vorstellung davon, wie und wo sie arbeiten möchten. Wie steht es also mit dem klassischen Bürokonzept?

Veränderte Bedürfnisse und Erwartungen

Um über die Zukunft des Büros und adaptierte Arbeitskonzepte Aussagen treffen zu können, muss die aktuelle, pandemiebedingte Arbeits­situation genau betrachtet und einbezogen werden. Wie haben Angestellte die Arbeitssituation im Homeoffice erlebt und welche Bedürfnisse und Erwartungen haben sich daraus für zukünftige Arbeitskonzept nach Covid-19 entwickelt? Um die Auswirkungen der Pandemie auf MitarbeiterInnen und Unternehmen zu verstehen, führen die ExpertInnen für Arbeitsraum und New Work des Unternehmens Steelcase seit Beginn der Pandemie kontinuierlich Untersuchungen durch. Der Global Report bündelt Ergebnisse aus acht Primärstudien zum Einfluss von Covid-19 auf die ­Zukunft der Arbeit. Die quantitativen und quali­tativen Untersuchungen wurden mithilfe sozialwissenschaftlicher Methoden in mehreren Ländern durchgeführt. Weltweit nahmen mehr als 52 000 Menschen teil.

Aus den Untersuchungen geht hervor, dass das Engagement von MitarbeiterInnen, die beispielsweise aufgrund schlechter Rahmenbedingungen Schwierigkeiten mit der Arbeit im Homeoffice haben, weltweit sinkt. In jedem der zehn Länder, die bislang an der Studie teilnahmen, ließen Produktivität und Engagement bei speziell den Angestellten nach, denen Arbeiten im Homeoffice nicht wirklich gefiel und die dennoch häufiger von zu Hause aus arbeiten mussten.

Wie die Befragten die Arbeit von zu Hause aus empfinden, ist dabei völlig unterschiedlich und genauso individuell, wie die einzelnen Menschen selbst. Fast jeder Zweite (43 %) der deutschen Angestellten im Homeoffice ist mit dieser Arbeitsform häufig unzufrieden. Oftmals sorgen widrige Rahmenbedingungen bei der Arbeit von zu Hause für schlechte Erfahrungen: Knapp jedem Dritten der in Deutschland befragten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fehlt zu Hause ein Arbeitsplatz ohne Ablenkungen (32 %). Fast ebenso vielen steht kein ergonomischer Arbeitsbereich zur Verfügung (30 %) – stattdessen dient etwa beispielsweise das Bett (9 %) als sicherlich auf Dauer wenig zufriedenstellende Lösung.

Zudem empfindet in Deutschland mehr als jede(r) Dritte (38 %) ein zunehmendes Isolationsgefühl. 23 % berichten, dass Entscheidungen langsamer getroffen wurden.

Positiv hingegen wurden folgende Faktoren beurteilt: Jede(r) Zweite freute sich über den Wegfall des Arbeitsweges (50 %). 37 % gaben an, dass sich ihre Work-Life-Balance verbesserte. 37 % konnten konzentrierter arbeiten. 27 % schätzten die gestiegene Flexibilität. Die Studie zeigt, dass Erfahrungen, die im Homeoffice gesammelt wurden, beeinflussen, welche Arbeitsumgebungen und -voraussetzungen sich Mitarbeitende für die Rückkehr ins Büro wünschen.

Klar ist: Das Bedürfnis der MitarbeiterInnen nach mehr Kontrolle bei gleichzeitig hoher Flexibilität bezüglich der Frage, wie und wo sie arbeiten, ist groß. Jede(r) vierte Deutsche erwartet im Zuge dessen, nach der Pandemie zwei oder mehr Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten zu können. 72 % wünschen sich, immerhin einen Tag wöchentlich von zu Hause aus zu arbeiten. 98 % erwarten wieder ab und zu ins Büro gehen zu können. Das Büro als Ort der Zusammenarbeit bleibt.

An ihrem Arbeitsplatz, egal, ob zu Hause oder im Büro, wünschen sie sich eine sichere, komfortable, inspirierende und produktive Arbeitsumgebung. Denn MitarbeiterInnen brauchen Umgebungen, die verschiedene Arten der Arbeit – Fokusarbeit, Zusammenarbeit, soziale Interaktionen, Regeneration und Lernen – sowie verschiedene Arbeitsweisen unterstützen. Dafür müssen Arbeitsräume neu gedacht werden, vonnöten sind flexible Raumkonzepte, die insbesondere hybride Arbeitsmodelle unterstützen.

Neustart mit hybriden Arbeitsplätzen

MitarbeiterInnen werden auch in Zukunft in unterschiedlichem Maße teils im Büro, teils zu Hause oder an anderen beliebigen Orten – auch innerhalb des Unternehmens – arbeiten. Innovative Unternehmen erkennen an, dass Mitarbeitende einerseits das Gefühl von Zugehörigkeit und den Austausch vor Ort brauchen, um innovativ und effizient zu arbeiten. Andererseits aber auch die Vorzüge des Homeoffice schätzen. Selbst ArbeitnehmerInnen, die nach wie vor hauptsächlich im Büro sind, werden mit hybrider Arbeit konfrontiert. Spätestens dann, wenn Partner, Lieferanten oder Kunden erwarten, sich auch aus der Ferne mit ihnen zu verbinden.

Hybride Zusammenarbeit ist komplex. Ungleiche Voraussetzungen aufgrund verschiedener Umgebungen, Teammitglieder, die nur schwer zu verstehen sind oder das Defizit bei der Wahrnehmung von Gestik und Mimik während Präsentationen: Die größte Herausforderung und Hauptursache für das Ungleichgewicht der Präsenz bei der ­hybriden Zusammenarbeit liegt meist am schlechten Zusammenspiel vom physischen Raum und digitalen Tools. Um die neuen Bedürfnisse und Erwartungen zu erfüllen und verschiedene Arten der Zusammenarbeit zu ermöglichen, benötigen Unternehmen für ihre MitarbeiterInnen verschiedene Räume und Technologien, die das Digitale und das Physische optimal verbinden.

Das Steelcase-Forschungsteam hat drei Konzepte für leistungsfähige Räume zur hybriden Zusammenarbeit entwickelt – unabhängig davon, ob man nur zu zweit oder in größeren Gruppen arbeitet.

1.) Gleichberechtigte Teilhabe: Alle Mitarbeitenden, ob vor Ort oder von der Ferne zugeschaltet, sollen das Gefühl haben, gemeinsam in einem Raum zu sein. Die Voraussetzung hierfür sind Kameras, die sowohl auf gemeinsam als auch einzeln genutzten Geräten vorhanden sind. Raumgröße, Begrenzungen, Materialien und die Ausrichtung von Mikrofonen sind zudem entscheidend für eine optimale Audiokulisse auf beiden Seiten.

2.) Einbindung: Zugeschaltete und lokale Teilnehmende sowie digitale und analoge Inhalte werden so angeordnet, dass eine aktive Mitwirkung aller möglich ist. Der Einsatz von Plattformen, wie beispielsweise digitale Whiteboards, die allen Beteiligten Zugang verschaffen, ist wichtig für gemeinsame kreative Prozesse.

3.) Einfache Nutzbarkeit: Aus technischer Sicht sollten einfache und nahtlose Übergänge über mehrere Schnittstellen und Displays vorhanden sein, um zum Beispiel schnell zwischen gemeinschaftlich genutzten und persönlichen Endgeräten zu wechseln. Darüber hinaus sollte auch das Raumdesign virtuelle und analoge Elemente bieten, die sich unkompliziert nutzen lassen, zum Beispiel durch den Einsatz flexiblen Mobiliars und/oder mobiler Geräte.

Zusammenfassend gilt es jetzt, traditionelle Arbeitsumgebungen und -konzepte grundlegend zu überdenken und neue Potentiale, basierend auf den veränderten Bedürfnissen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, auszuschöpfen.

Grundlegende Designprinzipien

Für die neue Art der Zusammenarbeit und unter Berücksichtigung der veränderten Bedarfe und Wünsche der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ergeben sich vier Designprinzipien, die folgend beschrieben und veranschaulicht dargestellt werden:

Kombination digitaler und analoger Elemente: Einzelne Angestellte und Teams werden weiterhin per Video miteinander kommunizieren und benötigen dafür Umgebungen und Technologien, die inklusive Erfahrungen für zugeschaltete und vor Ort anwesende Teilnehmer zu schaffen. Beispielsweise ermöglichen großflächige, mobile Displays eine gleichberechtigte Mitwirkung der Beteiligten und erleichtern es, die Arbeitsfortschritte mit den anderen zu teilen. ​​

Räume für „Ich“ + „Wir“: Die Bedürfnisse einzelner Angestellter („Ich“) müssen mit denen des Teams („Wir“) in Einklang gebracht werden, da sowohl Fokus- als auch Teamarbeit für kreative Arbeitsprozesse wichtig sind. Dies wird zum Beispiel durch aneinander angrenzende Bereiche gewährleistet, die einen reibungslosen Übergang von Fokusarbeit zu Teamarbeit ermöglichen.

Offene und geschlossene Räume: Designerinnen und Designer werden in Zukunft mehr Optionen für Einzelarbeitsplätze mit unterschiedlichem Grad an Privatsphäre (visuelle, akustische und territoriale Privatsphäre) bis hin zu geschlossenen Einheiten anbieten. Umgebungen zur Zusammenarbeit verändern sich teilweise von geschlossenen Meeting-Räumen hin zu offenen Teambereichen mit flexiblen Begrenzungen.

Flexible Raumkonzepte: Um resilienter zu sein, sollten Räume in Zukunft so konzipiert werden, dass sie mehr Flexibilität und Mobilität zulassen. Flexible Architekturelemente ermöglichen die Reorganisation und -konfiguration des Raums, multimodale Flächen wie z.B. Workcafés unterstützen verschiedene Nutzungsszenarien und Arbeitsformen.

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