Erst die Nutzungsfrage klären: SANAA-Gebäude muss saniert werden

Alles Bauen ist nichts, wenn mit dem Bau nichts gemacht wird. Architektur muss mehr sein als ein reines Zeichen, sonst wäre sie vielleicht ein Denkmal. Aber wäre das nicht tragisch, wenn ein für den Gebrauch entworfenes, weil so bestelltes Haus am Ende sich selbst zu genügen hätte? Und: Unnütze Bauten, die leer stehen und also nicht benutzt werden, verfallen, egal wie gut sie baukonstruktiv gedacht und ausführungstechnisch gemacht wurden. Das weiß jeder Denkmalpfleger, jeder seriöse Sanierer von Bestandsbauten, die einmal einen Wert hatten, den man nach längerer Zeit Dörnröschenschlafs zurückholen möchte. Sanieren und anschließender Leerstand, das sollte sich ausschließen. Es sei denn, man hätte eine mittelalterliche Burg vor sich, deren „Dem-Wetter-ausgesetzt-Sein“ bereits in ihrer martialischen, monolithisch gefügten Bauweise immanent ist.

Potemkin haben wir allerdings jede Menge, vornehmlich dort, wo der Baugrund teuer ist. Offensichtliche Wohnhäuser werden als Miet-Apartments missbraucht, Büroimmobilien kaschieren Leerstände hinter leuchtenden Etagen, Kaufhäusern in bester Lage droht Schließung, weil auf den großen Flächen kaum noch Käufer auszumachen sind. Architektur, die nicht genutzt wird, ist keine mehr. Man kann sie als Platzhalter sehen, als Vorwand oder schlicht als ein Zeichen des Scheiterns.

Zu wenig Interessenten: insolvent

Ein solches steht seit vierzehn Jahren in Essen mit der ehemaligen „Zollverein School of Management and Design“ gegenüber dem Weltkultur­erbe Zollverein. Ergebnis eines Wettbewerbs, der ausgelobt war von der Entwicklungsgesellschaft Zollverein EGZ und den das Tokyoter Büro Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa/SANAA für sich entscheiden konnte. Realisiert 2006 mit einem einschaligen Beinahe-Kubus (35 x 35 x 34 m), scheiterte das ambitionierte Projekt bereits zwei Jahre nach Betriebsaufnahme: Insolvenz. Das MBA-Programm gliederte sein Curriculum in die Themenfelder Strategy & Marketing, Basics, Transformation & Methodology, Organisation & Leadership sowie Finance & Operations – Themen, die sämtlich relevant wären für eine gelungene Bespielung des Viergeschossers, aber es sollte nicht sein. Zu wenige BewerberInnen wollten oder konnten die mit 22 000 € nicht eben niedrigen Studiengebühren aufbringen. Zudem stellte der Bau mit seiner informellen Flächenlandschaft – heute würde man von „unprogrammierten Flächen“ sprechen – den Betreiber und wohl auch die NutzerInnen vor unlösbare Herausforderungen. Die Betriebskosten lagen ebenfalls über dem Erwarteten (Erwartbaren?). Dabei sollte mit dem Energiekonzept zumindest ein Geniestreich vollzogen worden sein … dazu später mehr.

Es folgten Jahre des Stillstands und spontaner Nutzungen. Der mit Steuergeldern (40 % EU-Gelder) finanzierte 14 Mio. € teure Bau hat unter dem Wechsel gelitten, offenbar gerieten routinemäßige Instandhaltungsarbeiten unter die Räder der unklaren und wechselnden Verantwortlichkeiten. Der Dachgarten – eine nach Übergabe gefeierte Entwurfsleistung – musste bald schon gesperrt werden, Undichtigkeiten sorgten für erste Bauschäden.

Anspruch auf Architekturikonografisches

Dabei wurde das Haus mit seinen 134 quadratischen Fenstern unterschiedlichster Größe überschwänglich gefeiert und mit Preisen überhäuft. Gerade seine Innenraumlandschaft mit dem Wechsel von weiten und konzentrierten Volumen, mit den eingestellten Glaskästen, den schlichten Vorhängen, die Flächen und Räume teilen und die Welt draußen aussperren oder mitten hineinholen sollten, sie alle erfüllten den Anspruch, etwas Internationales, Exzeptionelles herzeigen zu können. Weltkultur und Weltbusiness sollten zusammenfinden und konnten es nicht.

Auf dem ehemaligen Schacht- und Gängesystem des aufgelassenen Bergbaus stehend, sollte sich der einschalig konzipierte Bau der gleichbleibend hohen Wassertemperatur bedienen, die in den vollgelaufenen Schächten ganz in der Nähe anstand. 30 cm Wandquerschnitt waren damit realisierbar: Jetzt sollen die Pumpen für das Grubenwasser abgestellt werden, womit das damals gelobte „innovative Energiekonzept einer ‚aktiven Wärmedämmung‘“ (BDA) obsolet ist. Außendämmung? Innendämmung? Sanierung.

Die landeseigene Entwicklungsgesellschaft NRW-Urban, die frühere LEG, die der Folkwang Universität der Künste das Gebäude seit 2010 zur Nutzung überlassen hat, findet niemanden, der hier auch nur eine solide Kostenschätzung machen wollte. Geschweige denn, man hätte bereits eine Firma gefunden, die die Sanierung hätte wagen wollen. Man munkelt von 5,5 Mio. € für eine Grundsanierung, doch wenn beispielsweise eine Dämmung aufgebracht würde (innen oder außen), wäre das Urheberrecht SANAAs tangiert, zum Entwurf gehört essentiell der extrem flache Querschnitt der Wände.

Nachnutzung unklar

Der Baugrund ist nicht exorbitant teuer, eher ein heiliger Boden, auf dem man nicht alles machen darf. Doch vor der Sanierung muss klar sein, wofür das SANAA-Gebäude, wie die ehemalige Schule jetzt immer genannt wird, denn eigentlich gebraucht werden soll. 2017 wurde bereits für die Folkwang Universität der Künste ein großes Volumen in direkter Nachbarschaft des SANAA-Gebäudes errichtet (DBZ 9 | 2020). Flächenbedarf ist damit nicht mehr das Argument. Es gab bereits den Vorschlag, in dem Bau das Deutsche Fotoinstitut unterzubringen. Ende 2019 hatte der Bundestag für das Projekt 40 Mio. € Fördermittel beschlossen, ohne sich dabei auf einen Standort festzulegen. Berlin oder Düsseldorf hätten hier eher Chancen, der SANAA-Bau müsste für sensible Fotokunst komplett bearbeitet werden.

Eine Dependance zum Potsdamer Sitz der Bundesstiftung Baukultur? Der Architektenname könnte hier das nötige Label liefern. Aber mit dieser Bau-Geschichte?! 2010, zwei Jahre nach dem Scheitern des Gebäudes als die ursprünglich vorgesehene Schule verlieh die Stadt Essen ihm noch ihren Architekturpreis (2015 bekam diesen die Folkwang Bibliothek von Max Dudler), jetzt ist sie aufgefordert, für das Bauwerk mehr zu tun, als in ihm sporadisch Veranstaltung stattfinden zu lassen, wie zuletzt einen Gender-Kongress im Februar 2020. Wie heißt es in der aktuellen Preisauslobung der Stadt: „Städtebau und Architektur spielen […] eine zentrale Rolle. Als Spiegel der politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Geschichte prägen sie Erscheinungsbild, Atmosphäre und Image einer Stadt oder einer Region und wirken identitätsstiftend.“ Womit doch das Meiste versprochen wäre! Wir bleiben dran. Be. K.

www.sanaa.co.jp, www.folkwang-agentur.de
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