Eigentlich ist energieeffizient Bauen ganz einfach! Ein Gespräch mit Jürgen Roth über die erste Effizienzhaus Plus Schule

Die Louise-Otto-Peters Schule in Hockenheim ist die erste im Förderprogramm Effizienzhaus Plus Bildungsbauten – sie wurde am 13. Oktober feierlich eröffnet. Die klimaneutrale Schule produziert im Jahr 15 850 kWh (4,21 kWh/m²a) mehr Energie, als sie verbraucht. Das kompakte zweigeschossige Schulgebäude nach einem Entwurf von Architekt Jürgen Roth wurde im Passivhausstandard errichtet. Ein zentral angeordnetes Foyer dient als Aula für die ca. 300 Schüler der drei weiterbildenden Schulzweige. Das Gebäude kann sowohl aus ökonomischer wie auch aus ökologischer Sicht effizient betrieben werden: Mit dem Neubau der LOP-Schule werden gegenüber einem konventionellen Neubau in Zukunft bis zu 65 t CO2 im Jahr eingespart.

Die massiven Außenwände der Stahlbetonkonstruktion wurden mit einem Wärmedämm-Verbundsystem gedämmt und mit Klinkerriemchen verkleidet. Die Fenster sind mit farblich abgestimmten Faschen aus Muschelkalk eingefasst. Für die Wärmeversorgung bedient sich die Sole-Wasser-Wärmepumpe eines 82 m³ großen Eisspeichers sowie
einer 40 m² großen Solarabsorberanlage auf dem Dach. Die Schulräume werden mit einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung belüftet. Eine 1 048 m² große Photovoltaik-Anlage auf dem Flachdach sorgt als Kleinkraftwerk für die positive Energiebilanz. Die wissenschaftliche Begleitung des zweijährigen technischen Monitorings übernimmt die ina Planungsgesellschaft, Darmstadt.

Wir sprachen mit dem Architekten der LOP, Jürgen Roth vom Büro Roth.Architekten.GmbH in Schwetzingen.

Herr Roth, wie kamen Sie als Architekten zu dem Projekt? Gab es einen Wettbewerb?

Ja. Der Bauherr, das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis mit dem Eigenbetrieb Bau und Vermögen, hatte einen Teilnahmewettbewerb für drei Büros ausgeschrieben, bei dem wir als Sieger hervorgegangen sind.

Wie sieht Ihr architektonisches Konzept für die LOP aus?

Das Gebäude ist sehr wirtschaftlich geplant und hat eine denkbar einfache Struktur. Es gibt eine zentrale Aula, von der aus sich zu beiden Seiten auf beiden Geschossen Flure öffnen, die wiederum die Klassenräume und Fachklassen erschließen. Im Erdgeschoss sind in einem Flügel der Verwaltungsbereich und die Lehrerzimmer untergebracht. Ich denke in letzter Zeit verstärkt darüber nach, dass die Gebäude, die wir heute bauen, in einigen Jahren möglicherweise einer anderen Nutzung zugeführt werden könnten. Die Nutzungszyklen werden immer kürzer. Unser Gebäude hat eine Zweispännerstruktur mit Fluchttreppen an den Enden und im Wesentlichen nichttragende Wände. So etwas wäre also hier denkbar. Die Einfachheit des Grundrisses führt aber auch zu dem kompakten Baukörper, der ein sehr günstiges A/V-Verhältnis besitzt. Im Wettbewerb war das vielleicht hilfreich, weil der Bauherr ein Passivhaus wollte.

Beim Schulbau spielt vor allem das pädagogische Konzept eine besondere Rolle. Wie haben Sie das pädagogische in ein architektonisches Konzept umgesetzt?

Ich kenne die besonderen pädagogischen Anforderungen an Räume, die z. B. bei Gemeinschaftsschulen relevant sind. Wir haben es hier aber mit einer Berufsschule zu tun, die anders funktioniert. Hier hat sich nicht so viel Grundlegendes verändert. Natürlich spielt es aber eine Rolle, dass heute fast alle Schulen Orte sind, an denen sich die Schüler und Lehrer ganztägig aufhalten. Die Lehrerbereiche müssen daher großzügiger gestaltet werden und für die Schüler gibt es Arbeits- und Aufenthaltsbereiche. Auch in den Fluren haben wir attraktive Sitzgelegenheiten geschaffen. Hier in der LOP wurden die Schüler leider gebeten, die Aufenthaltsbereiche während des Unterrichts nicht zu nutzen. Leider ist nicht alles, was man als Architekt so denkt, tragfähig.

Was war besonders im Prozess von der Idee bis zur Fertigstellung – in der Zusammenarbeit mit den Auftraggebern, Nutzern und den Planungsbeteiligten?

Wir versuchen immer, den Kontakt zum Nutzer so gut es geht herzustellen, um dessen Gedankengut bestmöglichst zu integrieren. Natürlich streben wir die Zufriedenheit der Nutzer an, schon aus eigenem Interesse. Bei einem Schulbau ist das zugegebenermaßen sehr schwierig. Man kann nicht alle Entscheidungen miteinbeziehen.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit von den Architekten und Fachplanern? Wann haben Sie angefangen zusammenzuarbeiten – schon in der Entwurfsphase?

Ja klar, anders geht es ja gar nicht. Wir wussten, dass eine Lüftungsanlage eingebaut werden sollte. Da muss man schon sehr früh die nötigen Deckenhöhen kennen. Wir hatten die Idee, dass wir die Decken nur in den dafür nötigen Bereichen tief abhängen würden. In den Klassenräumen gibt es daher einen Deckenversatz, der der Raumhöhe zugutekommt. Die tragenden Stützen haben räumlich mit diesem Deckenversatz zu tun. Solche Dinge muss man schon in der frühen Entwurfsphase mit allen Beteiligten abstimmen.

Die Schule ist die erste im Effizienzhaus Plus Standard. Welche baulichen und technischen Maßnahmen sind durch den neuen Standard bedingt?

Zunächst war die Schule als Passivhaus geplant. Erst als wir mitten in der Ausführungsphase waren, kam die Idee mit dem Effizienzhaus Plus Standard dazu und wir sollten untersuchen, ob das noch umsetzbar wäre. Für mich war vorher schon überraschend gewesen, dass wir mit relativ normalen Dämmwerten den Passivhausstandard erreichen konnten. Das hat zweifellos mit der Kompaktheit des Baukörpers und mit der einfachen Lochfassade zu tun. Es war fast schwieriger, die EnEV zu erfüllen, weil hier der Jahresprimärenergiebedarf entscheidend ist. Hier war dann die Haustechnik gefragt −
deren Integration war bei diesem Gebäude recht einfach, wir mussten nur wenige kleine Änderungen vornehmen.

Last but not least:  Welcher Bereich in oder an dem Gebäude gefällt Ihnen persönlich am besten?

Die Aula mit dem großen Luftraum ist sehr schön geworden. Am
besten gefällt mir allerdings die Fassade. Ich mag die Klinker sehr. Jeder Stein ist anders und im Streiflicht sieht das besonders gut aus. Ich war auch im Herstellerwerk in Vechta und hab mir die Produktion angeschaut. So ein Klinker ist etwas ganz Bodenständiges und bei allem modernen High-tech an diesem Gebäude empfinde ich es genau richtig, ein Material mit so langer Tradition einzusetzen.

Herr Roth, vielen Dank für das Gespräch!

Mit Jürgen Roth unterhielt sich DBZ-Redakteurin Inga Schaefer am
13. Oktober 2017 in der LOP in Hockenheim.

Förderprogramm Effizienzhaus Plus Bildungsbauten
www.forschungsinitiative.de/effizienzhaus-plus/

Das Förderprogramm Effizienzhaus Plus Bildungsbauten ist Teil der Nationalen Klimaschutzinitiative und hat das Ziel, durch Forschung und Entwicklung Grundlagen für die Markteinführung des Effizienzhaus Plus Standards am Beispiel von Bildungsbauten zu schaffen. Das Effizienzhaus Plus Niveau ist erreicht, wenn sowohl ein negativer Jahres-Primärenergiebedarf < 0 kWh/m²a als auch ein negativer Jahres-Endenergiebedarf < 0 kWh/m²a vorliegen. Die Förderung ist planungs-, technologie- und materialoffen. Alle Projekte werden wissenschaftlich begleitet und hinsichtlich ihrer integralen Planung, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit überprüft. Nach der Fertigstellung wird die energetische Performance mit einem zweijährigen Monitoring erfasst und evaluiert.

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