Bei Tageslicht betrachtet
Energetische Sanierung
einer 1970er-Jahre Schule

Nicht nur Pennäler und Pauker ächzen unter den Belastungen, die von der Schule ausge­hen, sondern oftmals auch deren kommunale Träger. Während die einen über vollgestopfte Lehrpläne und Stundenausfälle jammern, versuchen – landauf, landab – Städte und Gemeinden händeringend die finanziellen Löcher zu stopfen, die sich Jahr für Jahr im Säckel des Kämmerers aufgrund hoher Instandhaltungs- und Betriebskosten für die Schulbauten auftun. Besonders gravierend schlagen solche Ausgaben bei Bildungseinrichtungen zu Buche, die noch aus der Ära vor den ersten Wärmeschutzverordnungen stammen und bis heute immer nur notdürftig geflickt und eben gerade funktionsfähig gehalten wurden, weil es an dem erforderlichen Kapital für eine umfassende Sanierung fehlte.

Eine fatale Entwicklung, unter der in erster Linie die Schüler und ihre Lehrer zu leiden haben, weil entweder der Wind durch die Fensterritzen pfeift, die Heizung mal wieder nicht geht oder die Türen klemmen. Dass viele Schulen in einem der reichsten Länder der EU in einem erbärmlichen baulichen Zustand sind, kommt einem Offenbarungseid gleich, dem sich auch der Bund nicht mehr länger verschließen konnte und ihn zwang, den Kom­munen mit entsprechenden Förderprogrammen unter die Arme zu greifen. Diese Aussicht auf finanzielle Unterstützung gab vor allem in vielen ländlichen Gemeinden mit ge­ringen steuerlichen Einnahmen den Ausschlag, zumindest die energetische Modernisierung ihrer Kindergärten und Schulen endlich an­zugehen sowie die Räumlichkeiten heutigen
pädagogischen Konzepten anzupassen.

Das schwere Erbe der 1970er-Jahre-Bauten

Auch die norddeutsche Gemeinde Gnarrenburg, am Rand vom Teufelsmoor im Landkreis Rotenburg (Wümme) gelegen, weiß von dem Erbe der Schulbauten aus den 1970er-Jahren ein Lied zu singen. Seit 1974 ein zweiter Schulbau mit Sporthalle am Ortsrand gebaut wurde, verteilen sich die Schüler auf zwei Schul­stand­orte – die älteren Jahrgänge der Haupt- und Realschule im Altbau im Ortskern, die jüngeren Schüler in dem jetzt sanierten Neubau der Oste-Hamme-Schule.

Deren Cluster-Struktur unterscheidet sich bis heute grundlegend von dem klassischen 2-bündigen Altbau im Ortskern: Anstatt eines schmalen langen Flurs, von dem links und rechts die Klassenzimmer abgehen, gruppieren sich die Räume in dem Stahlbeton-Skelettbau entlang der Fassade um einen großzügig ausgelegten Gebäudekern. Dieses für Schulbauten oft kopierte Grundrisskonzept ermöglicht es, sowohl die elf Klassenräume im Obergeschoss als auch die verschiedenen Funktionsräume für den Spezialunterricht

(Biologie, Physik, Chemie usw.) sowie das Lehrerzimmer im Erdgeschoss optimal mit Tageslicht zu versorgen, was das konzentrierte Lernen nachweislich fördert. Allerdings um den Preis, dass die innenliegenden Flurzonen und die Aula keinen Zugang zu der Fassade haben und diese zentralen Aufenthaltsbereiche nur über kleinformatige Oberlichter Tageslicht erhalten. Der Wechsel von den hellen Klassenräumen in die düsteren Flurzonen und das Entrée in der schummrigen Aula provozierten alsbald eine bedrückende Stimmung, verstärkt durch die dunkle Farbgebung im typischen 1970er-Jahre-Stil mit schweren Braun- und Orangetönen, der mit Kunstlicht vom ersten Schultag an nur unzureichend zu begegnen war.

Auch von außen präsentierte sich das Schulgebäude als typisches Kind der 1970er-Jahre: Die graue und triste Waschbetonfassade mit den braunen Aluminiumfenstern passte längst nicht mehr in das Bild heutiger Schulen, in denen helle Farben, Glas und warme Oberflächen dominieren. Abgesehen von der tristen Atmosphäre, die die Schule innen wie außen verströmte, hatte der Zahn der Zeit

erheblich an der Substanz genagt: Manche Fensterflügel ließen sich nicht mehr öffnen, weil sie wegen Undichtigkeiten und kaputter Beschläge festgeschraubt werden mussten. Die vielen Oberlichter waren nahezu blind geworden und so sehr veralgt, dass kaum mehr Tageslicht ins Gebäudeinnere drang. Die Öffnungen im Ausbauraster der Unterdecke passten nicht überall deckungsgleich zu den Betonausschnitten der Oberlichter, was die Lichtausbeute von oben zusätzlich einschränkte. Vor allem unter energetischen Gesichtspunkten stand es nicht gut um das in die Jahre gekommenen Schulgebäude: Nach fast 40 Jahren Dauerbetrieb drohte der museumsreife Gaskessel mit seinem schwächelnden Wirkungsgrad den Geist aufzugeben und die ungedämmten Waschbeton-

Fassadenelemente sowie die thermisch nicht getrennten Aluminiumfenster trugen ihren entscheidenden Teil dazu bei, den Energiebedarf und damit die Betriebskosten auf beständig hohem Niveau zu halten.

Finanzielle Unterstützung des Bundes

Mit dem Investitionspakt 2008 sah die Gemeinde Gnarrenburg schließlich ihre Chance gekommen, die längst überfällige Modernisierung der Oste-Hamme-Schule anzupacken und machte Nägel mit Köpfen. In enger Absprache mit dem Architekten, den Fachplanern und der Schulleitung erarbeitete die Kommune als Träger der Schule ein Konzept, um die dringendsten energetischen Schwachstellen des Gebäudes zu beseitigen. Dazu gehörten der Austausch des alten Gaskessels durch eine moderne Pelletanlage, die Erneuerung der Fenster und Oberlichter sowie ursprünglich die Dämmung des Kriechkellers. Auf Anraten des Architekten Torsten Stelling wurde vor dem Einreichen des Förderantrags untersucht, ob sich die in dem Investitionspakt festgeschriebenen Zielvorgaben nicht auch mit einer neuen Fassade erreichen ließen, anstatt die Fördergelder im Kriechkeller zu versenken. Die Berechnungen bestätigten die Vermutung, wonach der Zuschuss in Höhe von 66,6 % der Baukosten auch mit einer gedämmten Fassade gesichert bleibt, weil der geforderte Neubaustandard gemäß EnEVReferenzmodell auch über diesen Weg erreichbar ist. Die tristen Waschbetonelemente zu dämmen und mit terrakottafarbenen HPL-Platten zu bekleiden anstatt sich des Kriechkellers anzunehmen, kam am Ende der Fassade auch dank der stilsicher gesetzten, farblichen Akzente optisch zugute. Davon

abgesehen war die Entscheidung allein schon wegen des ohnehin vorgesehenen Fenster­aus­tauschs die sinnvollere Dämm-Maßnahme, was sich auch bei der späteren Detailplanung bestätigte.

Durchdachtes Energiekonzept:

Bivalent Heizen mit Holz und Gas

Aus dem Energieausweis ging schon sehr früh hervor, dass die neue Heizungsanlage, der Austausch der Fenster und die gedämmte Waschbetonfassade die erhofften Einsparun­gen beim Energiebedarf bringen werden. Den Berechnungen zufolge sollte der jährliche
Primärenergiebedarf von rund 375 kWh/m2 auf 81,6 kWh/m2 absinken und sich der Jahres­heizwärmebedarf von 352,8 auf 274,9 kWh/m2 reduzieren. Ein gutes Ergebnis, wenn man bedenkt, dass der Pelletkessel mit seinen
150 kW Leistung auch die immer noch ungedämmte Turnhalle mitversorgt. Für den Fall, dass die Pelletanlage an besonders kalten
Tagen und gleichzeitig intensiver Nutzung von Schulgebäude und Turnhalle an ihre

Leistungsgrenze kommt, hat die Kommune den bestehenden Gasanschluss genutzt und das Heizkonzept bivalent ausgelegt: Ein

neuer Brennwert-Gaskessel fängt die Spitzenlasten ab und springt bei einer eventuellen Störung des Pelletkessels sofort ein, was zweifellos nur dem Hausmeister auffallen wird.

Energieeffiziente Oberlichter schaffen helle Lerninseln

Weitaus überraschender als die zu erwarten­den Energieeinsparungen fiel der Effekt der neuen Oberlichter aus, die den Innenbereich der Schule sowohl im Erd- als auch im Obergeschoss erheblich aufwerteten. Die insgesamt 41 Flachdachfenster verwandelten die düsteren Flurzonen und die Aula in ungewohnt lichtdurchflutete Lern- und Aufenthalts­bereiche, die von den Schülern nun gerne als Rückzugsbereich für das konzentrierte Arbeiten in Gruppen, für das Erledigen von Hausaufgaben oder einfach nur zum Erholen während der Pausen genutzt werden.

Die festverglasten Oberlichter schaufeln selbst an trüben Tagen erstaunlich viel Tageslicht in das Gebäudeinnere und übertreffen in puncto Wärmeschutz die neuen, ebenfalls 2-fach verglasten Fenster an der Fassade:
Mit einem U-Wert von 0,72 W/(m2K) erreichen die Oberlichter von Velux einen nahezu doppelt so guten Wärmeschutz (Uw-Wert Fenster: 1,3 W/(m2K)). Im Gegensatz zu den ausgedienten Vorläufern setzen sich die neuen Flachdachfenster aus zwei Komponenten zusammen: einer 2-fach Verglasung (innenliegend  die dämmende Isolierglasscheibe) und einer Kuppel aus Acrylglas, die den Witterungsschutz sicherstellt und im Falle einer Beschädigung schnell und kostengünstig ausgetauscht werden kann. Dies gab neben der hervorragenden Wärmedämmung den Ausschlag für den Architekten Stelling, sich für die Velux-Flachdachfenster zu entscheiden. Deren 2-schaliger Aufbau reduziert überdies lästige Regengeräusche und erhöht im Gegenzug den Einbruchsschutz. Am angenehmsten empfinden jedoch Schüler und Lehrer das so lange ersehnte Tageslicht und die angenehme Atmosphäre in den nun

hell gestrichenen Kernzonen, in denen die düstere Stimmung vergangener Tage längst in Vergessenheit geraten ist. Nicht zu vergessen, dass das Kunstlicht nun länger ausgeschaltet bleiben kann, was neben dem

solaren Wärmeeintrag über die Fenster und Oberlichter zusätzlich Energie einspart.

Unspektakuläre Lösungen sind oft die

effizientesten

Das Beispiel der Oste-Hamme-Schule zeigt, wie wenig es braucht, um einer über Jahre vernachlässigten Schule eine zeitgemäße Hülle in zeitlosem Antlitz zu verpassen, ohne den Architekturstil der 1970er-Jahre zu verleugnen. Dass die 1,2 Mio. € für die Moder-nisierung gut angelegt sind, belegen die halbierten jährlichen Energiekosten ebenso wie die zufriedenen Gesichter der Schüler und Lehrer, die sich mit ihrer Schule endlich wieder identifizieren können und nun viel motivierter ans Werk gehen.

Indes darf man nicht übersehen, dass die Gemeinde Gnarrenburg nur dank der massiven Finanzspritze von Bund und Land in der Lage war, die lange aufgeschobene Aufgabe zu stemmen. Viele Kommunen stehen vor ähnlichen Problemen – die Einnahmen reichen nicht aus, um derartige Investitionen anzugehen, andererseits belasten die immer weiter steigenden Unterhaltskosten Jahr für Jahr ein Stück mehr die Ausgabenseite und lassen die Rücklagen schrumpfen. Ein Teufelskreis, unter dem vornehmlich unsere

Kinder zu leiden haben, denen mit der teuren Leuchtturmlösung in einer fernen wohl-

habenden Stadt nicht geholfen ist. Anstatt spektakulärer Plusenergie-Architektur leisten solche finanzierbaren und soliden Moderni-

sierungen weitaus mehr für das Bildungs-

wesen und das Überleben der Gemeinden.

Die wahren Probleme sanierungsbedürftiger und unattraktiver Schulen sind banal und unterscheiden sich in den Lösungs­konzepten von Fall zu Fall nur in Nuancen: Neue Heizung, neue Fenster, gedämmte Hülle und am Ende noch ein wenig erfrischende Farbe, um die Klassenzimmer und Aufenthaltszonen jugendgerecht zu gestalten. Dazu ein gesunder Schuss Realitätssinn, Erfahrung und viele kreative Ideen, die auch finanzierbar sind. So einfach könnte es sein, würden nicht Bürokratie, Eitelkeit und fehlendes Verantwortungsbewusstsein auf verschiedenen Ebenen die Sicht auf unser wichtigstes Gut vernebeln: Die Zukunft unserer Kinder.

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