Schnelle Bauprozesse für ein dauerhaftes Haus

Deutsche Bahn Tower, Frankfurt am Main

Konkrete Nutzervorgaben, ein enges ­Budget und ein noch engerer Zeitplan waren die Herausforderungen für die Integration des Bürogebäudes „Tower“ in den laufenden ­Planungsprozess des bereits begonnenen Schwestergebäudes „Brick“. Ein hoher Grad an Vorfertigung ebnete den Weg für die erfolgreiche Umsetzung eines der letzten Stadtbausteine entlang der Europa-Allee.

Nach dem Masterplan von AS+P entsteht seit Ende der 1990er-Jahre auf dem Areal des ehemaligen Güterbahnhofs südlich des Frankfurter Messegeländes ein neues Stück Stadt, das vormals getrennte Stadtteile miteinander vernetzen und weiteres innerstädtisches Wachstum ermöglichen soll. Zentrale Entwicklungsachse ist die Europa-Allee, entlang derer sich im nördlichen Teil vor allem Büro- und Gewerbebauten, im südlichen Wohnblöcke wie an einer Perlenkette aneinanderreihen. Auf einem der letzten zu schließenden Grundstücke planten Schmidtploecker Architekten seit 2012 für die Aurelis zunächst das multitenant Gebäude „Brick“ im Passivhausstandard mit Gewerbenutzung im Erdgeschoss, einem öffentlichen Innenhof und einer Durchwegung mit Gastronomieflächen laut Bebauungsplan. 2017 kristallisierte sich hierfür die Deutsche Bahn AG als finale Mieterin heraus mit dem Wunsch nach einer zusätzlichen Erweiterung um ein zweites Gebäude auf dem direkten Nachbargrundstück – den sogenannten „Tower“. 3 500 Mitarbeiter-Innen sollten nach Fertigstellung in das Ensemble einziehen.

Mit der grundsätzlichen Gestaltungsidee der Architekten, die das Gebäude als eine Neuinterpretation historischer Industriearchitektur der 1920er-Jahre und damit als eine Reminiszenz an die ehemals industrielle Nutzung des Geländes verstehen, zeigte sich die Deutsche Bahn einverstanden. Zur Organisation und Ausgestaltung des Gebäudes sowie der verschiedenen Arbeitsplätze hatte sie allerdings sehr konkrete, eigene Vorstellungen und Vorgaben, die sich zum Teil deutlich von der bisherigen Planung des „Brick“ unterschieden (z. B. kein Passivhaus, keine öffentlichen Erdgeschosszonen). So musste zum einen die Umplanung des „Brick“ vorgenommen werden, zum anderen die Konzeption des Towers parallel dazu beginnen. Es folgte eine intensive Abstimmung mit der Mieterin inkl. Raumprogramm, Bau- und Nutzungsorganisation, technischen und gestalterischen Qualitäten, Ausarbeitung der Grundrisse, Sonderbauabstimmungen, Städtebau, Fassadengliederung sowie der Gestaltungsabstimmung für die Hochhausfassade (Wettbewerbsentwurf von Aldinger Architekten aus Stuttgart), die innerhalb von nur drei Monaten erreicht werden konnte.

Zeitersparnis durch Vorfertigung

Und dann begann der Wettlauf gegen die Zeit. „Dieser war nur mit einem enormen Grad an Vorfertigung zu gewinnen, wobei uns die beim „Brick“ bereits gemachten Erfahrungen sehr zu Nutze kamen“, erzählt Architekt Christian Schmidt. Gestalterisch sollten die beiden Gebäude zwar nicht wie Zwillinge, aber doch wie Geschwister harmonisch nebeneinander stehen. So war das gestalterische Ziel klar, der Weg dorthin musste beim Tower jedoch ein anderer und zwar deutlich schnellerer sein. „Eine kooperative Arbeitsweise mit dem Bauherrn und seinem Team, insbesondere einem kompetenten Projektsteuerer, war dabei unerlässlich und die Basis, auf der das Vorhaben gelingen konnte“ fährt Christian Schmidt fort. „Die Arbeitsweise am Tower beruhte auf einer schlüssigen und umfangreichen Vor- und Baustellenplanung sowie reibungslosen Abläufen, welche durch ein sehr diszipliniertes Lean-Construction-Management erreicht wurden.“ Sowohl der Rohbau als auch die Fassade sind aus Fertigteilen aufgebaut. Für die Fassadenelemente wurden zunächst die Mauerwerk­riemchen in die Schalung eingelegt und verfugt, damit das Erscheinungsbild der eigentlichen Ansichtsseite sauber bleibt. Dahinter kam die Bewehrung, welche mit Beton vergossen wurde. In diesem Schritt wurden bereits sämtliche Aussparungen und Verankerungen eingelegt. Durchbrüche, die durch das gesamte Fertigteil geführt werden sollten, wurden ebenfalls in Beton gegossen und die Riemchen im Nachgang ordentlich herausgeschnitten. Dass es gerade hier auf eine äußerst sorgfältige Werk- und Montageplanung ankam, ist selbstredend. Die größte Zeit­ersparnis konnte jedoch beim Wechsel von Ortbeton auf Betonfertigteile erreicht werden, da somit verschiedene Arbeitsprozesse auf der Baustelle parallel laufen konnten. Nachdem z. B. eine gewisse Anzahl an Fassadenteilen gesetzt und nivelliert war, konnte bereits die Schalung und Bewehrung der Geschossdecken begonnen werden. Und während des Setzens der Fassadenteile ließen sich auch schon Stützen, Brandwände sowie Aufzugskerne und Treppenhäuser schalen und gießen, in die die Fertigteilläufe und -podeste nur noch geschossweise eingehoben und ausgerichtet werden mussten.

Gestaltungs- und Ausführungsqualität

Um das Gebäude in seiner Gesamtwirkung hochwertig zu machen, kam es vor allem auf die Materialwahl und die sorgfältige Detaillierung an, für die die Architekten immer wieder kämpfen mussten. „Gliederung, Plastizität und Tiefe, Materialien und Maßstäblichkeit spielten sowohl in der Konzeption wie auch in der finalen Ausgestaltung eine entscheidende Rolle. Bei der letztendlichen Produktwahl galt es zu überzeugen, Baustoffe auszuwählen, die gut altern, anstatt zu ‚gammeln‘ “, erläutert Christian Schmidt. So wollten Schmidtploecker mit dem Gebäude-Ensemble nicht nur den fehlenden Stadtbaustein schaffen, der angemessen auf die städtebauliche Umgebung und die Nutzung reagiert, sondern vor allem auch ein dauerhaftes Haus, das sich seinen Nutzern auch in Zukunft anpassen kann. Aktuell ist es konsequent auf die Bedürfnisse der Mieterin Deutsche Bahn zugeschnitten, doch wer weiß, wie unsere Arbeitswelten in 20 Jahren aussehen werden? „Mit ‚Brick‘ und ‚Tower‘ wollten wir uns auf diese Veränderungen einlassen“ sagt Christian Schmidt. „So ermöglichen beispielsweise die haustechnische Installation im Deckenhohlraum sowie ein stringentes Ausbauraster eine jederzeit problemlose Umorganisation der Raumsituationen.“

Büroalltag

Mit der momentanen Situation hatte jedoch wohl keiner gerechnet, sodass wir bei unserem Rundgang durch die Büros für 3 500 MitarbeiterInnen nur etwa eine Handvoll an ihrem Arbeitsplatz in den 15 Büroetagen des Towers (das EG ist neben der Lobby komplett mit Konferenzräumen belegt, im 16. OG befindet sich ein Technikgeschoss) und dem westlich an den Tower anschließenden 7-geschossigen Blockrand antrafen. Obwohl das Gebäude im September 2020 fertiggestellt und bezogen wurde, wirkt alles wie in einen Dornröschenschlaf versetzt und es braucht schon etwas Vorstellungskraft, sich die Flure, die Kantine und die unterschiedlichen Einzelarbeitsplätze der Vorstandsetage sowie die offenen flexiblen Bürostrukturen mit viel Glas, modernen Möbeln und multifunktionalen Flächen in Betrieb vorzustellen. Immerhin, ein freundlicher Mitarbeiter schließt uns die Türen auf, die bodentiefen Lüftungsflügel lassen sich öffnen, die Aufzüge bringen uns in die verschiedenen Ebenen und zurück in die Tiefgarage, die aus Sicherheitsgründen direkt mit der Lobby im Erdgeschoss verbunden ist, und der Innenhof wird langsam wieder grün. Das resilente Bürogebäude wird es aushalten, bis das Leben zurückkehrt. KR

Ein Hochhaus als Stadtbaustein, Angemessenheit und Selbstverständlichkeit als Ziel, konsequente Anwendung der Vorfertigung und Elementierung in Rohbau, Ausbau und Fassade, ohne dies als Gestaltungszweck oder formales Kriterium nach außen zu kehren.« ⇥

⇥DBZ Heftpartner Christian Olaf Schmidt und

⇥Markus Plöcker, Schmidtploecker Architekten

Baudaten

Objekt: Deutsche Bahn Campus: Tower

Standort: Frankfurt am Main

Typologie: Büro- und Verwaltung

Bauherr: Aurelis 15. Objektgesellschaft Frankfurt Europaviertel Tower GmbH & Co. KG, Eschborn

Nutzer: Deutsche Bahn AG

Architekt: Schmidtploecker Architekten, Frankfurt am Main, www.schmidtploecker.de

Mitarbeiter (Team): Christian Olaf Schmidt (Geschäftsführer), Markus Plöcker (Geschäftsführer), C. Jessica Schauer (Projektleitung), Alexander Dill, Christopher Mück (stellv. Projektleitung), Jlia Počatková, Anna Kopp, Zhiyin Lu, Björn Wehrheim, Winta Kesete, Natascha Anhalt, Stefanie Grolik

Generalunternehmer: Arge LPS // Lupp, Prinzing, Schmid

Bauzeit: Januar 2018 – September 2020

Fachplaner

Entwurf Fassade: Aldinger Architekten, Stuttgart,

www.aldingerarchitekten.de

Tragwerksplaner: Technisches Büro Konstruktiver Ingenieurbau Stuttgart (Züblin), Stuttgart, www.zueblin.de; ProfessorPfeiferundPartner PartGmbB, Darmstadt, www.pfeifer-interplan.com (LPH 5 und teilw. LPH 4)

TGA-Planer: TechDesign-Gesellschaft für Technische Ausrüstung und Energietechnik mbH, Frankfurt am Main,

www.techdesignffm.de

Fassadentechniker: CBF-Christian Bonik, Bensheim,

www.cbfassadenberatung.de

Fassadenbauer: Heidersberger Fassadenbau GmbH, Greven, www.heidersberger-fassadenbau.de

Fertigteilhersteller: Stahlbeton Albert GmbH, Steyerberg, www.stahlbeton-albert.de

Fertigteiltreppen: Stanecker Betonfertigteilwerk GmbH, Borchen, www.stanecker.de

Innenarchitekt: M.O.O.CON (beauftragt durch DB), Frankfurt am Main, www.moo-con.com

Akustikplaner: ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik mbH, Wiesbaden, www.ita.de

Landschaftsarchitekt: freiraum X, Frankfurt am Main,

www.freiraumx.de

Brandschutzplaner: Ingenieurbüro für Bauwesen ICR, Darmstadt

Bauphysik: ITA Ingenieurgesellschaft für technische Akustik mbH, Wiesbaden, www.ita.de

Elektro: TP Elektroplan, Frankfurt am Main,

www.tp-elektroplan.de

Verkehrsplanung: Prof. Eger, Darmstadt,

www.eger-verkehrsplanung.de

Bodengutachten: Prof. Quick und Kollegen, Darmstadt,

www.quick-ig.de

Projektdaten

Grundstücksgröße: 4 950 m²

Nutzfläche gesamt: 43 147,57 m²

Nutzfläche: 36 163,51 m²

Technikfläche: 1 704,12 m²

Verkehrsfläche: 5 279,94 m²

Brutto-Grundfläche: 47 709,36 m²

Brutto-Rauminhalt: 182 338,77 m³

 

Hersteller

Vorgefertigte Fensterelemente: Schüco, www.schueco.com

Raffstoren: Warema, www.warema.de

Lamellen: Renson, www.renson.eu

Klinker: Hagemeister, www.hagemeister.de

Putz: Sto, www.sto.de

Dachbegrünung/-entwässerung: Optigrün, www.optigruen.de, ACO, www.aco-tiefbau.de

Trockenbau: Knauf, www.knauf.de

Metall-Heiz-Kühldecken: Schmidt GmbH,

www.schmidgmbh.de

Türen: Schüco, www.schueco.de, Hörmann, www.hoermann.de

Zutrittskontrollen, Türschließer: Dorma Kaba,

www.dormakaba.com

Aufzüge: Kone, www.kone.de

Lichtschaltersystem: Jung, www.jung.de

Türdrücker: FSB, www.fsb.de

Teppichboden: Interface, www.interface.com

Sanitär: Duravit, www.duravit.de

Software: Allplan, www.allplan.com, Solibri, www.solibri.com

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