Besucherzentrum Giant Causeway/IE

Der Damm des Riesen
Besucherzentrum Giant‘s Causeway/IE

Das Giant‘s Causeway Besucherzentrum von Heneghan Peng Architects aus Dublin ist eine Faltung in der saftig-grünen Landschaft Nordirlands. Es wird nur durch seine massiven, schwarzen Steinsäulen, die aus dem Boden wachsen und sich gegen den Himmel strecken, als Bauwerk erkennbar.

Lage

Das Besucherzentrum liegt an der Grenze zum Giant’s Causeway – dem „Damm des Riesen” – einem UNESCO Weltnaturerbe an der nördlichen Küste des Countys Antrim in Nordirland, ungefähr 80 km von Belfast entfernt. Die Küstenformation wurde aufgrund ihrer rund 40 000 gleichmäßig geformten Basaltsäulen mit einem geschätzten Alter von ca. 60 Mio. Jahren unter Schutz gestellt. Etwa die Hälfte der Basaltsäulen besitzt einen sechseckigen Querschnitt, wobei auch vier-, fünf-, sieben- oder achteckige Varianten auftreten. Der Giant’s Causeway führt etwa 5 km an den Klippen entlang, bevor er ins Meer eintaucht.

Zwei Faltungen

Das Besucherzentrum wurde so verortet, dass es mit der umgebenden Landschaft verschmilzt. Während es von der Küste aus im Damm verborgen liegt, wächst es auf der Landseite deutlich sichtbar als dunkle Masse aus dem Erdreich. Das Gebäude selbst ist nur Teil eines umfangreichen Projekts, bei dem es darum ging, die Zufahrtsstraße und den Parkplatz, die Straße und Haltestelle für den Bus, den Küstenweg und die Ausstellungsräumlichkeiten des Besucherzentrums zu organisieren. Das Ganze war in erster Linie ein Landschafts­projekt.

Beinahe alle Besucher kommen mit dem Auto. Die Frage nach der Unterbringung und Organisation der vielen Parkplätze wurde daher zur Priorität der Architekten. Sie wollten unter keinen Umständen ein Bauwerk, das von Parkplätzen eingeschnürt wird. Die Lösung, die sie vorstellten, war ebenso einfach wie genial: zwei Faltungen in der Landschaft, die das Ensemble organisieren.

Die eine hebt sich nach oben und schafft damit den Raum für das eigentliche Besucherzentrum. Die andere senkt sich nach unten und schafft eine Ebene für den Parkplatz, der dadurch dem unmittelbaren Blickfeld des Besuchers entzogen wird. Zwischen diesen beiden Faltungen führt eine breite Grasrampe die Gebäudefassade entlang hoch zum Damm. Dadurch wird die Aufmerksamkeit des Besuchers auf den Damm und nicht die Parkplätze gelenkt.

Geometrie

Das Ensemble ist streng entlang zweier Linien organisiert: die erste verläuft parallel zur Wasserkante während die zweite eine gedankliche Verbindung zwischen dem Giant‘s Causeway und dem benachbarten Bahnhofsgebäude darstellt.

Die strenge Geometrie begründet Róisín Heneghan, Mitbegründerin von Heneghan Peng Architects, damit, dass das Besucherzentrum einen klaren, wenn auch zurückhaltenden Eingriff des Menschen in die bestehende Landschaft darstellen sollte. Ebenso entspricht die Geometrie der Anlage dem vom Menschen bearbeiteten Basaltstein mit seinen harten, scharfen Kanten. Nicht zuletzt sind die Edelstahlgeländer auf den Dachflächen deutliches Zeichen einer menschlichen Intervention.

Die zwei Linien halfen den Architekten, das neue Besucherzentrum zwischen den bereits existierenden, heterogenen Strukturen – bestehend aus einem Hotel, einem Restaurant sowie der nahe gelegenen Schule – zu organisieren und damit ein Ruhe ausstrahlendes Objekt einzufügen. Die von Heneghan Peng Architects vorgestellte Lösung und das Eingraben der Parkplätze in den ursprünglichen Hang implizierte neben den umfangreichen Erdarbeiten auch sehr viel Überzeugungsarbeit.

Die Stützwand zwischen dem Damm und dem tiefer gelegenen Parkplatz liegt auf einer der beiden Achsen und ist ein wichtiges Element der Gesamtkomposition. Ein Durchgang durch diesen Damm erlaubt es den Besuchern, direkt vom Parkplatz aus zur Bushaltestelle auf der anderen Seite zu gelangen. In diesem Durchgang befindet sich auch der Nebeneingang des Besucherzentrums.

Die Straße für den Shuttelbus, mit dem die Besucher an die Küste gebracht werden können, wurde im Zuge der Arbeiten abgesenkt, sodass auch sie aus dem direkten Blickfeld der vom Meer nach oben kommenden Besucher verschwindet.

Der Küstenweg wurde nach dem Bau an dieser Stelle wieder hergestellt und führt über das Gebäude hinweg. Einem Spaziergänger, der den Weg entlang kommt, wird erst durch die Lichtschlitze im Gras bewußt, dass er auf einem Gebäude steht.

Basalt

Das Erscheinungsbild der Anlage wird durch den schwarzen Basalt geprägt. Er stammt aus einem nahegelegenen Steinbruch und ­entspricht in seiner Qualität und seiner Zusammensetzung der Gesteinsformation des Giant‘s Causeway. Es ist ein leicht brechender Stein, der in der Regel zur Pflasterung von Straßen benutzt wird und kein Standardmaterial für den Gebäudebau darstellt. Erst nach der Durchführung verschiedener Test wurde er zum Bau der Fassade zugelassen.

Aufgrund ihrer Brüchigkeit mussten die Steine eine Mindestgröße aufweisen, die in weiterer Folge auch das Design der Fassade bestimmte. Róisín Heneghan bestätigt, dass die Basaltfassade nur durch das ausgezeichnete handwerkliche Können eines lokalen Steinmetzes und die kompromisslose Unterstützung des Bauherrn realisiert werden konnte.

Die Basaltstützen sind nach ihrer Lage im Verhältnis zu den Hauptachsen zugeschnitten, wodurch sich ihr leicht trapezförmiger Querschnitt erklärt.

Reduktion auf ein Minimum

Der große, offene Innenraum erinnert nicht ungewollt an die Kargheit und Rauheit von Landwirtschaftsgebäuden. Die Atmosphäre wird durch einfache Materialien wie dem Sicht­beton der Decke, den dunklen Stahlstützen, den schwarzen Basalteinlagen des Betons und den einfachen Eichenmöbeln – ebenfalls von Heneghan Peng Architects entworfen – geprägt.

Vom Eingang aus bewegt sich der Besucher auf den verschiedenen Plateaus nach oben und folgt somit indirekt der außenliegenden Grasrampe. Unter letzterer organisierten die Architekten die Toilettenanlagen. Vom höchsten Plateau aus können die Besucher durch den Nebeneingang direkt zur Bushaltestelle gelangen.

Die Zwischenwände, die Platzierung der Dachstützen und die Ränder der Plateaus im Inneren des Besucherzentrums sind nach den zwei Hauptachsen ausgerichtet. So liegen auch die Dachflächenfenster auf einer Linie mit den Parkplätzen. Daraus erklären sich die zur Fassade schräg verlaufenden Treppen im Inneren.

Róisín Heneghan betont, dass es sich bei dem rund 18 000 m2 großen Besucherzentrum um ein sehr einfaches geometrisches Volumen handle, das vor allem durch den Lichteinfall dramaturgisch bestimmt werde. “Es war für uns sehr wichtig, dass der Besucher auch im Gebäudeinneren die sich verändernden Licht- und Wetterverhältnisse sehen und nachvollziehen kann. Deshalb haben wir so viele Fensterflächen vorgesehen”, sagt Róisín Heneghan.

Programmatisch sind im Gebäude neben den Ausstellungsflächen noch ein Shop, ein Café, die Toiletten und diverse Neben- und Lagerräume untergebracht.

Konstruktion

Die Tragkonstruktion des Bauwerks beschränkt sich im wesentlichen auf die schmalen, langen Stahlbetonstützen und die Betonplatten der Dachkonstruktion, die die Lasten des Grasdaches tragen.

Die Deckenschalung musste lange beibehalten werden, um dem Beton die notwendige Festigkeit zu verleihen. Nach dem Entfernen der Schalung war der Beton zuerst dunkelblau und erlangte erst im Laufe der Zeit die vorgesehene, weiße Farbe.

Die Basaltsäulen der Fassade sind nichttragend. Schon aus logistischen Gründen wäre es unmöglich gewesen, die Fassade tragend auszuführen. Der Abbau und Zuschnitt der einzelnen Steine dauerte zu lange, die letzten Steine wurden erst kurz vor der Eröffnung montiert.

Zusammengeschraubte Stahlplatten bilden die Tragkonstruktion des Daches. Sie stehen manchmal unter den Dachfenstern, manchmal unter der Decke und wurden speziell für dieses Bauwerk entworfen.

Der Übergang vom Dach zur Fassade wurde von den Architekten sehr elegant gelöst, indem die Stahlbetonplatte zurückversetzt wurde. Dadurch verschwindet das Dach in der Ansicht völlig, die Vertikalität der Basaltelemente wird betont. Die Glasflächen schließen am oberen Ende mit einem einfachen, dünnen Stahlprofil ab, in das auch eine LED Beleuchtung integriert ist.

Nachhaltigkeit

Aufgrund seiner Lage am Rande eines Weltnaturerbes mußte das
Gebäude den Anforderungen BREEAM „Excellent” entsprechen. Die große Anzahl der erforderlichen Parkplätze stellte dabei ein entscheidendes Problem für den Landschaftsschutz dar. Aufgrund der sensiblen, geschützten Natur konnten darüberhinaus keine Solarpaneele oder Windräder verwendet werden.

Aus diesem Grund konzentrierten sich die energetischen Maßnahmen vor allem auf die Reduzierung der Energieverluste und eine grüne Energiegewinnung durch eine Wärme-Kältepumpe, die gleichzeitig technische Aufbauten auf dem Grasdach überflüssig machte.

Die ausgezeichnete Wärmedämmung des Gebäudes ist durch das Grasdach, die Eingrabung ins Erdreich und die geringe Fassaden­fläche gegeben. Der Einsatz künstlicher Beleuchtung konnte gering gehalten werden, da der Tageslichteinfall durch die hohen Fensterschlitze und die zusätzlichen Dachfenster sehr hoch ist.

Daneben spielt die Verwendung lokaler Baumaterialien, wie dem Basalt, für die Zertifizierung des Gebäudes eine entscheiden­de Rolle.

Selbst die Dachbegrünung wurde ein eigenes Forschungsprojekt, da die Standardgrasmischungen nicht verwendet werden durften, um keine neuen Grasarten ins Gebiet einzuführen. Der National Trust sammelte über zwei Jahre verschiedene lokale Grassamen, die miteinander gemischt und getestet werden mussten, um eine harte Grasmischung zu finden, die der Lokalität, aber auch der Benutzung standhalten würde.

Das Gelände ist vor allem durch die weitreichenden Erdarbeiten an dieser Stelle nicht mehr widerzuerkennen. Die Entscheidung, den Parkplatz in den Hang zu schneiden, erscheint sehr aufwendig, wird sich aber langfristig rechnen und stellt sicherlich die beste Lösung zum Schutz der Landschaft dar.

Die Massivität der Basaltsäulen wird durch das Zurückspringen der Glasflächen wieder aufgelockert, die Transparenz des Gebäudes je nach Blickwinkel verändert. Die Fassade besitzt alle Elemente eines steinernen Vorhangs, der den Besucher ausgezeichnet auf das Spektakel des Giant‘s Causeway vorbereitet.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 09/2014

Besucherzentrum und Stelzenbrücke, Mont Saint Michel/FR www.lwa.fr

Der Mont Saint Michel zählt mit seinen jährlich rund 2,5 Mio. Besuchern zu den bedeutendsten Kulturdenkmälern Frankreichs. Bislang war der gut 70?m hohe, klerikale Inselberg im Westen der Normandie...

mehr
Ausgabe 06/2023 Leiser Auftakt zum Welterbe

Besucherzentrum, Bernau

Die Idee für ein neues Besucher:innenzentrum für das Bauhaus Denkmal „Bundesschule des ADGB“ in Bernau entstand im Jahr 2018, nachdem die Bundesschule des Allgemeinen Deutschen...

mehr

Staab Architekten zweimal in Kassel

Fast zeitgleich wurden das Besucherzentrum Herkules und die Neue Galerie in Kassel eröffnet

Volker Staab bezeichnete es als Zufall. Man könnte es auch Überzeugungskraft nennen. Jedenfalls durfte er der Museumslandschaft Hessen Kassel zwei wichtige Architekturen schenken, die beide in...

mehr
Ausgabe 04/2024 Ort für Begegnung

Besucherzentrum Edersee, Edertal

Der Edersee nahe der nordhessischen Stadt Waldeck ist mit fast 200 Millionen Kubikmetern Fassungsvermögen der drittgrößte (bezogen auf die Wasseroberfläche sogar der zweitgrößte) Stausee in...

mehr
Ausgabe 01/2012

Besucherzentrum am Herkules www.staab-architekten.com, www.museum-kassel.de

Gleich zweimal konnte sich das Büro um Volker Staab in der Kassler Museumslandschaft verewigen: einmal mit dem Besucherzentrum auf dem Herkulesplateau, dann, quer über die Stadt Richtung Osten mit...

mehr