Buchrezension: Bauhaus Reisebuch. Weimar. Dessau. Berlin.

Mit dem Begriff „Bauhaus“ verbinden die meisten Menschen eine Person oder eine Geschichte. Oft fallen Begriffe, wie „Bauhausstil“, „Bauhaus-Architekt“ oder „Moderne“. Dass bei diesem unvollständigen Vorwissen und oft plakativ angewandten Begriffen ein (auf-)klärender Rundumschlag zum Thema geschrieben wurde, scheint angebracht und hat – ein gutes Jahr vor dem 100. Gründungsjubiläum – perfektes Timing.

Beim ersten daumenkinoartigen Durchblättern – das Format ist zwar handlich, allerdings nicht hosentaschentauglich – fällt die grafische Setzung der Texte, Abbildungen und Fotografien auf. Auf den zweiten Blick auch die inhaltlich logische Erzählfolge von der Entwicklung der Hochschule für Gestaltung entlang seiner Standorte – Weimar, Dessau und Berlin. Dabei geht es nicht um eine pure Auflistung von Lehr-, Werk-, Neubauten und Projekten der Lehrer und Schüler des Bauhauses, denn Abbildungen von Werken und Gebäuden sind kombiniert mit Fotografien aus dem Privatleben der Akteure. Sie geben einen ersten Eindruck dessen, was im Text konkretisiert wird: Eine Betrachtung aus verschiedenen Perspektiven auf die äußeren Umstände, mit denen die Mitglieder der Hochschule konfrontiert wurden und auf die sie mit ihren Arbeiten an der Hochschule reagierten. Auf diese Weise gibt die Lektüre einen nachvollziehbaren Einblick in die turbulenten Ereignisse der damaligen Zeit (1919-33) und das, was sich daraus in der 14-jährigen Geschichte der Schule durch die Mitwirkenden entwickelte.

Den Texten der Autoren Susanne Knorr (über Weimar), Ingolf Kern (über Dessau) und Christian Welzbacher (über Berlin) merkt man das gelernte Handwerk an – sie lesen sich im Zug sitzend und rückwärtsfahrend mühe- und pausenlos über mehrere Seiten, weil die Gedankengänge der Autoren so klar und reibungslos aufeinander folgen. Die grafische Aufbereitung des Inhalts tut Ihres dazu: Sie unterscheidet verschiedene Textformen (Anekdote, Fließtext, Bildunterschrift, Zitat) sowohl in ihrer Schriftart als auch Schriftgröße und Farbgebung. Die damit entstehenden Zäsuren sind eine Wohltat für Kopf und Auge.

Jede der drei Betrachtungen der Bauhaus-Standorte beginnt mit einem Einblick in die Stadtsituation und deren Gesellschaft, die die Mitglieder der Hochschule vorfanden. Die darauffolgenden Erzählungen über die Lehrer und Schüler und die Entstehungsgeschichten ihrer Projekte sind neben dem jeweiligen Titel auch grafisch durch deren Grundflächen, wie aus dem Schwarzplan gezogen, markiert. Ein abschließender Lageplan zeigt durch Nummerierung die Positionen der genannten Projekte an, die auf den folgenden Seiten für einen Besuch vor Ort informativ mit Kontaktdaten (Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Webseite und Öffnungszeiten), einem kleinen Ausschnitt des Lageplans und kurzen Reisetipps (z.B. Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln) für den Leser – vielleicht auch Reisenden – zusammengestellt sind. Für ein Reisebuch also genau das Richtige. Die Auflistung der Personen-, Orts- und Objektregister komplettiert zum Schluss eine Lektüre, die sowohl inhaltlich, als auch grafisch zum Stöbern und Informieren einlädt.

Spätestens auf Zitate, wie z.B. das folgende zum Thema „Feste feiern“, wird bei ehemaligen Studenten automatisch das Kopfkino der eigenen (wilden) Studienjahre starten: „Kandinsky liebte es, als Antenne zu erscheinen. Itten kam als amorphes Ungeheuer, Feininger als zwei rechtwinklige Dreiecke, Moholy-Nagy als von einem Kreuz durchbohrtes Segment, Gropius als Le Corbusier, Muche als ungewaschener Apostel und Klee als Gesang des blauen Baumes.“ (Farkas Molnár, S.54) M.S.

Die andere Rezension zum Bauhaus Reisebuch von DBZ-Redakteur Benedikt Kraft finden Sie hier.

Bauhaus Reisebuch. Weimar. Dessau. Berlin. Hrsg. v. der Bauhaus Kooperation gGmbH, mit Texten v. Simone Knorr (Weimar), Ingolf Kern (Dessau) und Christian Welzbacher (Berlin). Prestel, München 2017, 304 S., 122 Farb- u. 109 sw Abb.

19,95 €, ISBN 978-3-7913-8244-9

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