Arbeitsidylle
Plastikstudio,
Architekturbüro SelgasCano, Madrid/E








Wer möchte nicht gern direkt in der Natur arbeiten? Das Architekturbüro SelgasCano erfüllte sich diesen Wunsch, indem es seinen Arbeitsplatz in die Wälder bei Madrid verlagerte. Die Architekten pflanzten einen Baukörper in die Erde, in dem sie arbeiten und dabei die Natur erleben.

 

Formfindung

Arbeiten unter Bäumen, das war das Entwurfsziel, das sich José Selgas und Lucía Cano, alias SelgasCano Architekten, für den eigenen Büroneubau gesetzt hatten. Um das Gefühl der unmittelbaren Einbindung in die Natur und die ständige Sichtbeziehung in die Bäume baulich umzusetzen, wurde die größtmögliche Transparenz der Hülle angestrebt. Der Bereich der Arbeitsplätze hingegen mus-ste vor dem direkten Sonnenlicht geschützt werden.

Die Architekten entschlossen sich zu einer lang gestreckten Kubusform, in der ein einziger großer Arbeitsraum untergebracht ist. Der Baukörper verläuft von Ost nach West. An der Südseite ist ein funktionaler Arbeitsbereich entstanden, in dem die Schreibtische angeordnet sind. Das Material der Außenwand ist hier lichtdurchlässig, die Schatten der Bäume werden an Dach und Wand projiziert und lassen sich im Inneren ablesen.

Die Nordseite ist oberhalb der Erdoberfläche komplett transparent; während der Arbeit kann man den Ausblick in die Natur ungehindert genießen. Der Materialwechsel vollzieht sich genau in der Längsachse und wir im Innenraum farblich betont: Die Natur-Seite im Norden ist in einem leuch­tenden Grün gestrichen, der arbeitsreiche Süd­bereich ist in kühlem Weiß gehalten. Um den Blick auch horizontal auf die Natur auszurichten, ist der Baukörper halbhoch in die Erde eingelassen. Dies bringt zudem klimatische Verbesserungen, vor allem in den heißen Sommern Spaniens.

 

Konstruktion

Die einfache Form bedingte eine unvorhergesehene, komplexe Ausführung. Es gab keine Normbauteile, die die Raum- und Materialvorstellungen der Architekten erfüllten. Für Spezialanfertigungen, vor allem im Bereich der Kunststoff-Fertigung, war das Gebäude allerdings zu klein.

Besonders die abgerundete Form des trans­luzenten Bereichs erforderte Improvisationstalent. Eingesetzt wurde dort eine Doppelscheibe, bestehend aus Fiberglas und Poly­ester, in deren Mitte ein transluzenter Polyethylen-Schaum zur Wärmedämmung eingespritzt wurde. Alles drei zusammen bildet ein 110 mm dickes Sandwichelement. Die Polyester-Schicht besteht aus zwei Komponenten: einem geraden Teil mir aussteifenden Rippen und einem gebogenen. Die ge-bogen­en Stücke stellten ein Problem dar. Die bauliche Lösung fand sich nur beim Dach einiger weniger deutscher Bahnwagen. Für die geringe Menge, die SelgasCano für ihr Büro benötigten, lohnte es sich für die herstellende Firma nicht, eine Produktion zu starten. Also mussten die Architekten warten, bis die Deutsche Bahn eine Bestellung für neue Waggons aufgab, im Zuge dessen die Formstücke für das Büro mitgefertigt wurden.

Die transparente Hülle besteht aus gebogenem Plexiglas, an den Kanten gefräst, um eine transparente Silikonabdichtung bündig zwischen den Platten aufbringen zu können.

Bis zur Erdoberfläche besteht der Bau aus Beton, im Inneren mit Holz verschalt. Der Boden wurde mit Holzdielen ausgelegt − eine materielle Transformation der Außenwelt.

Zur Klimatisierung des Raumes gibt es an den beiden Kopfenden ein ausgeklügeltes manuelles System: Mittels eines Seilzugs mit Gegengewichten lässt sich ein Fenster aus zehn Millimeter starkem opaken Acrylglas auf- und zuklappen. Die Luft kann dementsprechend über die gesamte Gebäudelänge zirkulieren. Auch hier erweist es sich als funktional, dass sich die Öffnung außen direkt über dem kühlen Waldboden befindet und im Inneren direkt unter der Decke.

Die Arbeit im Studio im Grünen bedeutet eben nicht nur, optisch die Natur zu erfahren, sondern mit allen Sinnen. SG

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