Bau-Turbo und Gebäudetyp-E-Gesetz – Was kommt jetzt auf uns zu?

Der Bau-Turbo und das in Planung befindliche Gebäudetyp-E-Gesetz sollen die Schaffung von Wohnraum beschleunigen und günstiger werden lassen. Immer mit der Hoffnung, dass die angestoßenen Genehmigungsprozesse umsetzbar sind und die Verwaltungsverfahrenszeit kürzer wird. Das Ziel ist, den Baupreis pro Quadratmeter signifikant zu senken, damit Wohnungen künftig zu einer angemessen günstigen Miete angeboten werden können. Worauf sich Planer bereits einstellen müssen und in Zukunft wahrscheinlich einstellen können, wird in diesem Beitrag angesprochen.

Bei dem Bau-Turbo handelt es sich um eine seit dem 31.10.2025 geltende Gesetzesänderung im Baugesetzbuch (Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung) die vorrangig dazu dienen soll, mehr Wohnraum zu schaffen. Im Mittelpunkt steht der zunächst bis zum 31.12.2030 befristet geschaffene § 246e BauGB. Er enthält Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorgaben, wenn es sich um Vorhaben zu Wohnzwecken handelt und die Gemeinden ihre Zustimmung erteilen – insofern keine schädlichen Umwelteinwirkungen dagegensprechen. Ob es zu Abweichungen von den bauplanungsrechtlichen Vorgaben kommen wird, hängt daher maßgeblich von der Gemeinde ­ab. Ferner gibt der Bau-Turbo unter denselben Vo­raus­setzungen die Möglichkeit zur Abweichung von Festsetzungen in bestehenden Bebauungsplänen nach § 31 Abs. 3 BauGB und weitere Abweichungsmöglichkeiten von dem Gebot des ­Einfügens bei Wohnbauten nach § 34 Abs. 3b BauGB.

Ob der Turbo die PS tatsächlich auf die Straße bringen kann, hängt maßgeblich davon ab, ob die Gemeinde die „Beschleunigung“ zulässt und Geschwindigkeitsbeschränkungen abbaut.

Für die Anwendung der Abweichungsmöglichkeiten wird stets die Zustimmung der Gemeinde benötigt. Damit die Gemeinden sowie auch die Bauherren diesen Zustimmungsprozess optimal einleiten können, wird es von den Gemeinden Leitlinien geben. In Berlin zum Beispiel hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen für alle Bezirke einheitlich einen sogenannten Leitfaden entwickelt, der in dem Zustimmungsprozess als Orientierung und Arbeitshilfe dienen soll. Anhand des § 34 Abs. 3b BauGB erklärt der Leitfaden zunächst das Ziel der Vorschrift und das Verhältnis zu dem ebenfalls neu geschaffenen § 246e BauGB. Für Abweichungen soll demnach zuerst der § 34 Abs. 3b BauGB geprüft werden und falls dies nicht allein zum Ziel führen würde, ist anschließend der § 246e BauGB zu prüfen. Da es sich bei den Abweichungen nach § 34 Abs. 3b BauGB um weitergehende Abweichungen als in § 34 Abs. 3a BauGB handelt, ist nicht nur das Einvernehmen der Gemeinde notwendig, sondern deren Zustimmung. Die Vereinbarkeit mit den öffentlichen Belangen unter Würdigung nachbarlicher Belange muss ebenfalls immer vorliegen.

Der § 34 Abs. 3b BauGB ist als „Kann“-Vorschrift ausgestaltet. Es steht damit im Ermessen der Gemeinde, die begehrte Abweichung zuzulassen. Ein direkter Anspruch des Bauherrn besteht damit nicht. Der Bauherr hat aber einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Dies bedeutet, dass die Behörde ihr Ermessen tatsächlich ausübt, nur sachgerechte Kriterien berücksichtigt und dabei im gesetzlichen geforderten Rahmen bleibt. Dies kann von den Verwaltungsgerichten im Rahmen einer Klage auf Fehler überprüft werden.

Die Vorschrift wird regelmäßig dort angewendet werden, wo in bereits bebauten Innenstadtlagen nachverdichtet bzw. der Bestand umgebaut werden soll. In Großstädten wie Berlin ist dies aufgrund der Knappheit an Baugrundstücken eine ernsthafte Möglichkeit, durch Nachverdichtung neuen Wohnraum durch Schaffung von Anbauten auf den Höfen oder durch Dachaufstockungen zu schaffen. Am konkreten Beispiel Berlin bedeutet dies: Nachdem für immer mehr der ehemaligen Westberliner Stadtteile die Gültigkeit des „BO58“ als Bebauungsplan aufgrund Funktionslosigkeit wegfällt und die Bebaubarkeit der Grundstücke sich dann nach § 34 BauGB orientiert, ist der Weg frei für die Schaffung von neuem Wohnraum, sofern die Gemeinden im Rahmen der Zustimmungserteilung daran mitwirken wollen. Aber auch bei geltenden Bebauungsplänen sind gemäß § 31 Abs. 3 BauGB weitere Abweichungsmöglichkeiten von bestehenden Bebauungsplänen geregelt.

Für den Planer bedeutet das, dass er prüfen muss, ob sich das Vorhabengrundstück innerhalb eines Bebauungsplans oder im unbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB befindet. Sodann kann er – sofern Abweichungen notwendig sind – anhand der Leitlinien prüfen, welcher Begründungsaufwand für etwaige Bauvoranfragen notwendig ist, um dem Bauherrn zum Baurecht zu verhelfen.

Wie sich die Regeln in der Praxis niederschlagen werden, wird sich zeigen. Im Fokus werden sicherlich Streitigkeiten über die Zustimmung der Gemeinde sein. Wenn es zu Streitigkeiten kommt, steht allerdings der Sinn und Zweck der Regelung wieder in Frage, da dann sicher nicht – im Sinne des Bau-Turbos – schnell neuer Wohnraum geschaffen wird.

Der Bau-Turbo ermöglicht es der Gemeinde aber auch, neue Bebauungspläne zu entwickeln, z. B. Wohnbebauung im Grenzbereich von Lärmvorschriften zuzulassen. In diesem Zusammenhang gilt es besonders, die Regelung § 216a BauGB bei der Planung von Vorhaben im Geltungsbereich solcher Bebauungspläne zu beachten. Stellt sich nämlich nach Errichtung der Wohngebäude vor Gericht heraus, dass der Bebauungsplan aufzuheben ist, weil er unzulässige Lärmbelastungen zugelassen hat, ist die Rechtsfolge nach § 216a BauGB zwar, dass das bereits errichtete Gebäude bestehen bleiben kann. Der Bauherr muss dann aber kostenträchtige Maßnahmen zur Reduzierung der Lärmbelästigung durchführen, die schnell zur existentiellen Kostenfalle werden ­können. Die Planer – auch wenn wohl eine Haftung nicht bestehen sollte, sofern ein Bebauungsplan unvorhersehbar wieder aufgehoben wird – tun gut daran, die Festsetzungen zur Abweichung von Lärmschutzvorschriften sehr konservativ zu prüfen. Es empfiehlt sich in den Fällen, wo sich eine unzulässige Festsetzung zu den Lärmschutzvorschriften aufdrängt, den Bauherrn über das Risiko und die wirtschaftlichen Folgen aus dem § 216a BauGB zur Sicherheit konkret und schriftlich aufzuklären.

Dass es mit dem Bau-Turbo tatsächlich auch ­möglich werden soll, preiswerten Wohnraum zu schaffen, scheint indes nicht erklärtes Ziel zu sein. Es sind andere Regelungen, die die Baupreise nach oben gehen lassen. Hiermit soll sich das Gebäude-Typ-E-Gesetz befassen, das derzeit von der Bundesregierung geplant wird.

Die Idee mit dem Gebäude-Typ-E-Vertrag

Nachdem das Baugesetzbuch mit dem Bau-Turbo auf Bundesebene reformiert worden ist, versucht die Bundesregierung ebenfalls auf Bundesebene das Bürgerliche Gesetzbuch im Bereich der Bauverträge zu reformieren – mit dem Ziel, die Baukosten deutlich zu senken. Sind die Baukosten hoch, müssen auch entsprechende Mieten für die gebauten Wohnungen erzielt werden oder es werden erst gar keine Mietwohnungen mehr gebaut. Mit dem Gebäude-Typ-E-Vertrag soll auf technische Vorgaben verzichtet werden, die vom Gesetz her nicht zwingend vorgeschrieben sind. Es soll um eine Reduzierung von Ausstattungsmerkmalen gehen, eine Reduzierung von aktuell hohen Wohnstandards auf ein niedrigeres Niveau, das trotzdem ein angemessenes Wohnen gewährleisten soll. Im Kern geht es um Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik durch innovative Konstruktions- und Bautechniken, weniger massive Wände und Decken und nicht zwingend notwendige Komfortmerkmale wie Handtuchheizkörper oder dreifach ­isolierverglaste Fenster. Am 20.11.2025 wurde ­hierzu ein neues Eckpunktepapier von der Bundes­regierung veröffentlicht (Pressemitteilung ­Nr. 72/2025). Der Gebäudetyp-E soll keine neue Gebäudeklasse werden, sondern ein neuer Bauvertragstyp, der Gebäudetyp-E-Vertrag. Wenn in Bauverträgen nichts Konkretes hinsichtlich der Ausstattung vereinbart wird, werden die für das Bauwerk üblichen Qualitäts- und Komfortmerkmale sowie die Einhaltung der anerkannten Regeln der Technik geschuldet, die sich an den Stand zur Errichtungszeit des Bauwerks orientieren. Dieser Stand ist erheblich höher und teurer als der Stand noch vor 15 Jahren. Wird im Bauvertrag nichts anderes vereinbart, gilt dieser teure Standard als geschuldet, was sich demnach auch im hohen Baupreis zeigt.

Von den anerkannten Regeln der Technik könnte man auch bereits heute ohne Gebäude-Typ-E-Vertrag abweichen. Dies würde aber eine rechtssichere Aufklärung der Bauherren erfordern, die von Planern und bauausführenden Unternehmen geleistet werden müsste. Aufgrund der strengen Anforderungen an eine solche Aufklärung und die weitreichenden Haftungsrisiken bei der Nichteinhaltung werden Unterschreitungen von den anerkannten Regeln der Technik in der Praxis so gut wie nie vereinbart. Hier soll der Gebäude-Typ-E-Vertrag ansetzen.

Ziel des Gebäudetyp-E-Vertrags soll es sein, rechtssicher von dem geltenden Baustandard auf einfachere Standards abzuweichen. Der Gebäudetyp-E-Vertrag muss ausdrücklich vereinbart werden, anderenfalls bleibt es bei den bisher geltenden Regelungen. Bei den Abweichungen soll unterschieden werden zwischen technischen ­Bestimmungen, die über die Bauordnungen der Länder Geltung beanspruchen, sowie die dort nicht geregelten technischen Bestimmungen ­zu Qualitäts- und Komfortmerkmalen. Abweichun­gen von den in den Bauordnungen der Länder geregelten technischen Bestimmungen sind nur unter den Bedingungen möglich, die auch die jeweils geltende Bauordnung zulässt. Von den dort nicht geregelten technischen Bestimmungen kann bis auf einen einfachen Standard nach unten abgewichen werden.

Ausstattung und Komfort überdenken

Der einfache Standard soll nach dem Eckpunktepapier ein Standard sein, „mit dem beim kostenreduzierten und einfachen Bauen vom (von der Rechtsprechung bei Lücken im Vertrag zugrunde gelegten) ‚üblichen Standard‘ nach unten abgewichen wird, und bei dem bestimmte Ausstattungs- und Komfortmerkmale reduziert sind. Die zeitgemäße Gebrauchstauglichkeit bleibt gleichwohl sichergestellt.“ Der Auftragnehmer soll bei der Sicherstellung der dauerhaften Gebrauchstauglichkeit von den ­anerkannten Regeln der Technik bei Komfort- und Ausstattungsmerkmalen abweichen können. ­Bauherren sind entsprechend aufzuklären, Verbrauchern müssen Konsequenzen und Risiken auf­gezeigt werden. Bei anschließenden Kauf- oder Mietverträgen sind die Käufer oder Mieter über die Abweichungen aufzuklären. Ferner soll die Vermutung entfallen, dass DIN-Normen anerkannte Regeln der Technik darstellen.

Als Beispiele werden aufgeführt:

· Einhaltung der Mindeststandards bei Schallschutz, Tragwerk, Energiestandard, Barrierefreiheit und technischer Gebäudeausstattung

· Robuste und einfache Außenwand (monolithischer Wandaufbau mit geeigneten Baustoffen ohne zusätzliche Außendämmung)

· Reduzierte Wand- und Deckstärken (Reduzierung Materialstärke auf die statische Mindestanforderung)

· Ausführung des Deckenaufbaus gemäß den Mindeststandards im Schallschutz

· Robuste und einfache Haustechnik

· Verzicht auf eine mechanische Be- und Entlüftung, stattdessen natürliche Fenster- und Querlüftung;

· Reduzierung der Norm-Innenraumtemperatur.

Rein rechtlich wird es spannend bleiben, den Begriff sowie die konkrete Reichweite des „einfachen Standards“ zu definieren und von den technischen Bestimmungen abzugrenzen, die die jeweils geltende Bauordnung vorschreibt. Nur mit Rechtssicherheit ist Planern und Bauherren auf der Kostenseite und im Planungsprozess geholfen. Zu Recht kritisch gesehen werden darf die Umsetzung eines funktionierenden Verbraucherschutzes sowie der Schutz der Baukultur, die nicht durch billige Substandards zu ungesunden Wohnverhältnissen oder allenfalls kurzlebigen Baukörpern führen darf.

 

Die Nutzung der männlichen Form in Fällen der Allgemeingültigkeit dient ausschließlich der Lesbarkeit juristischer Texte.

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