„Bau-Turbo“ verabschiedet. Bringt der etwas?

Seien wir ehrlich: der „Bau-Turbo“ – was immer das sein könnte – dient weniger der Entschärfung am (Miet)Wohnungsmarkt als der Förderung der Bautätigkeit. Denn die liegt danieder wie lange nicht, mit deutlichen Auswirkungen auf Arbeitsmarkt und BIP. Dass es der deutschen Wirtschaft gerade nicht rosig geht, hat viele Gründe, einer davon ist das Festhalten an alten Zöpfen, die bis vor wenigen Jahren noch wie pures Gold waren: Autos bauen.

Das können nun andere besser oder sagen wir: marktangepasster, also billiger, mit weniger Umweltauflagen, also geringeren Energiekosten, geringeren Materialkosten (Stichworte: Gewinnung, Entsorgung, Transport etc.) und natürlich geringeren Personalkosten. Ob wir diesen, für Deutschland wesentlichen Industriezweig am Leben erhalten wollen und können ist eine Frage, die der aktuelle „Autogipfel im Bundeskanzleramt“ gerade mit einem „Weiter so wie schon immer!“ recht fantasielos beantwortete. Wir alle ahnen, dass selbst eine 100 Prozent-Elektromobilität nicht die Klimakrise vermeiden hilft, noch die Zukunft unseres Industriestandorts zu sichern in der Lage ist. Dass am Tag vor diesem Gipfel die Bundesregierung am 9. Oktober den „Bau-Turbo“ als beschlossene Sache verkündete – als „Gesetz zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung“ – verwundert nicht, schließlich geht es beim Bauen definitiv auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland und sehr viele tausend Arbeitsplätze.

Nun also ein Gesetz, das den Kommunen relative Planungsfreiheit bei Planungssicherheit geben soll. Entbürokratisierung steht hier ganz vorne, ein Laissez-faire dahinter: Endlose Diskussionen, ob und an welchem Ort wie gebaut werden darf, soll es nicht mehr geben, statt fünf Jahre dauernden Genehmigungs- und Planungsvorläufen sollen es nur noch (max. drei) Monate sein, in denen über einen Bauantrag rechtsgültig entschieden wird; passiert hier nichts seitens der Behörde, gilt der Antrag automatisch als genehmigt. Auch der Aufstellung eines neuen oder der Änderung eines bestehenden Bebauungsplans bedarf es nicht mehr, was es nach der Vorstellung der Koalition erlaube, „durch Neubau, Umbau oder Umnutzung zügig neuen Wohnraum zu schaffen.“ Der soll in ganzen Straßenzügen durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe generiert werden, modular, seriell und gerne in Holz. Auch im bislang stark geschützten Außenbereich soll nun schneller gebaut werden können, aber „nur im räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen“. Reicht hier die Sichtverbindung? Lärmschutz und Immissonsgrenzwerte können ebenfalls großzügiger/zweitrangig behandelt werden bei der Durchmischung von Gewerbe und (neuem) Wohnen.

Ob diese lange schon gedachten Vereinfachun­gen das Bauen anfeuern werden? Zumal keine Kommune gezwungen ist, den „Bau-Turbo“ auch einzuschalten. Ob dieses Gesetz eine katalytische Wirkung haben wird? Vielleicht, dann aber auf Kosten der von der ehemaligen Bundesregierung beschlossenen Klimaziele, die die aktuelle im Koali­tionsvertrag noch als verbindlich bestätigte, wenn auch schon in wesentlichen Punkten verwässert.

Der sogenannte „Bau-Turbo“ spiegelt, wie schon das sogenannte „Heizungsgesetz“, nur eine Reak­tion, nicht aber ein grundsätzliches Umdenken, das schmerzhafte Prozesse nach sich zieht, deren Durchleben wir Alten aber lieber den Jungen überlassen wollen. Das Gesetz ist in Teilen auf Ende 2030 befristet, was insofern interessant ist, als in diesem Jahr die Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um mindestens 65 Prozent reduziert sein sollen. Energiewirtschaft und Industrie sind hier auf bestem Wege, während im automobilen Verkehrs- und Gebäudesektor diese Zielerreichung jetzt noch weniger möglich erscheint. Be. K.

www.bundestag.de

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