Opernhäuser in Deutschland ... zu teuer?!

Gasteig in München, noch im HP8

Die Isarphilharmonie lädt mit rundem Programm zu Jahresausklang wie Jahresbeginn

In Deutschland ist das Geld gerade knapp, jedenfalls für die Kultur. Dass man dennoch in einigen Städten dabei ist, hier große und sehr teure Opern- oder Konzerthäuser zu planen, wundert. Wundert in jedem Fall auch, weil es auch anders ginge als es uns die Wettbewerbe gerade vormachen, die in Hamburg oder Düsseldorf wahre Musikhauswunderversprechen sind. Der Blick auf die Geschichte des Interimsbaus HP8 in München erzählt dabei eine schöne, fast schon märchenhaft schöne andere Geschichte, die sich Hamburger und Düsseldorfer und manche andere einmal im Detail anschauen sollten.

Ok, man kann mit dem Auto anreisen. Auch mit der Bahn, dann aber – Auto und Bahn – muss man noch ein paar hundert Meter laufen. Oder man kommt mit dem Rad, ist einer von vielen, die vor der Halle E einparken, sich locker machen und dann hinauf, hinein, durch Halle E in die Isarphilharmonie in München.

Konzertsaal Isarphilharmonie
Foto: Benedikt Kraft

Konzertsaal Isarphilharmonie
Foto: Benedikt Kraft

Heizkraftwerk Süd, Blickrichtung HP8
Foto: Benedikt Kraft

Heizkraftwerk Süd, Blickrichtung HP8
Foto: Benedikt Kraft

Mit dem Rad kommt man auf den letzten Metern durch heftigstes Gewerbe, vorbei an großen Hallen und zuletzt dem mächtigen Heizkraftwerk Süd. In welchem zwei gigantische Gas- und Dampfturbinenanlagen die Stadt mit Energie versorgen sowie aktuell ein Wärmespeicher realisiert wird.

Halle E mit gestaltetem Vorplatz
Foto: Benedikt Kraft

Halle E mit gestaltetem Vorplatz
Foto: Benedikt Kraft

Halle E und Konzertsaal, getrennt durch die Treppenhausfuge
Foto: Benedikt Kraft

Halle E und Konzertsaal, getrennt durch die Treppenhausfuge
Foto: Benedikt Kraft

Diesem Industriegiganten gegenüber liegt die Halle E (Baujahr 1928), ein denkmalgeschützter Backsteinbau, der ehemals die Trafohalle des erwähnten Heizkraftwerks von gegenüber war und längst denkmalgeschützt dasteht. Trotz ihrer nicht unerheblichen Größe ist die historische Trafohalle ein Winzling im Vergleich zu seinen Nachfolgern, was schlicht auch darauf verweist, dass die Stadt gewachsen und die Energieverbräuche gestiegen sind.

Treppenhausfuge mit Glasdach. Links Halle E, rechts der Konzertsaal
Foto: Benedikt Kraft

Treppenhausfuge mit Glasdach. Links Halle E, rechts der Konzertsaal
Foto: Benedikt Kraft

Von außen eher eine Gewerbehalle als ein Konzerthaus. Hier sichtbar der "Technikrucksack", ein auf das Volumen aufgesetzter, für die TGA vorgehaltener "Parasit". Ebenfalls zu sehen, die Anlieferung. Von dort aus sind es nur ein paar Meter bis auf die Konzertbühne ... es ist eng im Haus!
Foto: Benedikt Kraft

Von außen eher eine Gewerbehalle als ein Konzerthaus. Hier sichtbar der "Technikrucksack", ein auf das Volumen aufgesetzter, für die TGA vorgehaltener "Parasit". Ebenfalls zu sehen, die Anlieferung. Von dort aus sind es nur ein paar Meter bis auf die Konzertbühne ... es ist eng im Haus!
Foto: Benedikt Kraft

Etwa traufständig zum Vorplatz an der Brudermühlstraße ist der ca. 55 m breite Bau eine Art Entreé für die 2021 eröffnete, mittels einer schmalen Fuge an den Bestand angeschlossene Isarphilharmonie HP8. Diese ist in ihrer Hauptachse parallel zu der der Halle angeordnet und nur wenige Meter tiefer als der Altbau.

Halle der ehemaligen Trafozentrale, heute Halle E. Foyer, multifunktionaler Ort für Tanz, Disko, Ausstellungen oder schlicht: Bewegung!
Foto: Benedikt Kraft

Halle der ehemaligen Trafozentrale, heute Halle E. Foyer, multifunktionaler Ort für Tanz, Disko, Ausstellungen oder schlicht: Bewegung!
Foto: Benedikt Kraft

Von den umlaufenden Balkonen - plus zwei Treppenhäusern - der ehemaligen Industriehalle werden der Konzertsaal aber auch alle Räume des Altbaus erschlossen
Foto: Benedikt Kraft

Von den umlaufenden Balkonen - plus zwei Treppenhäusern - der ehemaligen Industriehalle werden der Konzertsaal aber auch alle Räume des Altbaus erschlossen
Foto: Benedikt Kraft

Treppenhaus im Altbau mit Blick auf die Vertikalerschließung des Konzertsaals
Foto: Benedikt Kraft

Treppenhaus im Altbau mit Blick auf die Vertikalerschließung des Konzertsaals
Foto: Benedikt Kraft

Konzipiert ist HP8 (Hans-Preißinger-Straße 8) als Ausweichspielstätte für den seit ein paar Jahren geschlossenen Gasteig, der aktuell und immer noch zwischengenutzt, dann saniert und vielleicht irgendwann einmal umgebaut wird (HENN Architekten). Der philharmonische Musikraum in München-Sendlingen wurde für rund 1800 sitzende Zuhörerinnen geplant und ist akustisch auf höchstem Niveau (Akustiker war Yasuhisa Toyota, der in Deutschland u. a. bei der Elbphilharmonie oder dem Boulez-Saal für den Klang verantwortlich zeichnet). Von außen eine schlichte Metallkiste, ist der Holz-Modulbau (mit Ortbetontreppenhäusern) von innen nicht so spektakulär wie die Elphi am Hamburger Hafen, doch der Konzertsaal ist ausverkauft, das ganze Jahr über mit unterschiedlichstem Programm.

Die aus akustischen aber auch statischen Gründen schräggestellten Holzwände (30 cm Leimholz) sind Teil der Konstruktion, gliedern zugleich auch die Vorräume mit - allerdings spartanischen und wenig plüschigen - Bänken
Foto: Benedikt Kraft

Die aus akustischen aber auch statischen Gründen schräggestellten Holzwände (30 cm Leimholz) sind Teil der Konstruktion, gliedern zugleich auch die Vorräume mit - allerdings spartanischen und wenig plüschigen - Bänken
Foto: Benedikt Kraft

Blick in den Konzertsaal mit ca. 1800 Sitzplätzen
Foto: Benedikt Kraft

Blick in den Konzertsaal mit ca. 1800 Sitzplätzen
Foto: Benedikt Kraft

Und wirklich muss er in keiner Weise hinter den Hamburger Saal zurücktreten, akustisch ist der Saal ebenfalls auf internationalem Niveau, das Weinbergkonzept wurde hier nicht umgesetzt, eine Schuhschachtel ist es ebensowenig geworden, die Philharmoniker lieben ihn. Und die Architektenwelt offenbar auch, so hat der Interimsbau zahlreiche Architekturpreise abgeräumt.

Konzertsaal mit ebener Bühne und neuem Soundsystem (das im dereinst sanierten Gasteig unterkommen soll)
Foto: Benedikt Kraft

Konzertsaal mit ebener Bühne und neuem Soundsystem (das im dereinst sanierten Gasteig unterkommen soll)
Foto: Benedikt Kraft

Geplant von von Gerkan, Marg und Partner gmp, stand von Anfang an ein großes Thema im Raum: ein schmales Baubudget. Was Architekten und die Ingenieure von schlaich bergermann partner dazu veranlasste, das Projekt als Messebau zu denken: eben modular, leicht zu montieren wie zu demontrieren, zu lagern gar und auf Funktion und Form fokussiert (in dieser Reihenfolge). Am Ende haben Sanierung, Neubau und kleinere Umbauten 40 Mio. € gekostet.

Wieviel Nüchternheit hält ein Musikhaus aus, das auch romantisches Repertoir im Angebot hat?!
Foto: Benedikt Kraft

Wieviel Nüchternheit hält ein Musikhaus aus, das auch romantisches Repertoir im Angebot hat?!
Foto: Benedikt Kraft

Mit der Halle E, die u. a. die Stadtbibliothek aufgenommen hat – ebenfalls interimistisch für die geschlossene Stadtbibliothek Am Gasteig -, die VHS, Räume bietet für die Hochschule für Musik und Theater München, für Gastronomie und Verwaltung, Werkstätten und Lernräume und nicht zuletzt der zentralen Halle selbst, in welcher regelmäßig unterschiedlichste, viele kostenfreie Veranstaltungen durchgeführt werden, die dieser schönen Halle zusammen sowie in der Zwischenzeit weiteren Bauten für Verwaltung, Kino, Vorträge, Musik und Tanz bildet das HP8 einen Ort der Kultur, der das Meiste allen anbietet, beinahe rund um die Uhr.

Umlaufende Balkone in Halle E
Foto: Benedikt Kraft

Umlaufende Balkone in Halle E
Foto: Benedikt Kraft

Und wenn man dann dorthin schaut, wo aktuell Musikhäuser, reine Musikhäuser geplant und verhandelt werden, reibt man sich schon die Augen. Wie kann es sein, dass Häuser, die deutlich weniger können, das Zwanzigfache kosten dürfen, ohne dass – ausser den üblichen Nörglern – jemand aufschreit? In Hamburg, in Düsseldorf, auch in München selbst mit seinem unglücklichen Projekt Konzerthaus (im Werksviertel)? Ja, der Konzertsaal der Philharmonie ist von außen kaum von den umstehenden Gewerbebauten zu unterscheiden (also auf den ersten Fernblick). Ja, der Neubau profitiert vom Bestand, der allerdings sehr geschickt ausgebaut und angeschlossen wurde (oder wurde nicht der Konzertsaal an die alte Trafohalle angeschlossen?). Über manches Detail kann man schimpfen, über mangelnde Festlichkeit für Opernbesucherinnen beispielsweise, die auch wegen der Pausen in ein Musikhaus kommen. Aber wieso gehe ich in ein solches Haus, wenn ich nicht die Musik hören, sie erleben will mit vielen anderen?

Teile der Stadtbücherei des Gasteig sind in der HP8 untergebracht; detachable!
Foto: Benedikt Kraft

Teile der Stadtbücherei des Gasteig sind in der HP8 untergebracht; detachable!
Foto: Benedikt Kraft

Ja, auch in München im HP8 dominieren die Klassiker, Musiken, die ins Haus ziehen. Doch das Neben- und Miteinander der beiden Kulturräume Konzertsaal und Konzeptsaal macht das Wesen dieses Interims aus, dem man noch viele Jahre, vielleicht gar endlos viele wünscht. Münchens alter Gasteig könnte etwas anderes werden, als ein mit allen und monatlich stetig steigenden Mitteln wiederbelebter Kulturort; nicht mehr lange, und der Gasteig wird teurer als die skandalisierte Elbphilharmonie. Warum nicht Wohnen, Freizeit, VHS und Kino, Kulinarik und Theater, Kammerkonzert und Bibliothek, Disko und Lernort, ganz ähnlich der kleinen Schwester HP8, nur ohne Konzertsaal. Den haben wir ja schon und einen besseren finden wir nicht.

Zum umfangreichen Programm des Gasteig HP8 auf deren Webseite