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Ein Rundgang über die Architekturbiennale 2012 in Venedig

Drei Minuten, mehr nicht. 180 Sekunden könne man den Besuchern zumuten, die Ausstellung zu besichtigen, dann würde die Neugier nachlassen und andere Angebote in anderen Häusern oder anderen Räumen ließen den Schritt beschleunigen, der Besucher wäre weg.

180 Sekunden reichten definitiv nicht aus, den Deutsche Pavillon zu besuchen, allein das Geschiebe innen drin, das Hinauf und Hinab - man ist ja nicht mehr der Jüngste - verlangen nach mehr Zeit. Und die gezeigten Projekte, jeweils auf einem riesigen Foto auf die Pavillonwand geklebt, haben adhäsive Kräfte, die das theoretisch gesetzte Aufmerksamkeitslimit ruckzuck sprengen.

Ob die Präsentation made in Germany aber mehr sein wird, als ein bloßes Statement? Das zudem noch so oberflächenglatt daher kommt, dass sein Hauptsponsor, der Bundesbauminister, ohne Bauchschmerzen die Eröffnungsworte sprechen kann? Es wird nicht. Und der Minister relativierte dann ja auch gleich alle mögliche Ambition in Richtung Drosselung (von Produktion, nicht von Ideen) mit dem Hinweis darauf, dass die deutsche Architektur nicht nur kreativ sei (wie hier zu sehen), sondern auch von exzellenter Qualität (hier nicht zu sehen?!). Und er konnte nicht umhin zu betonen, dass das Land über planerische und technologische Innovationen verfüge, die, man könnte es ihm in den Mund schieben, hier nicht zu sehen sind. Von seinem Standpunkt aus.

Inwieweit in den Arsenale oder den Nationenpavillons das Thema des Common Ground thematisiert wurde, ist meist Interpretationssache, wie überhaupt sich das von David Chipperfield herausgegebene Motto über die Monate bis heute hin immer mehr zu verwässern scheint. Chipperfield jedenfalls erklärt noch lange nicht monoton aber bei jedem Mal genervter, dass Common Ground nichts mit Common Space zu tun habe, wie immer wieder geschrieben werde und wie vielleicht der eine oder andere hier ausstellende Kollege verstanden haben mag. Er, Chipperfield, meinte mit seinem Common Ground lediglich die Aufforderung an die Architektenzunft, eine gemeinsame Plattform zu formulieren, zu entdecken (weil sie längst da ist), von welcher aus Architektur gedacht und geplant werden kann; und soll (Heinrich Lee hat dazu einen kleinen Text hier auf diesen Seiten beigesteuert: "Alles ist Common Ground. Oder nichts").

Besuchen sollten Sie die Nationenpavillons von Estland und Polen, von Frankreich und Deutschland, den Briten und US-Amerikanern, besuchen sollten Sie den Hauptpavillon in den Giardini mit Beiträgen von Grafton Architects, Dublin, von OMA und Elemental (Alejandro Aravena/Chile) und Arbeiten von Thomas Demand, unbedingt anschauen den Raum der Kuwaitis in den Arsenale, den Pavillon von Alvaro Siza (ganz am Ende der Arsenale, im Garten), die Fotografien von Thomas Struth (Unconcious Places) und vielleicht noch die "Pictographs - Statements of Contemporary Architects", die Valerio Ogiati in einem eigens hierfür kondensierten Raum zeigt.

Es gibt, gerade in den Arsenale, jedoch auch viele Merkwürdigkeiten. So die Präsentation von Fassadenmodellen aus der Schule Hans Kollhoffs (der mit Jürgen Mayer H. der einzige Deutsche Architekt ist, den Olgiati mit einem Statement auf seinen Leuchttisch eingeladen hatte). Die Zurschaustellung der Elbphilharmonie in einem eigenen Raum der Arsenale, in welcher Teilstücke des Ganzen als maßstäbliche Modelle von der Decke abgehängt im Raum schweben, der eingefasst wird von Zeitungsseiten, auf welchen über Sinn und Unsinn dieses Baus in Hamburg gestritten wird.

Common Ground einmal sehr wörtlich verstanden haben die Architekten des Novartis Campus in Basel: Sie zeigen ihre Entwürfe im Common Ground des Original-Städtebaumodell von Vittorio Magnago Lampugnani. Und merken selbstkritisch an, dass "in the Backround" die Frage steht, ob es überhaupt möglich sei, ein solches Stück Stadt auf diesem hochkünstlichen Niveau in die eigentliche Stadt (Basel) einzugliedern.

180 Sekunden für einen Pavillon, mal 55, plus 20 Sekunden Weg von einem zu nächsten gerannt, plus 1200 Sekunden für den Weg zwischen Giardini und Arsenale plus 15000 Sekunden Arsenale plus 3600 Sekunden Pause hier und 7200 Sekunden dort, macht Summa Summarum 10, 5 Stunden. Dazu kommen Begegnungen, Gespräche, ungeplante Überraschungen (Ausstellungen, die zum Verweilen zwingen), Ausstellungen, die nicht direkt in den Gärten oder den Arsenale zu finden sind ... unter drei Tagen sollte man es nicht versuchen. Es sei denn man schlösse sich dem Common Ground der Besucher an. Und genösse einfach die Bilder, das Dortsein, die Stadt in der Lagune, die, so in "Republic of Common Ground" nachzulesen, vielleicht in ein paar Jahrzehnten nicht mehr über Wasser zu finden sei. Auch das ein Grund, sich mit Architektur zu befassen, so oder so, oder einfach auch mal ganz anders; also ganz anders. Be. K.

Die Architekturbiennale 2012 in Venedig ist noch geöffnet bis zum 25. November 2012, täglich 10 bis 18 Uhr (Arsenale/Giardini). Weitere Veranstaltungen und Ausstellungen auf dem Stadtgebiet, das Programm findet sich auf der Website.

Weitere Informationen zum Deutschen Pavillon, ein Interview mit Muck Petzet, einem Text von David Chipperfield, Informationen zum Schweizer und Österreichischen Pavillon und weiteren in unserem Vorab-Supplement zur Biennale.

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