Wohnst du noch, oder hämmerst du schon?!

IKEA probiert einen zweiten Fertighaus-Anlauf in Deutschland

Das Schwedische Möbelhaus mit den vier Versalbuchstaben tat 2009 in Deutschland das, was es in den anderen europäischen Ländern (Skandinavien und Großbritannien) schon länger machte: Es bot seiner Fan-Gemeinde und allen, die sparen wollen, ein Fertighaus an. Nannte es „Boklok“-Haus („Wohne Clever“-Haus) und konnte sich, nach ersten PR-Runde in der Runde, vor Nachfragen kaum retten. Damals sollten die begrenzten Häuser-Kapazitäten über ein Losverfahren an den Mann, die Frau vermittelt werden.

So weit, so schön für den Möbeldiscounter mit Design- und Gesamtwohnkunstwerkanspruch, der seine Reihenhäuser in den genannten nordischen Regionen rund 4000mal verkaufte. Doch in Deutschland ist eben alles anders, gerade, wenn es ums Bauen geht. Nicht die Architektenkammern oder andere Berufsverbände, die sich dem Ansinnen des Allrounders entgegengeworfen hätten, die Stiftung Warentest, Berlin, ließ die Träume vom nordisch ambitionierten Hausen schnell platzen; auf Bauherren- wie auf Bauträgerseite. In Offenbach, Nürnberg, Wiesbaden und Hofheim sollten die ersten Häuser verkauft werden, ein deutsches Fertighausunternehmen als Lizenzpartner wollte die Fertigung der Häuser vor Ort übernehmen. Die Preise sollten bei 99.500 Euro für die kleinste Wohnung beginnen, ein Reihenhaus im hessischen Offenbach hätte inklusive des Grundstücks mit 179.500 Euro zu Buche geschlagen (das größte 275.500 €). Aber eben die Warentester! Die europaweit einzigartige und ziemlich mächtige Verbraucherorganisation listete eine Reihe von schwerwiegenden Mängeln bei „Boklok“ auf, Schallschutz und Wärmedämmung seien mangelhaft, im Kaufvertrag enthaltene Formulierungen wurden wenig charmant als „Knebelklauseln“ bezeichnet. So hätten die Käufer für das kleinere Reihenhaus in Wiesbaden nochmals fast 11.000 Euro zahlen müssen, da Kosten für Malerarbeiten und Fußbodenbeläge sowie Notar, Grundbucheintrag und Grunderwerbssteuer selbst erbracht werden müssten.

Schwerwiegender wog die Kritik des Bauvertrags, der es der ausführenden Baufirma erlaube, ohne Angaben von Gründen Änderungen an den Bauleistungen, den Bauplänen und der Baubeschreibung vorzunehmen. So wurde der Kunde darüber im Umklaren gelassen, welche Fenster mit welchem Glas und welchem Rahmen er eingebaut bekommt. Auch ob die Rollläden wirklich, wie die Werbung verspricht, aus Aluminium sind, ging aus der Beschreibung nicht hervor. Vom Kunden wurde die vollständige Schlussrate verlangt, selbst wenn noch Restarbeiten ausstehen. Sogar die Haftung der Firma für eventuelle Baumängel wurde unzulässigerweise eingeschränkt und einen garantierten Fertigstellungstermin durch Bien-Zenker erfährt der BoKlok-Käufer auch nicht. Der Schallschutz zwischen den Reihenhäuser war so gut wie nicht vorhanden, die Außenwände enthalten eine „Pe-Folie“, die – so ist in der Baubeschreibung nachzulesen – empfindlich sei; so können keine Schrauben oder Nägel eingeschlagen oder zusätzliche Steckdosen installiert werden.

Zu guter Letzt band der Vertrag den Käufer bezüglich Strom und Heizwärme für ganze 15 Jahre an die „Contractor“ evb mbH; solange darf zu keinem günstigeren Energieversorger gewechselt werden. Das wäre allerdings sinnvoll, denn evb verlangt deutlich höhere Energiepreise als andere Strom- und Gasanbieter in der Region. Für die Heizkosten enthält der Vertrag zusätzlich eine Preiserhöhungsklausel, die an den Preis von leichtem Heizöl gekoppelt ist – laut Bundesgerichtshof ist das für die alleinige Berechnung des Gaspreises unzulässig.

Zwar bemühten sich Boklok und der mit dem Bau der Häuser beauftragte Hersteller Bien-Zenker, die Kritik zu kontern (s. unten im PDF) – doch die Kunden waren mit einmal Mal äußerst zurückhaltend.Ikea habe den deutschen Immobilienmarkt falsch eingeschätzt, räumte die Ikea-Sprecherin ein: Für den deutschen Käufer sei die Entscheidung für ein Haus viel weitreichender und bedeutungsvoller als in den bisherigen Märkten Skandinavien und Großbritannien. Nach ihren Worten sollen in 2011 die Häusergruppen in Wiesbaden und Offenbach errichtet werden, die ersten Käufer könnten hier schon im Sommer einziehen. Inzwischen hat das Möbelhaus sein Haus-Konzept überarbeitet, Baudetails seien nachgebessert worden („selbstverständlich konnte man immer schon Nägel in die Wand schlagen!“), die Bindung an den Energieversorger um die Stromkomponente bereinigt und – mit Blick auf die Wärme – auf eine zehn-Jahre-Bindung verkürzt. Die Berliner Warentester haben die neuen Unterlagen noch nicht zu sehen bekommen, was „einigermaßen unverständlich“ sei, so ein Sprecher. Man werde auch die neuen Unterlagen prüfen, sobald sie vorlägen. Und dann heißt es sicher an vielen deutschen Orten: Wohnst du noch, oder hämmerst du schon … äh, oder so ähnlich. Be. K.

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