Philip Johnson mit bestem Licht

Die Kunsthalle in Bielefeld zeigt noch bis Anfang März das komplexe Werk Dan Flavins

„Schierer Luxus“ sei das, was er hier mache. Mit Blick auf die beinahe leer wirkende Ausstellungsfläche im 1. OG der Bielefelder Kunsthalle möchte man dem Direktor des Kunsthauses, Friedrich Meschede, Recht geben. Wir trafen uns mit ihm in der Kunsthalle, einer Architekturpreziose von Philip Johnson aus dem Jahr 1968 und sprachen mit ihm im 2. OG, inmitten einer großen Anzahl von Zeichnungen des us-amerikanischen Minimal-Artisten Dan Flavin.

Dan Flavin (1933-1996) ist der dritte Protagonist einer Reihe von Kunst-Architektur-Ausstellungen, die wie nebenbei auch dem Philip Johnson-Bau huldigen. Mit der großen Schau über die Arbeiten von Sou Fujimoto und anschließend die zum Werk von Kiki Smith / Seton Smith / Tony Smith, ist die Flavin Retrospektive dem Museumschef wiederum Anlass, den Johnson-Bau nach Außen zu öffnen, ihn als Tageslichtmuseum erlebbar zu machen. Was paradoxer Weise nicht bei den Zeichnungen im tageslichtfernen 2. OG geschehen kann, sondern nur bei den Lichtinstallationen im raumhoch verglasten 1. OG. Doch die wirken weniger stark bei Tageslicht, sondern erst bei Dämmerung und Dunkelheit, wenn sich die Ausstellungsräume mit weißem oder rotem oder grünem Licht füllen das – zumindest in der Außenansicht – physisch greifbar erscheint.

Zurück zum „Luxus“: Die gesamte Fläche des 1. OG ist mit lediglich sechs Lichtarbeiten Dan Flavins gefüllt, für jeden Raum eine: Gleich wenn man die Treppe hinauf gekommen steht man vor der Arbeit „untitled“ (to Philip Johnson) von 1964, dahinter „the nominal three (to William of Ockham)“, dann, im Gegenuhrzeigersinn, „for sonja“ von 1964, „untitled“ (to Henri Matisse) von 1964, „untitled“ (to Don Judd) von 1985 und zuletzt / zuerst die Schlüsselarbeit „the Diagonal of May 25, 1963“. Diese Lichtarbeiten, sämtlich Ikonen des Minimalismus des 20. Jahrhunderts, hat Friedrich Meschede nach Bielefeld geholt, um sie im Kontext der „eigentlichen“ Ausstellung, nämlich der mit Zeichnungen des Künstlers zu präsentieren. Damit erweitert er das Ausstellungskonzept, dass die Kunsthalle von der Morgan Library & Museum, New York, übernommen hat, um gleichsam die Fortsetzung der zeichnerischen, zweidimensionalen Arbeit um ihre Übersetzung/Fortführung ins räumlich Dreidimensionale. Damit schafft es die Kunsthalle, die zwei großen Flavin-Ausstellungen in New York und Wien (Museum Moderner Kunst) zu vereinen: Zeichnungen und Lichtkunst unter einem Dach.

Das ist eben kein Luxus, das ist beinahe schon zwingend, denn weder in New York noch in Wien wird der Zusammenhang zwischen Grafik und Installation so aufschlussreich präsentiert, wie in der Kunstdiaspora Ostwestfalens. Und wie schon bei der Aussstellungskonzeption zu Fujimoto, eine Ausstellung, die international beachtet wurde, ist es Friedrich Meschede mit der Installation der Lichtarbeiten Flavins gelungen, der Architektur Johnsons – sein einziger Museumsbau in Europa! – das zu entlocken, was schon immer ihr Potential war: Raumlandschaft zu sein, die vielfältig mit dem Draußen verflochten ist. Was die (Lokal)Kritik nicht interessiert und dem Direktor vorgeworfen hat, zu wenig Besucher ins Haus zu schaffen. Sein Vorgänger, der mit vollen Segeln nach Marfa als neuer Chef der Chinati Foundation abgesegelte Thomas Kellein – nach ein paar Monaten hatte der die ländliche Idylle trotz aller Mystifizierung der geheiligten Judd-Erde offenbar satt und kehrte zurück – sein Vorgänger jedenfalls hätte schließlich viel mehr Publikum angezogen.

Alles Quatsch, schließlich misst die Kritik seiner Kritiker die zurückliegenden Besucherzahlen an Blockbustern der Populärkultur („Picasso in Paris“ beispielsweise). Und die regionalen Architekten- und Ingenieursverbände wie der BDA, BDB, BDLA sowie die SRL springen dem Direktor in einer aktuellen Stellungnahme zur Seite: „Die bisherigen Ausstellungen unter der neuen Leitung haben die hervorragende Architektur des Kunsthallengebäudes(endlich) wieder erlebbar gemacht.“

Die Art und Weise, den Erfolg oder Misserfolg eines bedeutenden Kunsthauses in Deutschland allein mittels einer „Einschalt“Quote zu bewerten, zeigt (nicht nur in der Provinz), dass Inhalte kaum noch gefragt sind in der deutschen, zumindest der etablierten Bildungsszene. Dabei ist Dan Flavin längst kanonisiert, seine Arbeit auf dem internationalen Kunstmarkt stark gefragt, zum größten Teil überhaupt nicht käuflich also rarer als rar … Es soll, so der Museumsleiter, auch in den höheren Bildungsschichten Besucher gegeben haben, die den Namen Flavin hier zum ersten Mal lasen.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 3. März. Wer bis dahin es nicht geschafft haben sollte, wird diese Flavin-Präsentation sicherlich länger nicht mehr vor Augen bekommen, der Katalog – aus New York/Bielefeld bei Hirmer, aber auch aus Wien (Hatje Cantz) zeigt eben nur den einen oder anderen Aspekt des Werkes. Sogar der Flavin-Verehrer Friedrich Meschede, dem die Präsentation der Zeichnungen immer schon ein Anliegen war und der sich jetzt über die Erweiterung des ersten Konzeptes mehr als glücklich zeigt, geht täglich durch die Ausstellung und arbeitet, angesichts von Skizzen und realisierten Objekten wie elektrisiert in Gedanken an einem Artikel zu einem – wie er meint – wesentlichen, noch niemals betrachteten Aspekt im Werk Flavins. Worum es sich dabei handelt, soll hier verschwiegen werden. Es gibt Großes zu entdecken, auf in die Provinz! Be. K.

Ausstellung "Dan Flavin. Zeichnen", noch bis zum 3. März 2013 in der Kunsthalle Bielefeld.

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