Eine Wiedergutmachung

Ausstellung: Der entfesselte Blick – Die Brüder Rasch im MARTa in Herford, bis 02.2015

Überraschend ist der Blick in das gemeinsame Oeuvre der Brüder Rasch, das das MARTa dieser Tage präsentiert. Entfesseln wollen die Kuratoren den Blick auf das gemeinsam Erdachte und Erarbeitete. Also, erregen und provozieren! Oder einfach lostreten. Und vor allen Dingen ausloten!

In drei Wirkungsgeschichten ist die Ausstellung gegliedert: Pneumatische Strukturen, Hängehaus-Architekturen und Containerarchitekturen. Ergänzt werden sie mit einer kurzen Abhandlung über die ersonnene Typografie und Publikation zu Positionen der Gebrauchsgrafik aus den 1920er-Jahren. Der Titel der Publikation als Namensinspiration der Ausstellung: Der Gefesselte Blick.

Die kurze, aber intensive Arbeitsgemeinschaft der Brüder Bodo Rasch und Heinz Rasch beschränkt sich auf die Jahre von 1926 bis 1930. Vier Jahre, in denen die Rasch Brüder ein Werk erarbeiteten, dessen Wirkungsgrad bis in die kontemporäre Architektur reicht – Einfluss nahmen sie mit ihren Containerarchitekturen auf Nicholas Grimshaw, Richard Rogers, Michael Hopkins; mit ihren pneumatischen Entwürfen unter anderem auf Coop Himmelb(l)au. Viele ihrer Entwürfe blieben auf Papier und wurden nie realisiert.

Die beiden Brüder: Tausendsassas, Generalisten. Von der Öffentlichkeit jedoch kaum wahrgenommen, umgaben sie sich mit einem illustren Kreis von Architekten, Künstlern und Grafikern, darunter Otto Dix und Oskar Schlemmer. Und immer wieder suchten sie den Kontakt zur Industrie, um ihre Entwürfe umzusetzen. Der Kragstuhl, heute besser bekannt als Freischwinger, wird in der Ausstellung als ein Beispiel herangezogen, den Einfluss der Brüder Rasch zu verdeutlichen.

Die Ausstellung zeigt die Wechselwirkung zwischen Kunst, Architektur und Design. Die Inspiration der einzelnen Disziplinen und wie sehr sich die Architekten der Moderne gegenseitig beeinflussten. Heinz Rasch war sich über seinen Einfluss bewusst wie ein Brief beweist, den Axel Bruchhäuser, Zeitzeuge und Leiter des Möbelherstellers Tecta, bei sich trägt. Heinz Rasch betont, keine Eifersucht seinen erfolgreicheren Kollegen – wie Marcel Breuer – gegenüber zu verspüren. Im Gegenteil unterstreicht er, dass er dafür gelebt hat. Eine vermeintlich selbstlose Äußerung? Die Ausstellung gibt darauf keine Antwort. Die Kuratoren streichen die Menschen Rasch aus der Ausstellung und stellen die wegweisenden Arbeiten und den Einfluss der Rasch Brüder in den Mittelpunkt. Dabei vergessen sie die Einordnung der kommentierenden Gemälde von unter anderem Oskar Schlemmer und der kontemporären Künstler, die mit ihren Arbeiten auf das Gezeigte reagieren.

Es ist klar: Die Ausstellung kann und will nicht als eine allumfassende, wissenschaftliche Recherche verstanden werden, der es nichts mehr hinzuzufügen gäbe. Im Gegenteil sie ist Impulsgeber und Labor. Mit vielen Objekten und noch mehr erklärendem Text schärft sie den Blick auf die Relevanz der Brüder Rasch auf den Architekturdiskurs von der Moderne bis heute. Doch das kann erst der Anfang sein! Vieles gibt es noch zu ergänzen und zu erarbeiten: Die Geschichte der Brüder Rasch in der NS-Zeit zum Beispiel. Der entfesselte Blick holt die Arbeiten der oft im Hintergrund agierenden Brüder Rasch ins Scheinwerferlicht – eine Wiedergutmachung. S.C.

Weitere Informationen: www.marta-herford.de

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