Der große Maßstab

Teilnehmer des plan08-Workshops Zero Emission City vereinbaren die Entwicklung eines europäischen Kooperationsprojekts

Stadtentwicklung und Klimaschutz sind nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Eine Verknüpfung von Stadtentwicklung und Klimaschutz ist vielmehr eine Voraussetzung, die Klimaschutzziele zu erreichen. Dies machte der vom Kölner Architektur- und Planungsbüro neubighubacher im Auftrag von plan08 konzipierte und von Simon Hubacher moderierte Expertenworkshop Zero Emission City im Rahmen der plan08 deutlich.  
Die Klimaschutzziele der Europäischen Union und die darüber hinaus gehenden Selbstverpflichtungen zur C0²-Reduzierung einer immer größer werdenden Anzahl von Städten erfordern umfangreiche Veränderungen im Bereich der verkehrlichen und technischen Infrastrukturen sowie umfassende Verbesserungen der Energieeffizienz von Gebäuden und der Mobilität. Die Orientierung, Überprüfung und Vernetzung aller Maßnahmen der Stadtentwicklung im Hinblick auf ihren Beitrag zum Klimaschutz ist dafür unverzichtbar. Viele Städte haben darauf reagiert. Die Aktivitäten der unterschiedlichen Verwaltungsbereiche werden durch Klimaschutzstellen gebündelt. Mit der Aufstellung eines Klimaschutz-Fahrplans oder eines umfassenden mittelfristigen Aktionsplans, dessen konkrete Auswirkungen regelmäßig von unabhängiger Seite überprüft werden, setzen Städte wie Hamburg, Malmö, Bozen oder Münster Maßstäbe.  
Die zur Erreichung der Klimaschutzziele erforderlichen Technologien sind erprobt und werden überall in Europa angeboten. Die Zero-Emission City, das heißt: eine Stadt, deren Energie und Ressourcenbedarf im täglichen Betrieb ausschließlich durch erneuerbare Quellen gedeckt wird, ist bereits heute realisierbar.  
Ist sogar die C0²-neutrale Stadt möglich? Die Workshopteilnehmer vermochten in der Abendveranstaltung am 23.September 2008 dazu erste Antworten zu liefern. Wie der Schweizer Architekt und Professor an der Hochschule für Architektur und Technik in Fribourg Ivo Frei anhand konkreter Beispiele veranschaulichte, rückt diese Frage den Ressourcenbedarf für den gesamten Lebenszyklus jeder einzelnen Investition ins Blickfeld: Erstellung und Nutzung eines Gebäudes oder eines beliebigen Gegenstands ebenso wie Abriss, Entsorgung oder Recycling. Frei zeigte auf, wie dieser Ressourcenverbrauch durch eine positive Gesamtenergiebilanz und C0²-bindende Kompensationsmaßnahmen für den Materialbedarf im Umfeld aufgewogen werden kann.
 
Der Workshop lieferte zudem einen Überblick über den Stand der Dinge in sieben europäischen Ländern. Teilnehmer aus Malmö, Hamburg, Münster, London, Heerlen, Gent, Freiburg, Bozen und Köln stellten Ihre Strategien zur Diskussion und berichteten über die zukünftigen Herausforderungen. Übereinstimmend haben die Teilnehmer festgestellt, dass nun ein Maßstabssprung in der Realisierung klimaschonender Pilotprojekte erforderlich ist, um die Ziele zu erreichen. Die vorhandenen Erfahrungen, Instrumente und Strategien für eine klimaschonende Stadtentwicklung müssen sich in den kommenden Jahren im großen Maßstab im Umgang mit der bestehenden Bausubstanz ganzer Stadtteile oder ganzer Städte bewähren.  
Tom Chance von der gemeinnützigen Londoner Entwicklungsgesellschaft Bioregional Development Group machte dies am Beispiel des Nachhaltigkeitsmasterplans für den Londoner Stadtteil Sutton mit 180.000 Einwohnern deutlich: Um die Klimaschutzziele hier bis 2025 zu erreichen, müssen zukünftig jährlich über 5.000 Häuser modernisiert werden. Gegenüber der heutigen Modernisierungsrate von 100 Häusern pro Jahr bedeutet dies einen Quantensprung.  
Die Herausforderungen des großen Maßstabs bewegten alle Teilnehmer. Sie bilden den Ausgangspunkt einer europäischen Vernetzung vorhandener Erfahrungen. Bis 2012 sollen in allen 7 Ländern großflächige Demonstrationsprojekte auf den Weg gebracht werden. Dazu sollen gemeinsam mit Partnern aus der Privatwirtschaft zukunftsweisende Finanzierungsmodelle und planungsrechtliche Instrumente mit Lenkungswirkung entwickelt werden. Bereits im November werden die Partner über die konkreten Demonstrationsprojekte beraten sowie über europäische und nationale Fördermöglichkeiten und den dazu erforderlichen Vorinvestitionen. Der mit dem Workshop Zero Emission City von plan08 gesetzte Impuls zieht somit Kreise. Auch die Stadt Köln will den angestoßenen Prozess im Auge behalten. Anfang Oktober wird der Rat der Stadt Köln über die Selbstverpflichtung zu Klimaschutzzielen, die über die nationalen Vorgaben hinausgehen, befinden.

Kontakt: neubighubacher, Architektur Städtebau Strukturentwicklung,  
Simon Hubacher, Brüsseler Strasse 63, 50672 Köln Telefon: 0221/ 519044 Email: info@neubighubacher.de Internet: www.neugighubacher.de

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