Bungalow Germania

Der Deutsche Pavillon auf der Architekturbiennale Venedig überzeugt erstmal

Der diesjährige deutsche Beitrag für die 14. Internationale Architektur-Ausstellung – la Biennale di Venezia hinterfragt Bauten der Repräsentation und antwortet damit auf das übergeordnete Thema »Absorbing Modernity: 1914–2014«, das der künstlerische Leiter Rem Koolhaas für die Nationenbeiträge ausgelobt hat. Die Architekten Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis, mit dem schönen Titel "Generalkommissar", lenken mit ihrem Beitrag "Bungalow Germania" den Blick auf das Spannungsverhältnis zwischen nationaler Identität und ihrem gebauten architektonischen Ausdruck und interpretieren Architektur dabei nicht nur als einen Spiegel ideologischer Machtstrukturen, sondern auch als mitkonstituierende Kraft innerhalb der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse.

Dazu haben die an der ETH Zürich lehrenden Architekten zwei Gebäude von nationaler Bedeutung ausgewählt, die das Projekt innerhalb der letzten 100 Jahre verorten: einmal den deutschen Pavillon in den Venezianischen Giardi und dann den Bonner Kanzlerbungalow von Sep Ruf aus dem Jahr 1964. Letzterer war zu Zeiten der Bonner Republik als das »Wohnzimmer der Nation« medial allgegenwärtig und mit dem Hauptstadtumzug von Bonn nach Berlin 1999 plötzlich als sichtbares Objekt aus der Wahrnehmung verschwunden. Diese Gebäude stehen für zwei Epochen in der deutschen Geschichte, zwei politische Systeme und zwei Architektursprachen. Und beide Gebäude wurden von ihren Bauherren dazu instrumentalisiert, von der Nation zu sprechen, beziehungsweise dieser ein Versprechen zu geben.

In Venedig werden Pavillon und Bungalow als architektonische Montage in einen Dialog miteinander versetzt. Durch einen 1:1- Teilnachbau des Bungalows und dessen Verschneidung mit der Architektur des Pavillons entsteht eine begehbare, räumliche Installation, die Geschichten, Momente, Zeiträume, tatsächliche Räume und Orte miteinander verbindet. Dabei dienen die Materialien und Elemente des Bungalows als Medien, um die Szenen der in Erinnerung gebliebenen politischen Gesten und symbolischen Handlungen von Bonn nach Venedig zu transportieren.

Durch das situative Zusammentreffen der Gebäude entsteht tatsächlich ein sehr sinnlicher neuer »dritter Raum«, der die Organisation und den Charakter der ursprünglichen Räume überdeckt. Das eine Gebäude ist der Schlüssel zum anderen. Der Pavillon liest und referenziert sich durch den Bungalow und der Bungalow durch den Pavillon. Es entsteht eine doppelte Lesbarkeit. Diese Konversation öffnet einen Assoziationsraum zu Form und Nutzung der Architektur und der damit verbundenen (deutschen) Geschichte. Dabei haben die Generalkommissare die Assoziationsbrennweite auf unendlich gestellt, ist in dem Projekt in Venedig so gut wie kein Hinweis auf Hintergründe, Geschichte und Geschichten aus der Geschichte zu finden. Lediglich ein doppelseitig bedrucktes Blatt Papier, das die jeweiligen Grundrisse in Bonn beziehungesweise Venedig abbildet und das, gegen das Licht gehalten, die Überschneidungen verdeutlicht, liefert einen kleinen Hinweis auf das Konzept des Entwurfs.

Wir sprachen mit den Generalkommissaren und Architekten Alex Lehnerer und Savvas Ciriacidis in Venedig (Interview in DBZ 07 2014) und waren so priviligiert, deren Lesart des Ganzen herauszuforschen und auf die eigene Anschauung zu projiziieren.

Erste Bilder vom Pavillion hier zum Beitrag, in den kommenden Tagen werden wir sukzessive zur Biennale berichten. Be. K.

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