Alle Jahre wieder ...
Der ABC-Architektentag lockte 300 ZuhörerInnen nach Hörstel; und überraschte mit kontroversem Programm 22.01.2018Alle Jahre wieder ... Das klingt nach Routine und ein wenig auch nach Langeweile. Der ABC-Architektentag, der seit acht Jahren alle Jahre wieder im nordrhein-westfälischen Hörstel veranstaltet wird, ist aber alles andere als Routine und langweilig geht es schon gar nicht zu. So auch nicht am 4. März 2015, als schon die Auswahl der Referenten für Überraschung im Vorfeld sorgte; und für das Maß an Neugierde, das nötig ist, um im an sich vollen Kalender eines Redakteurs dann doch noch ein Plätzchen zu finden.
Es sollten auftreten im Westflügel des ehemaligen Zisterzienserinnenklosters Gravenhorst der Architekt und – von manchem so genannte – Backsteinexperte Arno Lederer von LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart. Danach sollte sprechen Hilde Léon von léonwohlhage, Berlin. Und abschließend sollte referieren der Architekt Udo Garritzmann, Garritzmann Architecten, Rotterdam.
Rund 300 Architekten aus dem nahem und fernen Umland füllten den langgestreckten Raum, der Gastgeber und geschäftsführende Gesellschafter der ABC-Klinkergruppe, Hermann Berentelg, hatte seine Begrüßungsworte gesprochen, das Licht ging aus, die Powerpointpräsentation startete mit dem Vortrag von Arno Lederer. Eher eine Vorlesung war das, sie hätte an der Hochschule aber gut und gerne auch in der Kirche gehalten werden können. Zweifel am Fortschrittskonzept unserer Gegenwart äußerte der Schwabe, am Credo des Immer weiter. Er vermisse Bildung, also gebildete Architektenkollegen, die aus ihrer Bildung heraus verstünden, dass Stadt beispielsweise zuerst kommt und nicht der Bau. Das vermeintlich Neue (hier setzte er das Grazer Kunstmuseum ins Bild) sei doch längst ausgedacht und verlöre damit den Anspruch, den das Neue aus sich selbst heraus erhebt. So konterte Lederer den Blob von Cook-Fournier beziehungsreich mit einem Gemäldedetail aus Hieronymus Boschs „Garten der Lüste“, hier mit einem blob-artigen Gebilde in der Darstellung der Hölle! Architekten wollten sich heute vielfach bloß selbst darstellen, sie seien aber nicht die Genies, die den großen Wurf aus sich selbst schöpfen. Dann kamen in relativer Kürze seine Arbeiten, viel Backstein, auch WDVS, das „vergrünt aber schon“.
Diesem fulminanten und durchaus predigertauglichen Auftakt folgte Hilde Léon mit einem eher klassischen Werkbericht, der nicht davor zurückscheute, mehr Glas-/Aluminiumfassaden als Klinker zu zeigen. Das war angekündigt und darum nicht überraschend. Überrascht war man vielleicht von dem Einwurf Hilde Léons, dass sie keine Backsteinfassade am Strandkai machen würden (hier hat das Büro léonwohlhage aktuell den Wettbewerb für das Baufeld 55 gewonnen). Der Grund: das Gebäude wäre „zu behäbig“ geworden. Nun ja. Immerhin wolle man die Wand, die den eingezogenen Balkon an seiner breitesten Seite begrenzt, mit Klinker machen; geschlämmt, gestrichen ... hier ist man noch nicht am Ende.
Überraschung am Ende: Nach diesem Projekt und zwei weiteren kam Hilde Léon zu dem Schluss, dass das Büro ja doch auch mit Klinker realisiere. Die angesprochenen Arbeiten sind zwei Gefängnisse.
Und dann die Tektonik der Bekleidung und des Lasttragens von Udo Garritzmann. Der Rotterdamer forderte die bis zum Schluss konzentriert Zuhörenden mit kunstgeschichtlichen Exkursen, mit eigenen Thesen zur Semper-Exegese (Framptons Auslegung der Semperschen Bekleidungstheorie), mit der Darstellung von Bekleidungsmustern und deren Resultat aus der Tektonik (oder war es umgekehrt?). Und tatsächlich horchten nach langer Bilder- und Textreise auch die wieder auf, die gedanklich schon langsam zum abschließenden Mittagsbuffet gewandert waren, als Garritzmann die Dehnungsfuge ins Spiel brachte, diese häßliche Notwendigkeit im zweischaligen Bauen. Diese Notwendigkeit – wie übrigens die meisten anderen Notwendigkeiten auch – ins Gesamte zu integrieren und also offensiv mit dem Bruch in der ansonsten homogenen Erscheinung umzugehen zeigte der Architekt und Theoretiker aus den hier ziemlich nahen Niederlanden nachdrücklich auf. „Mit welcher Tektonik wollen wir bauen?“ schloss er seinen theoretischen Exkurs in die Backstein- und Bauwelt insgesamt, eine Frage, die in den nachfolgenden Gesprächen bei gutem Essen und Trinken fortgesetzt wurden.
Und weil wir selbst nicht alles verstanden hatten, nutzten wir die Zeit nach dem Essen, uns mit Udo Garritzmann zusammen zu setzen, um für das Monatsgespräch in der DBZ das eine und andere nachzufragen. Nachzulesen in zwei Wochen hier online und im gedruckten Heft. Be. K.