Universade in China mit neuen Stadien

Das Hamburger Büro gmp baut komplette Sportlandschaften

Manchmal braucht man die Architekturnachrichten, um davon zu erfahren, dass zur Zeit die zweitgrößte Multisportveranstaltung der Welt stattfindet (nach der Olympiade): Noch bis zum 23. August 2011 kämpfen Studenten aus aller Welt in vielen auch olympischen Disziplinen um die Edelmetalle. Und wie könnte es anders sein, in Architekturen made in Germany.

Solche lieferte pünktlich das Stadienbüro gmp aus, eine Schwimmhalle in Shanghai (eröffnet am 19. Juli) und vor wenigen Tagen das drei Stadien und mehr umfassende Universiade Sports Center sowie das Bao’an (Leichtathletik)Stadion, das während der Universade für Fußballspiele genutzt wird. Mit dem Universiade Sports Center hat gmp gleich einen ganzen Stadtteil für den Sport abgeliefert, der jedoch so konzipiert ist, dass er auch außerhalb der Wettkampfzeiten genutzt wird. So bietet die „kristalline Stadtlandschaft“ verschiedene Sportanlagen, Wohnviertel, Freizeit- und Einkaufsmöglichkeiten; für alle? Sowohl die Sportstätten – Stadion, Multifunktions- und Schwimmhalle – als auch die städtischen Quartiere sind in die Breite entwickelt und fügen sich als kristallines Gewächs in die Landschaft am Fuß des Berges Tong Gu Ling ein. Der Entwurf, so gmp, leite sich aus der umgebenden hügeligen Landschaft her.

Der gesamte Komplex mit seinen drei Stadien ist als ein weitläufiger Landschaftspark mit typischen Elementen eines traditionellen Chinesischen Gartens gestaltet: Wasserläufe und Pflanzen symbolisieren Bewegung und Entwicklung, kristalline Strukturen in Form von Steinen und Felsen repräsentieren Kontinuität und Stabilität. Der Dialog der fließenden landschaftlichen Formen mit der expressiven Architektur der Stadien bildet den konzeptionellen Rahmen des Entwurfs. Die kristalline Form der drei Stadien wird durch die nächtliche Beleuchtung der transluzenten Fassaden zusätzlich betont.

Das Stadion ist als Multifunktionsstadion geplant und erfüllt die Anforderungen lokaler, nationaler und internationaler Sportveranstaltungen und Events. Die Gesamtkapazität liegt bei 60.000 Zuschauern, die auf drei Tribünen ihre Sitzplätze finden. Im westlichen Mittelrang befindet sich die Ehrentribüne mit etwa 200 Plätzen und zugehörigen Ehrenlogen. Zwischen Mittel- und Oberrang sind 60 VIP-Logen mit zugehörigen Sitzplätzen angeordnet. Die Dachkonstruktion kragt bis zu 65 m weit aus und ist als Stahlfaltwerk auf Basis dreieckiger Flächen konzipiert. Der gesamte Durchmesser des Daches beträgt 310 Meter in Längs- und 290 m in Querrichtung. Dach und Fassade weisen jeweils drei Schichten auf. Die äußere Fassadenschicht ist eine transluzente Verglasung aus dreieckigen VSG-Scheiben bzw. Polycarbonat-Platten. Die innen liegende, ebenfalls transluzente Membran-Schicht erfüllt die Anforderungen an Verschattung und Akustik und dient als Reflektionsfläche für die Fassadenbeleuchtung. In dem Zwischenraum befindet sich die gefaltete primäre und sekundäre Stahlkonstruktion. Außerdem ist der Großteil der technischen Installation in diesen Bereich integriert.

Die Sporthalle ist als kreisrunde multifunktionale Arena sowohl für Hallen- und Eissportveranstaltungen als auch für Konzerte, Versammlungen und Ausstellungen geplant. Die Gesamtkapazität beträgt 18.000 Zuschauer. Die Sitzplätze sind auf zwei Rängen angeordnet, wobei die unteren Reihen mit 3.000 Sitzen als Mobiltribünen ausgeführt sind. Die Sitzplätze sind in der Weise angeordnet, dass in allen Bereichen optimale Sichtbedingungen bestehen und eine reibungslose Verkehrsführung und Verteilung der Zuschauer erfolgen kann.

Das Schwimmstadion ist die dritte wichtige Sportstätte im Universiade Sportzentrum. Seine architektonische Gestaltung berücksichtigt die funktionalen Anforderungen an diese Art von

Gebäude sowie das übergeordnete Erscheinungsbild der kristallinen Volumina in dem Sportpark. Die insgesamt 3.000 Zuschauer finden auf zwei Rängen in der Wettkampfhalle Platz. Neben dieser Halle befindet steht eine weitere Halle, die für den Breitensport oder Aufwärmzwecke zur Verfügung steht.


Das Stadion im Stadtteil Bao’an ist als Leichtathletikstadion für 40.000 Zuschauer konzipiert und wird während der Universiade 2011 für die Austragung der Fußballspiele genutzt. Die weiten Bambuswälder Südchinas standen Pate für ein Bild, das einerseits den Charakter der regionalen Vegetation widerspiegelt und somit Identität stiftend wirkt, andererseits als Konstruktionsidee für das Tragwerk der Stadionränge und die Stützen einer weitgespannten Dachkonstruktion dient. In der äußersten Schicht des Stadions vereinen sich Fassade, Konstruktion und deutende Architektursprache zur gestalterischen Synthese. Die natürliche Ästhetik des Bambuswaldes – wie das Spiel aus Licht und Schatten zwischen den Pflanzen – wird mit den Reihen der schlanken Stahlstützen baulich übersetzt, wobei die Form des Bambus abstrahiert und überdimensioniert wird.

Vom Oval der Leichtathletik-Laufbahn entwickelt sich die Geometrie der Zuschauerränge bis zur perfekten Kreisform. Durch diesen Übergang entsteht eine ondulierende Oberrangtribüne mit vielen Zuschauerplätzen entlang der Längsseiten des Spielfelds und wenigen Plätzen an den Kurzseiten. Die geschwungene Linie der Tribünenoberkante wird auch in der Gesamtform des Stadions wiederholt.

Durch den "Wald" aus Stahlstützen tritt der Besucher in den ersten Umgang des Stadions, der zu den Treppen des Oberrangs führt, oder direkt zum oberen Rand der unteren Tribüne. Das Bild des Bambuswaldes entsteht durch einen zweireihigen Ring aus Stahlstützen, die in scheinbar freier Anordnung und Ausrichtung stehen. Jede zweite Stütze der inneren Stützenreihe verbindet sich mit der Betonstruktur des ondulierenden Oberrangs und trägt somit vertikale Lasten der Zuschauertribünen.

Die Stützen der Dachkonstruktion stehen zwar innerhalb der Reihen der Tribünenstützen, sind aber vom Betonbau völlig getrennt, um unabhängige Bewegungen des großen Daches zu ermöglichen. Die bis zu 32 m langen Stahlrohre unterscheiden sich qualitativ nach Tragverhalten und Funktion. Ihre Durchmesser sind der unterschiedlichen statischen Belastung angepasst und variieren von 550 mm bis 800 mm. Die Aussteifung der Konstruktion in horizontaler Richtung und die Entwässerung der Dachmembran werden ebenfalls durch spezielle Stützen übernommen.

Auf effizienten Materialeinsatz als das grundlegende Prinzip eines nachhaltigen Gebäudes wurde auch bei dem Entwurf der Dachkonstruktion des Bao’an Stadions besonders geachtet. Aus diesem Grund wurde für die Überdeckung der Zuschauerränge ein mit Membran bespanntes Seildach mit innerem Zugring und radialen Speichen gewählt, das im Verhältnis des Materialeinsatzes zu der überdeckten Fläche ein konstruktives Optimum für weit gespannte Konstruktionen ist. Das Dach mit einem Durchmesser von 230 m und einer Auskragung von 54 m auf jeder Seite der Tribünen wird durch 36 radiale Seilpaare gebildet, deren Vorspannung über einen doppelten Zugring aus Litzenbündeln über dem Spielfeld kreisförmig zusammengeschlossen wird. Die in verschiedenen Höhen liegenden Zugringe werden über 18 m hohe Luftstützen untereinander verbunden und stehen mit dem Druckring am Stadionrand nach dem Prinzip eines Speichenrades im Kräftegleichgewicht.

Mit diesen Neubauten möchten die Bauherren nicht allein beweisen, dass sie sportlichen Großveranstaltungen den nötigen (ästhetisch anspruchsvollen, ökonomisch vernünftigen, funktional einwandfreien) Rahmen geben können. Wie sich das Konzept der Multifunktionalität der riesigen Anlage in nächster Zukunft behaupten kann, liegt vielleicht weniger an der Architektur. Entscheidener wird sein, inwieweit China mit diesen wie auch den meisten anderen Bauten dieser Klasse aus den letzten Jahren den Durchschnittschinesen anspricht. Noch erscheint die ganze Anlage wie eine Erweiterung von Spiel- und Freizeitflächen für diejenigen, die es sich leisten können, in dieser Region überhaupt eine Wohnung zu mieten/kaufen. Be. K.

Universiade Sports Center

Wettbewerb 2006 – 1. Preis

Entwurf Meinhard von Gerkan und Stephan Schütz mit Nicolas Pomränke

Projektleitung Ralf Sieber

Mitarbeiter Xu Ji, Alexander Niederhaus, Huang Cheng, Niklas Veelken, Martin Gänsicke, Stephanie Brendel, Marlene Törper, Andrea Moritz, Zheng Xin, Kralyu Chobanov, Chen Zhicong, Thomas Krämer, Lin Wei, Martin Schulte-Frohlinden, Plamen Stamatov, Christian Dorndorf, Lian Kian, Zhou Bin, Tobias Keyl, Li Ling, Helge Lezius, Meng Xin, Kuno von Haefen

Chinesische Partnerbüros SADI (Stadion), CNADRI (Multifunktionshalle), CCDI (Schwimmhalle), BLY (Freiraumplanung)

Tragwerksentwurf und -planung Dach schlaich bergermann und partner – Sven Plieninger mit Wei Chen

Haustechnik IG Tech

Lichtplanung Conceptlicht

Akustikplanung Acoustic Design Ahnert

Fassadenplanung Shen und Partner

Bauherr Bureau of Public Works of Shenzhen Municipality

Bauzeit 2007–2011

Planungsgebiet 870.000 m²

Sitzplätze Stadion 60.000

Sitzplätze Multifunktionshalle 18.000

Sitzplätze Schwimmhalle 3.000

Bao’an Stadion, Universiade 2011

Wettbewerb 2007 – 1. Preis

Entwurf Meinhard von Gerkan mit Stephan Schütz und David Schenke

Projektleitung David Schenke, Li Ran

Mitarbeiter Entwurf Jennifer Heckenlaible, Daniela Franz, Zhang Xi, Yin Chao Jie, Zhou Bin, Anna Bulanda-Jansen, Cai Qing, Xu Ji

Mitarbeiter Ausführung Matthias Grünewald, Cai Yu, Wang Le, Wang Li, Zhang Xi, Lucas Gallardo, Zhang Xiao Guang, Sebastian Linack, Li Zheng, Pan Xin, Martin Schulte-Frohlinde

Chinesisches Partnerbüro SCUT South China University of Technology

Statik schlaich bergermann und partner – Sven Plieninger mit Wei Chen

Lichtplanung Schlotfeld Licht, Berlin

Bauherr The Sports Bureau of Bao’an District

Bauzeit 2009–2011

BGF 88.500 m²

Ränge 2

Sitzplätze 40.050

VIP-Logen 20

Businessplätze 360

Plätze für Rollstuhlfahrer 70

Presseplätze 216

PKW-Tiefgaragenstellplätze 750

Länge des Stadions 245,80 m

Breite des Stadions 245,80 m

Höhe des Stadions 39,65 m

Thematisch passende Artikel:

07/2010

Entschieden Preis des Deutschen Stahlbaus 2010 geht an gmp für das Cape Town Stadion in Südafrika

Bei der Fußball-WM 2010 in Südafrika geht es nicht allein um einen, vielleicht um den sportlichen Titel für die beste Fußballnation, auch die Stadien selbst stehen im Wettbewerb. Eine Jury hat...

mehr

Gerhard-Schanz-Sportzentrum, Althengstett

Das in den 1970er-Jahren als Fertigteilhalle erstellte Sportzentrum mit dreiteilbarer Sporthalle, Schwimmhalle, Sauna und einer zugeordneten Gaststätte war in die Jahre gekommen. Das komplette...

mehr
03/2017

Skulptur im urbanen Niemandsland Sportzentrum im Olympiaquartier, Almere/NL

Lage Das Stadtentwicklungs-Gebiet „Olympiaquartier“ in „Almere Poort“, also dem „Tor“ zur New-Town Almere im Osten von Amsterdam, ist Ort umfangreicher und großmaßstäblicher...

mehr
11/2011

Bekannt und doch unbekannt Shanghai Oriental Sports Center – SOSC

In unmittelbarer Nachbarschaft zum EXPO-Gelände von 2010, das gerade für seine endgültige Verwendung ertüchtigt wird, entstanden nicht nur Stadien, sondern auch ein für den gewöhnlichen...

mehr

Vogelnest vergoldet

IAKS, IOC und IPC vergeben internationale Architekturpreise für Sportanlagen

Die IAKS, das Internationale Olympische Komitee (IOC) und das Internationale Paralympische Komitee (IPC) geben die diesjährigen Preisträger ihrer internationalen Architekturpreise für Sportanlagen...

mehr