Was und warum: Über den Klassenraum


Workshop, Studien, Ausstellung … Das Forschungs- und man kann sagen Schule-der-Zukunft-heute-Promotionsprojekt „Classroom, a teenage view“ kommt von drei großen Bildungsinstitutionen Europas. Expertinnen des Centro Cultural de Belém/Garagem Sul Architecture Centre, Lissabon, des Arc en Rêve Centre d’Architecture, Bordeaux, und des Z33 House of Contemporary Art, Design and Architecture, Hassel, hatten es sich vorgenommen, den Klassenraum in Zeiten der Teenager-Ära einmal genauer anzusehen. Nicht die Schule als etwas Gebautes (das auch), nicht die Lernkonzepte und ihre Übersetzung in Grundrisse (das auch), sie gingen vielmehr der Frage nach, was der Klassenraum war und ob er bleiben wird; in diesen Zeiten der Digitalisierung und pandemischer Ereignisse.

Ergebnisse dieses großangelegten Forschungsprojekts finden sich in der vorliegenden – und das sei gleich gesagt – für den Schulbaudiskurs unverzichtbaren, vielstimmigen und äußerst dichten Publikation. Zu Beginn gibt sie einen kleinen Einblick in die Ausstellung, die die Frage thematisiert, an welchem Tisch wir lernen/lehren wollen (mit höchst interessanten Ergebnissen). Es folgt ein wunderbares Gespräch zwischen Joaquim Moreno und Catherine Burke, vielleicht der Instanz in Sachen Geschichte des Lernens, und es gibt die reiche Sammlung der von den Herausgebern so genannten „Seed Schools“ (unter denen auch die vom Rezensenten immer hervorgeholte „Geschwister Scholl Gesamtschule“ in Lünen von Hans Scharoun ist), die für bestimmte Aspekte des Lehrens und Lernens beispielhaft stehen sollen und die – darum „Seed“ – bis heute etwas bewegt haben in der Geschichte der Klassenraumarchitekturen (hier heißen die daraus folgenden Projekte dann „Mutations“).

Die Schulbautensammlung – mit Fotos, vor allem mit Grundrissen und kurzen Texten, die leider nur schwer einer Sprecherin zuzuordnen sind – offenbart sehr unterschiedliche Herangehensweisen an den Entwurf und das Verständnis vom Klassenraum, der auch Ausdruck eines Klassen-Verständnisses sein kann/ist. Das alles gibt uns Leserinnen Raum für eigenes Arbeiten, für den Nachvollzug der „Seed-Mutations“, oder dessen Kritik, für das erneute Eintauchen in das immer wieder zu sehr rational/hysterisch/schematisch behandelte Thema Schule, Raum und Erwachsenwerden.

Die abschließenden, in einer „Anthology“ präsentierten Texte mit unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und Entstehungszeiten, bringen das Denken über den Klassenraum noch einmal in die Breite des gefühlt schon immer geführten und immer noch zu nichts Wirklichem geführten Diskurs zurück.

Herausheben möchte ich hier den Essay Giancarlo De Carlos, in dem er unter dem Titel „Why/How to Build School Buildings“, 1969 in einer Sonderausgabe des Harvard Educational Review abgedruckt, vier zentrale Fragen zu Sinn und Zweck des Schulbaus stellt. Fragen – und die von ihm gleich mitgelieferten Antworten –, die wir heute wieder einmal stellen müssten, uns selbst, der  Wissenschaft, der Politik, der Familie und vielleicht sogar unseren Teenagern! Ein gründliches, vieles evozierendes Buch, das an keiner Stelle langweilt. Classroom, wir kommen! Be. K.

Classroom, a teenage
view. Hrsg. v. Moises Puente. Walther König (Vertrieb), Köln 2024, 224 S. mit Farbabb. u. Plänen, 27 €, ISBN 978-84-127124-8-3
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