Wahrzeichen für den Artenschutz
Die Zoologischer Garten Berlin AG saniert seit 2015 drei ihrer Einrichtungen. Nun hat der Zoo Berlin mit der Nashorn Pagode ein neues Wahrzeichen erhalten, das Geschichte und Zukunft des Ortes miteinander verbindet und ein Symbol für den grenzübergreifenden Artenschutz sein soll – und dank sensibler Marken-Architektur nimmt es auch die Besucherinnen und Besucher mit auf die Safari.
Die NASHORN PAGODE wurde im Sommer 2023 anlässlich des 175-jährigen Jubiläums des Zoo Berlin eröffnet. Ziel des architektonischen Entwurfs war es, ein Denkmal für den Artenschutz und ein Wahrzeichen für den Zoo Berlin zu schaffen. Auf einer Fläche von rund 14 000 m² entstand eine sumpfige Graslandschaft mit hohen Gräsern und idyllischen Wasserläufen, die dem natürlichen Lebensraum der Tiere nachempfunden wurde. In ihrem Zentrum befindet sich das Schauhaus mit integrierten Technik- und Wirtschaftsbereichen und der 25 m hohe, luftoffene Tempelturm, der als Eingangs- und Ausstellungsbereich konzipiert ist. Mit ihrem weit über die Grenzen des Zoos hinaus sichtbaren Turm ist die NASHORN PAGODE das höchste Gebäude im Berliner Zoo und zugleich eine wichtige Landmark für bedrohte Tierarten. Seit der Eröffnung vor zwei Jahren avancierte das neue Zuhause für die Panzernashörner, Tapire und Pustelschweine zum Besuchermagneten im Hauptstadtzoo.
Bauen im Dienst des Naturschutzes
Die neue, von der dan pearlman Erlebnisarchitektur GmbH gestaltete Anlage steht für eine moderne und transparente Tierhaltung. Die Tiere können dem Biodiversitätsansatz folgend im Zusammenhang mit ihren natürlichen Ökosystemen und ergänzenden Tierarten erlebt werden. Räumliche Grenzen zwischen Landschaft und Architektur sowie zwischen Besuchern und Tieren lösen sich optisch auf. Anhand von Materialität, Farbe, Stimmung und vor allem naturnaher, standortgerechter Bepflanzung werden spannende Erlebnisräume im Innen- und Außenraum geschaffen. Die biotopnah-gestaltete NASHORN PAGODE lässt den natürlichen Lebensraum der Tiere als bestimmendes Element durch die gebauten Strukturen hindurchfließen. Die Gestaltung entspricht der Welt-Zoo-Naturschutzstrategie, die als primäre Ziele eine authentische Darstellung eines Lebensraums und dessen Erlebbarkeit im Zoo festlegt.
Artenschutz weit über die Grenzen des Zoo Berlin hinaus
Als „Leuchtturm für den Artenschutz“ ist die NASHORN PAGODE zugleich das Symbol für eine der größten Erfolgsgeschichten des Artenschutzes, die es auf dem asiatischen Kontinent gegeben hat. Anfang des 20. Jahrhunderts galt das Panzernashorn mit weniger als 200 Tieren als fast ausgerottet. Dank außerordentlicher Schutzmaßnahmen konnte die Tierart und ihr gesamtes Ökosystem gerettet werden. Das Panzernashorn ist ein gewichtiges Beispiel für eine sogenannte „Umbrella-Species“, eine charismatische Tierart, von deren Schutzmaßnahmen viele andere Tier- und Pflanzenarten profitieren. Nachdem die Panzernashörner unter Schutz gestellt und Nationalparks als Rückzugsort eingerichtet wurden, erholen sich die Bestände.
Architektur und Landschaftsarchitektur
Ziel des architektonischen Entwurfs der dan pearlman Erlebnisarchitektur GmbH war es, das umgebende Landschaftsbild des Zoos aufzugreifen und das Volumen des Gebäudes behutsam zugunsten einer integrativen Außenwirkung zu entwickeln. Der typologisch klare Entwurf überzeugt durch seine Kompaktheit, Klarheit und die Reduktion der Mittel. Das Gebäude gliedert sich in zwei Teile: das Schauhaus mit integrierten Technik- und angegliederten Wirtschaftsbereichen und den Tempelturm mit integriertem Eingangs- sowie Ausstellungsbereich. Ergänzt wird das Gebäude durch einen großzügigen Außenbereich. Für die gesamte Anlage wurde ein Aushub von 600 m3 Erde bewegt und 14 Bohrpfähle mit Längen zwischen 12 und 14 m gesetzt. Die Grundsteinlegung erfolgte im Spätsommer 2021. Im Sommer 2023 eröffnete die NASHORN PAGODE für die Besucher.
Der Turm – ikonische Landmark weit über die Grenzen des Zoos hinaus
Der 25 m hohe, indisch anmutende Turm im Zentrum der Anlage besteht aus 68 gestapelten Elementen aus rötlichem Beton, die jeweils bis zu zehn Tonnen wiegen. Ein eigens für den Turm entwickeltes Muster wurde als Matrize in die Betonfertigteile eingelegt. Der Turm greift das Leitbild Indien mit seinen prägenden, kulturellen Elementen, der Materialität und dem Licht- und Schattenspiel auf. Die rote Betonfärbung des Turms ähnelt dem Agrasandstein aus der indischen Heimat der Nashörner. Speziell entwickelte Ornamente nach dem Vorbild der Lotusblüte sind ein wiederkehrendes, verbindende Gestaltungselement. Das Design orientiert sich an der Tradition des Zoos und seiner historischen Bauten in einer zeitgemäßen Interpretation. Der Turm wiegt 400 Tonnen und ist wie ein Stecksystem (vergleichbar mit LEGO) mit Fertigteilen aus 68 gestapelten Elementen auf 18 Ebenen erbaut worden. Im Inneren des Turms können Besucher an einem „Wunschbrunnen“ Münzen für Artenschutzprojekte zum Schutz des Panzernashorns im nordostindischen Assam spenden. Die Spitze des Turms ist aus goldgelb-lackiertem Metall gefertigt und funkelt weithin sichtbar über die Grenzen des Zoos hinaus. Der auffällige Turm der NASHORN PAGODE hat als Alleinstellungsmerkmal des Zoos einen hohen Wiedererkennungswert und setzt einen städtebaulichen Akzent mit Außenwirkung.
Das Folienkissendach – optimale Beleuchtung zum Wohl von Flora und Fauna
Architektonisch spannend ist auch der Blick hinter die goldene Kuppel des Turms: Ein riesiges Folienkissendach, bestehend aus vier Lagen Kunststofffolien, die dauerhaft mit Luft durchströmt werden, überdeckt das Innere. Diese Lagen sind in Klemmprofilen befestigt, die wiederum auf acht Stahlträgern sitzen. Die überspannte Fläche ist ca. 1 100 m2 groß, das längste Kissen knapp 40 m lang. Das Dach wiegt ca. 37 Tonnen, wovon nur ca. zwei Tonnen die eigentliche Folie ausmachen. Um hohe Sonneneinstrahlung und Wärmeeintrag zu vermeiden, wurde die äußerste Folie mit einem reflektierenden Wabenmuster bedruckt.
Das Foliendach bietet noch weitere Vorteile, wie einen geringen Wartungsaufwand durch Selbstreinigung bei Regen sowie eine gute Lichtdurchlässigkeit inklusive UV-Licht. Das Dach sowie die Glasfassaden ermöglichen den optimalen Tageszeiten- und Witterungsbezug und verstärken das Gefühl, in der Natur zu stehen. Somit wird ein harmonisches und homogenes Gesamtbild erzeugt, welches das Gebäude in die umgebende Natur einbettet. Vom natürlichen Licht profitieren auch die bis zu 6 m hohen, schwarzen Olivenbäume im Besucherbereich sowie die anderen Pflanzen der Erlebniswelt.
Die in der NASHORN PAGODE installierte, weltweit erste Unterwasserglasscheibe für Nashörner hat eine Länge von 9 m und gewährt bisher nicht mögliche Einblicke unterhalb der Wasseroberfläche. Die Glasscheiben in der Anlage sind bis zu 7 cm dick und haben bis zu fünf Schichten. Sie müssen eine Anpralllast von 2,5 Tonnen bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h aushalten. Insgesamt wurden 460 m² VSG-Glasscheiben verbaut.
Das Tierwohl im Fokus
Um das Wohlbefinden der Tiere zu erhöhen, wurde ein Environmental & Behavioral Enrichment Konzept für den Innen- und Außenraum entwickelt. Insgesamt stehen den Tieren eine Vielzahl von verhaltens- und umgebungsbereichernden Beschäftigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Gerade Panzernashörner, die sich in ihrem natürlichen Lebensraum auf weichem, sumpfigem Untergrund bewegen, benötigen für ihre em-pfindlichen Nashornfüße ganz spezielle Bodenbeläge. Bei den Innen- und Außenbereichen wurde daher auf besonders weiches Material geachtet. Da Panzernashörner viel Zeit im Wasser verbringen, steht den vier Dickhäutern auf rund 5 000 m2 eine naturnahe Nashorn-Wellnesslandschaft mit fünf Badebecken und drei Schlammsuhlen zur Beschäftigung, Hautpflege und Abkühlung zur Verfügung. Die Tiere können zusätzlich drei über Bewegungsmelder gesteuerte Duschen selbständig in Betrieb nehmen.
Verschiedene Möglichkeiten zur Anbringung von Futter in den Innenbereichen und an Totholzbäumen der Außenanlagen sorgen für Abwechslung bei der Nahrungsaufnahme. Über eine Trainingswand in der Besucherhöhle kann das Pflegepersonal mit den Tieren interagieren. Die Anlage, die auf eine Vergesellschaftung der Nashörner mit Pustelschweinen setzt, bringt zudem Interaktion zwischen den Tieren. Gleichzeitig haben die Pustelschweine ein eigenes Rückzugsgebiet.
Die Gebäude und baulichen Anlagen der NASHORN PAGODE wurden strategisch so auf dem Grundstück platziert, dass viele alte Bestandsbäume erhalten werden konnten. Die radiale Organisation von Innengehege, Stall, Außengehege ist insgesamt platzsparend. Die Anlage überzeugt mit einem insektenfreundlichen Pflanzkonzept bestehend aus 28 235 Bäumen, Sträuchern und Gräser von 163 Arten.
Die Wasseraufbereitung für Warmwasser erfolgt in Teilen über Solarthermie auf dem Dach. Eine durchdachte Wassertechnik setzt auf Filterung und Wiederaufbereitung des für die Becken verwendeten Wassers im Keller und reduziert den Wasserverbrauch erheblich. Die Dachfläche der Anlage beträgt ca. 2 050 m2, ca. 300 m2 sind mit intensiver Dachbegrünung ausgestattet. Das Regenwasser wird in zwei unterirdischen Zisternen mit 60 m3 Fassungsvermögen gesammelt und zur automatischen Bewässerung der Pflanzflächen verwendet.
Ein kreisrundes ETFE-Dach mit einer Spannweite von 37 m ist auf Basis einer Stahlkonstruktion mit zwei Tonnen lichtdurchlässiger Folie bespannt, die eine Tageslichtnutzung ermöglicht. Das sorgt für Wohlbefinden bei Tieren und Pflanzen und spart gleichzeitig Strom. Durch thermische Simulation und Optimierungen kann auf den Einsatz einer Klimaanlage verzichtet werden. Zwei Wasserfälle tragen zur idealen Luftfeuchtigkeit bei. Im Innenraum wird größtenteils auf eine Bodenplatte verzichtet, was gut für die Füße der Tiere ist. Die Außenwand der Anlage besteht wegen der optimalen Widerstandsfähigkeit aus gefärbtem Sichtbeton mit Kerndämmung. Das gesamte Areal ist barrierefrei zugänglich.
Didaktik und Kommunikation
Zentrales Thema der Kommunikation in der NASHORN PAGODE sind der Artenschutz und die In-situ-Projekte des Zoos. Entlang des Erlebnisparcours lassen sich Flaggen, die Nashorn-Skulptur auf dem Vorplatz, der Wunschbrunnen im Turm, Infotainment-Schilder und -Stelen, ein Lebensraumschild sowie Deep-Dive-Video-Screens entdecken. Ziel ist es, das Tiererlebnis und den Artenschutz möglichst dynamisch und leicht darzustellen. Die gewählten Elemente sind symbolkräftig, plakativ und emotionalisierend. Kommunikation, Licht, Grafik und Ausstattung reichern die Landschaft und Gebäude ganz organisch an und bilden einen atmosphärischen Layer, der zugleich narrativ und informativ ist. Einfache Interaktionen regen zum „Näherkommen“ und Vertiefen an. Das didaktische Gesamtkonzept folgt dem Mehr-Sinne-Prinzip. Schrift und Symbole werden in einer entsprechenden Größe und kontrastreich dargestellt. Neben textlichen und visuellen Abbildungen gibt es haptisch erfahrbare Elemente oder Reliefdarstellungen, die auf spielerische Entdeckung durch die kleinen Besucher warten.
Flaggen der Vielfalt: Angelehnt an Gebetsfahnen, die „Wünsche für das Glück aller fühlenden Wesen mit dem Wind in die Welt hinaustragen“, flankieren Flaggencluster den Besucherweg vom Eingang hin zum Turm und Tempelgebäude. Sie verweisen auf die Kategorien der IUCN Red List und zeigen die dort gelisteten Tier-und Pflanzen-arten sowie einfache Grafiken besonders schützenswerter Spezies. Damit soll den Besuchern die hohe Anzahl bedrohter Arten bewusst gemacht werden.
Nashorn-Skulptur: Historisch gesehen gab es schon immer Bronzestatuen im Zoo Berlin. Mit der Nashornskulptur auf dem Vorplatz der NASHORN PAGODE ist eine künstlerisch-gestaltete, lebensechte Skulptur aus Bronze mit einer dynamischen Haltung als 1 : 1-Abbildung des Panzernashorns Betty entstanden, welche die Dynamik, Größe und Anmutung der mehr als zwei Tonnen schweren Tiere erlebbar macht und als Fotopoint dient. In sorgfältiger Handarbeit hat Künstler Rico Rensmeyer die dynamische Skulptur zusammen mit Anke Schirlitz von der Kunstgießerei Altglienicke geschaffen.
Infotainment: Die Infotainment Elemente sind als dunkelgraue, in Rostoptik pulverbeschichtete Stahltafeln ausgebildet und befinden sich immer angrenzend an die Glaseinblicke zu den Tieren. Um die im gestalterischen Ansatz definierte Leichtigkeit („Alles ist in Bewegung“) zu erreichen, werden die Flächen der Schilder durch ein gelasertes Ornament im Muster der Fassade aufgelockert. Verschiedene Kreisausschnitte sind von den Tafeln abgesetzt und durch ihre Höhenanordnung unterschiedlichen Ebenen zugewiesen: Themenkennzeichnung, Informationsebene, Kinderebene. Die Infotainment-Schilder thematisieren besondere Aspekte der Anatomie und der daraus folgenden Verhaltensweisen der beiden Haupttierarten Panzernashorn und Tapir. Darüber hinaus sind entsprechende Exponate im Maßstab 1 : 1 in das Schild integriert, die es Kindern ermöglichen, das jeweilige anatomische Merkmal haptisch zu erfahren. Zusätzlich befinden sich in einer Felsenhöhle zwei Bildschirme, die als Deep-Dive-Videos die In-Situ-Projekte des Zoos darstellen.
Lebensraumschild: Das Lebensraumschild steht am Lebensraum-Pfad, einem Nebenweg, der den Lebensraum des Panzernashorns darstellt und durch die typischen hohen Ravenna-Gräser der Sumpfgebiete des nördlichen Indiens führt. Weiterhin finden sich hier Spuren sogenannter „Hidden Species“, also Tiere, die den gleichen Lebensraum teilen, aber nicht vor Ort gezeigt werden, wie etwa Elefanten und Tiger.
„Die Nashorn-Pagode ist ein bedeutsamer Schritt in unserer Mission, den Artenschutz voranzutreiben und den bedrohlichen Verlust unserer Biodiversität, am Beispiel der Panzernashörner, ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken“, erklärt Zoo- und Tierparkdirektor Dr. Andreas Knieriem. „Wir wollen auf verschiedene Weise ihre Zukunft sichern: Im Zoo Berlin schaffen wir ein sicheres Umfeld für die Tiere und ihre Nachkommen. Gleichzeitig wollen wir Verständnis für die Bedrohungsfaktoren schaffen und die Bereitschaft für den Schutz dieser und anderer gefährdeter Tierarten fördern.“ Deshalb baut der Zoo Berlin sein Engagement im Schutz bedrohter Arten in ihren natürlichen Lebensräumen sukzessive aus. Im Zoo Berlin gesammelte Spenden fließen in das Artenschutz-Programm der Zoologischen Gärten Berlin Berlin World Wild und kommen unter anderem dem Nashornschutz in Indien zugute.